Anonyme Testkäufe, Prüfung von Prospekten, Warnung vor unseriösen Produkten: Die Finanzaufsicht will Missständen im Finanzsektor schneller auf die Spur kommen und Kunden besser schützen.
Christian Bock
„Wir sind sehr gut aufgestellt – und auch mutiger geworden.“
Bild: Christian Bock
Berlin Vor wenigen Monaten probierte die Finanzaufsicht Bafin ein für sie neues Instrument aus: Mit den vom Gesetzgeber ermöglichten anonymen Testkäufen (Mystery Shopping) kann die Aufsicht prüfen, wie Banken, Versicherer und andere Finanzdienstleister ihre Kunden behandeln und ob die Anlageberatung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Der erste Testlauf offenbarte sogleich erhebliche Defizite bei der Anlageberatung der Banken.
„Der Testlauf war sicher nicht repräsentativ, das Ergebnis war dennoch ernüchternd“, sagte Christian Bock, Leiter der Bafin-Abteilung für Verbraucherschutz, dem Handelsblatt. In Personalunion ist Bock seit Mitte vergangenen Jahres Beauftragter der Bafin für den Anleger- und Verbraucherschutz. Bei einem Drittel der Fälle wurden der Untersuchung zufolge wichtige Dokumente nicht übergeben – dabei handelte es sich etwa um Kostenaufstellungen oder Erklärungen, ob Wertpapierprodukte für den Kunden geeignet seien.
„Das Thema werden wir uns im laufenden Jahr in einer großen repräsentativen Mystery-Shopping-Aktion noch einmal vertieft vornehmen“, kündigte Bock an. Das Instrument biete der Bafin neue Möglichkeiten, Probleme und Missstände am Finanzmarkt aufzudecken.
Und die können gewaltige Ausmaße annehmen, wie die Pleite des Finanzdienstleisters Wirecard zeigt. Dass betrügerische Aktivitäten des damaligen Dax-30-Konzerns nicht rechtzeitig aufgedeckt wurden, hatte zwar nicht allein an der Bafin gelegen, aber dennoch das Vertrauen in die Finanzaufsicht erschüttert. Im Zuge der Reform der Finanzaufsicht, die der Behörde mit Mark Branson auch einen neuen Chef bescherte, wurde auch der Verbraucherschutz gestärkt.
Die Bafin ist nicht dafür da, individuelle Rechtsansprüche durchzusetzen. Sie muss den Verbraucherschutz insgesamt im Auge haben. Sie ist also den Verbrauchern in ihrer Gesamtheit verpflichtet und versucht, systematisches Fehlverhalten aufzuspüren.
Dass die Bafin in puncto Verbraucherschutz jetzt eine härtere Gangart einschlägt, zeigt der Umgang mit dem Prämiensparen. Über eine sogenannte Allgemeinverfügung hat die Bafin im Juni 2021 Kreditinstitute dazu verpflichtet, Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren.
Die betroffenen Institute müssen den Sparern erklären, ob diese durch die verwendeten Klauseln zu geringe Zinsen erhalten haben, und ihnen eine Nachberechnung der Zinsen zusichern. Mehr als 1100 Kreditinstitute legten Widerspruch ein. Die Bafin plant, über die Musterwidersprüche noch im ersten Quartal zu entscheiden.
Eingemischt hat sich die Bafin auch, als der Bundesgerichtshof (BGH) im April 2021 ein vielbeachtetes Urteil fällte. Danach sind bestimmte Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Kreditinstitute ungültig.
Bislang gingen die Banken beispielsweise bei der Erhöhung von Bankentgelten davon aus, dass diese gelten, sofern Verbraucherinnen und Verbraucher sie nicht ausdrücklich abgelehnt haben. Diese sogenannte Zustimmungsfiktion sieht der BGH als unangemessene Benachteiligung der Verbraucher an. Danach können Verbraucher Gebühren zurückfordern.
Zwar gab es keine Allgemeinverfügung wie im Falle des Prämiensparens, doch die Bafin formulierte eine „Erwartungshaltung an die gesamte Kreditwirtschaft“. Mit berechtigten Rückforderungen seitens der Verbraucher sollten die Institute „rechtmäßig, offen, transparent und partnerschaftlich“ umgehen.
Viel Geld haben Verbraucher in der Vergangenheit bei Anlagen im Bereich des „grauen Kapitalmarkts“ verloren, wenn sie beispielsweise auf Vermögensanlagen in Gold, Holz oder Container gesetzt hatten. Mit Angeboten von Infinus, S&K, PIM Gold, Prokon oder P&R haben Anleger immense Summen verloren.
Die Bundesregierung versucht zwar, die Kunden stärker zu schützen, etwa dadurch, dass nun ein neutraler Kontrolleur die Verwendung von Mitteln überwachen muss. Ob das aber reicht, um die Entstehung von Schneeballsystemen abzuwehren, bleibt abzuwarten.
Der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Peter Mattil hat da eine klare Meinung: „Da Gesetze und Verordnungen unerfahrene Anleger nicht schützen können, müssen gewisse Anlageformen verboten werden, die für Verbraucher ungeeignet sind.“
Bock zeigt hier die Grenzen der Bafin auf: „Es gibt keine Produktaufsicht, und wir prüfen auch nicht das Geschäftsmodell der Emittenten.“ Die Finanzaufsicht prüfe den Vermögensanlageprospekt, den Emittenten vorlegen müssen.
Falls bei dieser formalen Prospektprüfung bereits erhebliche Bedenken in puncto Anlegerschutz auftreten, beispielsweise bei einem undurchsichtigen Unternehmensgeflecht, „hinterfragen wir das“, so Bock. In rund 50 Fällen sei das im vergangenen Jahr vorgekommen.
„Wir können dann ein Produktinterventionsverfahren durchführen, das beispielsweise damit enden kann, dass der Vertrieb an private Anleger untersagt wird.“ Aber dazu lassen es die Emittenten häufig nicht kommen und ziehen das Angebot zurück oder ändern es ab.
Die Warnung vor riskanten und unseriösen Produkten ist die eine Seite. Die Bafin will andererseits aber auch die Finanzkompetenz der Anleger stärken. „Der Verbraucher sollte beispielsweise wissen, dass die Welt der Kryptowährungen hochspekulativ ist“, so Bock. Ob entsprechende Produkte dann für den Anleger geeignet sind, „muss er nach seiner eigenen Risikobereitschaft, vor allem aber gut informiert, entscheiden“.
Stärkere Präsenz will die Bafin dabei in den sozialen Medien zeigen. „Es macht wenig Sinn, wenn die Menschen über Twitter verleitet werden, etwas zu kaufen, und wir nur auf unserer eigenen Internetseite präsent sind“, gibt Bock zu bedenken.
Vor zwei Jahren bemängelte die „Bürgerbewegung Finanzwende“ die personelle Ausstattung der Bafin im Bereich Verbraucherschutz. Das sei ein „ungeliebter Nebenjob“, lautete die Kritik. „Der Vorwurf gilt nicht mehr. Unser Instrumentenkasten wurde ergänzt, 190 Mitarbeiter arbeiten in elf Referaten“, so Bock. „Damit sind wir sehr gut aufgestellt – und auch mutiger geworden.“
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