PremiumMarkus Braun stellt sich vor Gericht als Opfer dar. Der Ex-Wirecard-Chef sagt, er habe sich auf eine ordnungsgemäße Buchführung und -prüfung verlassen.
Markus Braun
Der frühere Vorstandschef will im Wirecard-Prozess seine „ganz persönlichen Wahrnehmungen“ und die Geschichte des Unternehmens schildern.
Bild: dpa
München Markus Braun präsentiert sich im Strafprozess um die milliardenschwere Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard gleich zu Beginn seiner Aussage als ein Angeklagter, der das Geschehene bedauert. Der Zusammenbruch Wirecards im Juni 2020 habe nicht nur Anlegern, Kunden und Geschäftspartnern Schmerzen zugefügt. Auch er habe unter dem Kollaps gelitten, erklärt der langjährige Wirecard-Chef am Montagmorgen: „Der 18.6.2020 ist ein Tag des tiefsten Bedauerns, ein Tag des Schmerzes.“
Doch so sehr ihn der Untergang Wirecards auch gequält haben soll – Schuld daran haben will Braun nicht. „Ich hatte keinerlei Kenntnisse von Fälschungen und Veruntreuungen“, sagt der Manager, der Wirecard 18 Jahre lang führte.
Braun ergreift erstmals ausführlich das Wort in dem Prozess vor dem Landgericht München. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue und Bandenbetrug vor. Sie stützt sich auf den mitangeklagten Kronzeugen Oliver Bellenhaus, der Braun zuletzt schwer belastet hat. Nach der Aussage des bis 2020 in Dubai für Wirecard tätigen Managers war Braun ein alles dominierender Chef, der in den Milliardenbetrug voll eingebunden war. Brauns Verteidiger hatten die Vorwürfe als Lügen zurückgewiesen.
Braun sitzt seit dem Zusammenbruch des Finanzkonzerns vor zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft und hat sich seitdem erst zweimal kurz öffentlich geäußert. In einem Untersuchungsausschuss des Bundestags stellte er sich selbst als Betrugsopfer dar. Zu Prozessbeginn im Dezember hatte er nur seine Personalien bestätigt.
Am Montagmorgen nun kündigte Braun an, er wolle seine „ganz persönlichen Wahrnehmungen“ und die Geschichte des Unternehmens schildern.
Er sei niemals Teil oder gar Kopf einer kriminellen Bande gewesen, die Geschäftspartner und Anleger von Wirecard um Milliarden Euro betrogen habe, schilderte Braun. Von kriminellen Handlungen seines Mitarbeiters Oliver Bellenhaus und des ehemaligen Asienvorstands Jan Marsalek habe er nichts gewusst.
Gekleidet mit einem schwarzen Rollkragenpullover und einem dunklen Sakko – Braun ist seinem früheren Kleidungsstil treu geblieben – spricht er konzentriert und frei. Mal beugt er sich zum Mikrofon hin, mal entfernt er sich so weit, dass man seine Worte im Saal kaum noch versteht. Flankiert von seinen beiden Anwälten beteuert Braun: Er habe stets an die Existenz des sogenannten Drittpartnergeschäfts Wirecards geglaubt und sei zudem von einem „vollständigen Digitalgeschäft“ ausgegangen.
Bei Krediten in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro habe er angenommen, diese würden von den Kreditnehmern „sachgemäß“ verwendet. Der Vergabe von Krediten an Briefkastenfirmen mit Namen wie OCAP und Ruprecht sei keine Untreue vorausgegangen, sondern eine sorgfältige Prüfung. „Ich hatte keine Kenntnisse darüber, dass diese Gelder veruntreut werden sollten“, sagte Braun.
Auch einem weiteren Punkt der fast 500 Seiten langen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München widerspricht Braun. Er bestreitet, die Kapitalmärkte mittels einer unrichtigen Ad-hoc-Mitteilung über die Sonderprüfung des Wirecard-Drittpartnergeschäfts getäuscht zu haben.
Wirtschaftsprüfer von KPMG hatten nach kritischen Medienberichten der „Financial Times“ das Drittpartnergeschäft Wirecards 2020 durchleuchtet. Über sie wickelte der Konzern offiziell den Zahlungsverkehr in Ländern ab, in denen er über keine eigene Lizenz verfügte.
Allerdings fand KPMG keine Beweise für die Existenz des angeblich milliardenschweren Geschäfts. Dennoch habe Braun im April eine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen lassen, in der er erklärte, KPMG habe keine Belege für Bilanzmanipulation gefunden, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Vor Gericht erklärte Braun nun: Die Formulierungen in der Mitteilung hätten „im rechtskonformen Ermessungsspielraum des Vorstandes“ gelegen.
Überhaupt sei die Idee einer Sonderprüfung seinem Geist entsprungen, meint Braun. Er habe die Untersuchung gegen den Willen von Jan Marsalek im Jahr 2019 angeordnet. Der seit Juni 2020 untergetauchte Marsalek habe gegenüber Braun argumentiert, eine Sonderuntersuchung eines Wirtschaftsprüfers würde den Drittpartner Al Alam verscheuchen und damit diesen Zweig des Drittpartnergeschäfts gefährden.
Mit Blick auf seinen einstigen Weggefährten Marsalek gibt Braun an, dieser sei „gefühlt damals ein Glücksgriff“ gewesen, als er zu Wirecard stieß. Marsalek sei in Sachen Technologie hochversiert gewesen. Zwischen den Jahren 2000 und 2005 hätten er und Marsalek und Braun unter der Woche gemeinsam gearbeitet und am Freitag dann gemeinsam gefeiert. Unter Brauns Führung war Marsalek 2010 zum Vorstandsmitglied aufgestiegen.
An der Stelle unterbricht Richter Markus Födisch Brauns Aussage. Er fragt: Haben Sie Marsalek als COO (Chief Operating Officer, d. Red.) vorgeschlagen? „Ich habe das ganz klar unterstützt,“ antwortet Braun.
Markus Braun spricht anschließend über sein Verhältnis zu Kronzeuge Oliver Bellenhaus, der ihn vor Gericht schwer belastet hatte. Er erklärt: Bellenhaus habe er eigentlich fast nicht gekannt, dieser habe nie an ihn berichtet. Bis zur Sonderprüfung durch KPMG habe Braun mit Bellenhaus keinen Kontakt gepflegt. Als Bellenhaus während der Sonderuntersuchung in Urlaub gegangen sein, habe er ihn gar entlassen wollen.
Erstpublikation: 13.02.2022, 09:54 Uhr (zuletzt aktualisiert: 13.02.2022, 15:00 Uhr).
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