Der ehemalige Bundesbank-Präsident soll nach der Hauptversammlung im Mai 2023 die Nachfolge von Helmut Gottschalk antreten, der sich altersbedingt zurückzieht.
Jens Weidemann
Weidemann war von 2011 bis 2021 Präsident der Deutschen Bundesbank. Nun soll er Aufsichtsratschef der Commerzbank werden.
Bild: Reuters
Frankfurt Überraschender Wechsel bei der Commerzbank: Der frühere Bundesbankpräsident Jens Weidmann soll neuer Aufsichtsratschef von Deutschlands zweitgrößter Privatbank werden. Der 54-Jährige soll nach der nächsten Hauptversammlung im Mai 2023 die Nachfolge von Helmut Gottschalk antreten.
Der 71-jährige Gottschalk habe sich aufgrund seines Lebensalters entschieden, nach der nächsten Hauptversammlung nicht mehr für eine neue Amtszeit als Mitglied des Aufsichtsrats und Chefkontrolleur zur Verfügung zu stehen, teilte die Commerzbank mit. Diesen Entschluss habe er am Samstag den Vertretern der Anteilseigner im Präsidial- und Nominierungsausschuss mitgeteilt.
Gottschalk habe bereits frühzeitig einen Nachfolgeprozess eingeleitet und in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium Weidmann als neuen Aufsichtsrat vorgeschlagen. Er freue sich, mit Weidmann „eine im Finanzwesen hochangesehene Persönlichkeit für die Kandidatur zur Wahl in den Aufsichtsrat“ gewonnen zu haben, erklärte Gottschalk. Im Fall einer Wahl stehe Weidmann „auch für den Aufsichtsratsvorsitz zur Verfügung“. Die Anteilseignervertreter im Präsidial- und Nominierungsausschuss hätten den Vorschlag positiv aufgenommen.
Größter Aktionär der Commerzbank ist seit der staatlichen Rettung in der Finanzkrise 2008 die Bundesregierung, die aktuell gut 15 Prozent hält. „Der Bund steht voll hinter dem Vorschlag von Herrn Gottschalk, an seiner Stelle Jens Weidmann in den Aufsichtsrat zu wählen“, sagte Finanzstaatssekretär Florian Toncar dem Handelsblatt.
Für die Commerzbank ist die Verpflichtung von Weidmann ein Coup. In der Vergangenheit hatte das Institut bei der Suche nach neuen Aufsichtsratschefs wiederholt Absagen von hochrangigen Finanzmanagern erhalten.
Weidmann sei „eine hervorragende Wahl“, erklärte Roy Adams. Er ist Mitgründer des US-Investors Metronuclear, der nach eigenen Angaben 380.000 Commerzbank-Aktien hält.
Auch ein anderer großer Aktionär sieht die Nominierung von Weidmann unter dem Strich positiv. „Er ist kapitalmarktaffiner, internationaler und moderner als Gottschalk“, sagte der Investor, dem ein erfahrener Bankmanager allerdings lieber gewesen wäre. „Ich glaube nicht, dass Weidmann Vorstandschef Manfred Knof so rigoros im Zaum halten wird wie Gottschalk. Das ist aus Aktionärssicht negativ.“
Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität, sieht Weidmanns fehlende Erfahrung als Banker ebenfalls kritisch. „Ein ehemaliger Zentralbanker hat nicht unbedingt das Profil für einen Aufsichtsratsvorsitzenden einer Großbank“, schrieb Brühl auf Twitter.
In der Politik fielen die Reaktionen auf Weidmann dagegen positiv aus. Er sei ein „absolutes Schwergewicht“ und könne mit seinem Kapitalmarkt-Know-how und seinem Wissen im Bereich Regulierung und Governance zur Stärkung der Commerzbank beitragen, sagte der SPD-Finanzexperte Jens Zimmermann. „Die Verpflichtung signalisiert außerdem, dass die Commerzbank wieder in der ersten Liga spielt.“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer sprach von einer „guten Weichenstellung“ für die Commerzbank. Das mittelfristige Ziel müsse es sein, dass der Bund seine Beteiligung an dem Geldhaus wieder veräußern könne, sagte Hauer. „Dazu sehe ich die Commerzbank auch mit dieser Personalentscheidung auf einem guten Weg.“
Weidmann war von 2011 bis 2021 Präsident der Deutschen Bundesbank und in dieser Funktion auch Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuvor war er Leiter der wirtschafts- und finanzpolitischen Abteilung im Bundeskanzleramt.
Ende 2021 war Weidmann überraschend als Bundesbankchef zurückgetreten, weil er die aus seiner Sicht zu laxe Geldpolitik der EZB nicht länger mittragen wollte. Weidmann pochte stets auf eine saubere Trennung von Geld- und Finanzpolitik – und fühlte sich damit im EZB-Rat in einer strukturellen Minderheit.
Nach dem Ablauf seiner einjährigen Abkühlungsphase kann Weidmann 2023 wieder neue Aufgaben übernehmen. Als ihm der Aufsichtsratsposten bei der Commerzbank angeboten wurde, sagte er Finanzkreisen zufolge auch deshalb zu, weil er das Potenzial für zwei starke Privatbanken in Deutschland sieht.
Weidmann trat bei der Bundesbank vor allem als Geldpolitiker in Erscheinung und unterscheidet sich damit bei der Commerzbank deutlich von seinem Vorgänger, der sein gesamtes Leben als Banker gearbeitet hat. Helmut Gottschalk war einst Chef der Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg, später auch Chefkontrolleur der DZ Bank.
Aus dem Ruhestand heraus übernahm Gottschalk im April 2021 dann den Vorsitz im Aufsichtsrat der Commerzbank, der sich damals im Ausnahmezustand befand. Sein Vorgänger, der langjährige LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter, war anderthalb Monate zuvor aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten.
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Wenig später warfen mit Andreas Schmitz, Victoria Ossadnik, Rainer Hillebrand und Tobias Guldimann vier weitere Vertreter der Kapitalseite hin – und begründeten dies unter anderem mit der dominanten Rolle des Großaktionärs Bund.
Gottschalk stellte den Aufsichtsrat daraufhin neu auf und ordnete im Anschluss auch den Vorstand neu. IT-Vorstand Jörg Hessenmüller musste im Herbst 2021 gehen, Personalchefin Sabine Schmittroth verlässt das Geldhaus Ende dieses Jahres.
Gottschalk verpflichtete mit Thomas Schaufler, Jörg Oliveri del Castillo-Schulz und Sabine Mlnarsky drei neue Vorstandsmitglieder. Zudem passte er das Vergütungssystem an, das aus seiner Sicht vorher nicht leistungsorientiert genug war.
Gottschalk kontrolliert den Commerzbank-Vorstand intensiver und kritischer als viele seiner Vorgänger. Zudem fordert er mehr Bodenständigkeit und hinterfragt Privilegien. „Wir können uns vieles nicht mehr leisten, was sich die Bank in der Vergangenheit geleistet hat“, sagte er im Sommer.
Mit seinem Vorgehen machte sich Gottschalk im Management wenig Freunde. Auch sein Verhältnis zu Vorstandschef Knof gilt als angespannt, obwohl beide öffentlich stets das Gegenteil beteuern.
Gottschalk habe das Gefühl, dass es dem langjährigen Versicherungsmanager Knof manchmal an Erfahrung im Bankgeschäft fehle und dass er deshalb korrigierend eingreifen müsse, berichten Personen, die beide regelmäßig erleben. Knof wiederum sei der Ansicht, dass sich Gottschalk zu stark ins operative Geschäft einmische.
Die Finanzaufsicht und die Bundesregierung finden es gut, dass Gottschalk dem Commerzbank-Management genau auf die Finger schaut. „Wir sind ihm für die geleistete Arbeit außerordentlich dankbar, die maßgeblich zu der positiven Entwicklung der Commerzbank in der jüngsten Zeit beigetragen hat“, sagt Finanzstaatssekretär Toncar. „Herr Gottschalk genoss stets und genießt weiterhin unsere große Wertschätzung.“
Die Commerzbank befindet sich in einem großangelegten Umbau, bei dem 10.000 Vollzeitstellen gestrichen werden. Nach einem Milliardenverlust 2020 schreibt das Institut inzwischen wieder schwarze Zahlen. Im laufenden Jahr peilt das Institut einen Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro an und will erstmals seit 2018 wieder eine Dividende ausschütten.
„Die Commerzbank hat mit der Neuausrichtung des Vorstandsteams und der Wiederherstellung der Rentabilität des Kerngeschäfts in den vergangenen eineinhalb Jahren große Fortschritte gemacht und ist heute wieder in einer robusten Verfassung“, erklärte Gottschalk am Samstag. „Sie hat damit gute Chancen für die Gestaltung einer nachhaltig erfolgreichen Zukunft als eigenständige Kraft am deutschen Bankenmarkt.“
Mitarbeit: Frank Wiebe
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