Banken leiden unter dem Niedrigzins – der Verband der Volksbanken denkt über Minuszinsen für Privatkunden nach. Rechtlich könnte das problematisch werden.
Geschäftsmann sieht fallende Zinsen
Strafzinsen für Privatkunden bleiben weiterhin umstritten.
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Frankfurt Die Volks- und Raiffeisenbanken schließen nicht aus, dass deutsche Kreditinstitute künftig auch im klassischen Privatkundengeschäft Strafzinsen berechnen. Verstetige sich das Thema der niedrigen Zinsen weiter, würden alle Banken „diesen Umstand für sich neu bewerten müssen“, sagte die Präsidentin des Verbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak, am vergangenen Donnerstag. Sei es mit Blick auf Gebühren oder auf andere Instrumentarien.
Diese anderen Instrumente dürften in erster Linie Minuszinsen sein. Bisher gelten Strafzinsen für normale Privatkunden als tabu. Die Geldhäuser haben in den vergangenen Jahren zwar vielfach die Gebühren für Girokonten erhöht, von Strafzinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten aber weitgehend abgesehen.
Das dürfte erstens daran liegen, dass die Banken ihre Kunden nicht verschrecken wollen. Verbraucher würden so nämlich plötzlich vom Gläubiger zum Schuldner. Schließlich müssten Kunden dann auf ihre Einlagen Zinsen zahlen, statt anders herum wie gewohnt Zinsen gutgeschrieben zu bekommen – auch wenn der Zinssatz derzeit minimal ist und bei vielen Giro- und Tagesgeldkonten sogar bei null liegt. Zweitens gelten Strafzinsen für Privatkunden als rechtlich umstritten.
Vieles deutet darauf hin, dass sie bei den meisten Girokonten unzulässig und bei Tagesgeldkonten nur in Sonderfällen möglich sind. So hat das Landgericht Tübingen vor gut einem Jahr entschieden, dass ein Entgelt für die Einlagenverwahrung – was nur ein anderer Name für Strafzinsen ist – bei einem Girokonto mit Kontoführungsgebühr nicht erlaubt ist (Az. O 225/17).
Konkret heißt es in dem Urteil: Eine „unangemessene Benachteiligung der Bankkunden“ liege in einem Nebeneinander von Kontoführungsgebühren für das Girokonto und einem Entgelt von 0,5 Prozent im Jahr für die Verwahrung von Einlagen vor. Anders könnte es also bei Banken mit Gratiskonten sein – die aber bieten Volksbanken und auch Sparkassen in der Regel nicht an.
Geklagt hatten in dem Tübinger Fall die Verbraucherzentrale Sachsen, die sich damals bundesweit mit solchen Finanzthemen beschäftigte und auf diesem Weg gegen die Volksbank Reutlingen vorgehen wollte. Diese hatte zwischenzeitlich laut Preisaushang negative Zinsen für Guthaben auf bestimmten Konten veranschlagt: Bei Girokonten sollten Minuszinsen von 0,5 Prozent schon ab dem ersten Euro gelten, bei Tagesgeldkonten ab 10.000 Euro.
Zum Tagesgeld hatten die Tübinger Richter zuvor geurteilt, dass Banken ihren privaten Kunden für bestehende Verträge keine Minuszinsen auferlegen dürfen (Az. 4 O 187/17). Banken dürfen demnach nicht einfach ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen um ein solches Extraentgelt ergänzen. Die Richter äußerten sich damit allerdings nur zu Altverträgen. Wenn Geldhäuser mit Kunden neue Verträge abschließen, könnten sie darin womöglich Negativzinsen veranschlagen.
Die Besonderheit bei der Volksbank Reutlingen: Sie berechnete Kunden die Minuszinsen nicht, sondern diese bestanden nur auf dem Papier. Dennoch brach sie ein Tabu und landete bundesweit in den Schlagzeilen. Bis dahin hatten nur einige wenige Banken Strafzinsen auf hohe Einlagen von Privatkunden verlangt – was auch aktuell noch der Fall ist.
Lediglich gut 20 der rund 1600 deutschen Geldhäuser berechnen privaten Kunden einen Negativzins von 0,4 Prozent oder verlangen eine Extragebühr für hohe Einlagen auf Giro- oder Tagesgeldkonten, meist ab Summen von 100.000 Euro oder 500.000 Euro. Das geht aus Zahlen des Vergleichsportals Verivox hervor. Betroffen sind vor allem Genossenschaftsbanken.
Bei großen Vermögen von Firmenkunden oder auch Kommunen ist es dagegen schon lange üblich, Strafzinsen zu erheben. Diese gelten allerdings auch als eine Art „Abwehrkondition“. Häufig geht es den Banken darum, die Kunden dazu zu bewegen, ihr Geld anders – zum Beispiel in Fonds – anzulegen.
Hintergrund der Debatte um Minuszinsen ist, dass das Zinsniveau in der Euro-Zone noch lange niedrig bleiben dürfte – der Leitzins liegt seit Langem bei null Prozent. BVR-Chefin Kolak beispielsweise rechnet nicht mit einer Wende der Geldpolitik in den kommenden fünf Jahren.
Zudem gehen Beobachter davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Einlagezins für Banken bald auf minus 0,5 Prozent senkt. Derzeit liegt der Strafzins, den Geschäftsbanken für kurzfristige Einlagen bei der EZB zahlen müssen, bei 0,4 Prozent. Dadurch ergibt sich für die deutschen Banken aktuell eine jährliche Last von rund 2,3 Milliarden Euro, berechnete der private Bankenverband BdB.
Bei einer weiteren Senkung des Einlagezinses würden weitere 600 Millionen Euro fällig. Bislang verkraften das gerade Volksbanken und Sparkassen noch gut – 2018 fuhren sie hohe Gewinne ein. Doch auf Dauer droht ein Teil des Ertrags wegzubrechen. Darauf dürften die deutschen Geldhäuser reagieren: Angesichts der niedrigen Zinsen müssten die Banken immer mehr darauf achten, „alle Leistungen angemessen zu bepreisen“, sagte der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, im Handelsblatt-Interview.
„Die Postbank hat vor zwei Jahren wieder Kontoführungsgebühren eingeführt – und es gab trotzdem kaum Abgänge von Kunden. In Zukunft werden Banken sicher auch noch andere Preise anpassen müssen.“ Man könnte das Zinsumfeld nicht nur mit Kostenreduzierungen auffangen. Sewing rechnet damit, dass einige Geldhäuser sich von ihren Gratisangeboten verabschieden. Er bezweifelt, „dass Banken, die aktuell ein kostenloses Konto anbieten, dies angesichts der Zinspolitik die nächsten Jahre oder Jahrzehnte durchhalten“.
In der Tat ist es naheliegend, dass Banken eher erstmals oder weiter an der Gebührenschraube drehen, anstatt Strafzinsen auf dem Girokonto einzuführen. Denn aus Sicht von Verbraucherschützern gibt es noch weitere Gründe dafür, dass Strafzinsen für normale Privatkunden unzulässig sind.
Darauf verweisen Kay Görner von der Verbraucherzentrale Sachsen und Niklas Korff, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg, in einem Beitrag für die Zeitschrift „Verbraucher und Recht“, der im vergangenen Jahr erschienen ist. Sie meinen, dass weder Sparkassengesetze noch die übliche Satzung von Genossenschaftsbanken die Erhebung von Negativzinsen zulassen.
So heißt es in Satzungen von Volks- und Raiffeisenbanken häufig: Der Gegenstand des Unternehmens sei „die Durchführung von banküblichen und ergänzenden Geschäften“, „insbesondere die Pflege des Spargedankens“. Das bayrische Sparkassengesetz wiederum nennt als Aufgabe der Sparkassen unter anderem, dass diese „der Bevölkerung Gelegenheit zur sicheren und verzinslichen Anlegung von Ersparnissen und anderen Geldern zu geben“ haben.
Görner und Korff geben in ihrem Beitrag, der auf einem Gutachten für die Verbraucherzentrale Bundesverband beruht, aber an, dass es zu den Sparkassengesetzen auch andere Interpretationen gibt. Gleichwohl meinen die Autoren, dass zudem mehrere Vorschriften aus dem Bundesgesetzbuch der Erhebung von Negativzinsen entgegenstehen.
Wie vorsichtig Kreditinstitute selbst mit dem Thema umgehen, zeigt das Beispiel der Sparkasse Köln Bonn. Sie hatte im Frühjahr 2017 erklärt, sie berechne für einige wenige vermögende Privatkunden Minuszinsen – kurz darauf kippte sie die Entscheidung wieder. „Einzelne Inhalte dieser Vereinbarungen stellten sich in dieser Form als kontrovers heraus“, teilte die Sparkasse dazu auf Anfrage mit.
Mehr: Senkt die EZB den Einlagenzinssatz für Banken weiter, müssen Kunden mit höheren Gebühren oder Minuszinsen rechnen, warnen die Genossenschaftsbanken.
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