Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

03.02.2020

15:08

Worldline und Ingenico

Übernahme für 7,8 Milliarden Euro: Megadeal der Wirecard-Konkurrenten

Von: Elisabeth Atzler

Die französischen Zahlungsdienstleister Wordline und Ingenico fusionieren zum viertgrößten Zahlungsdienstleister weltweit. Das hat auch Auswirkungen auf die deutschen Sparkassen.

Dieser Trend könnte der Branche eine „goldene Zeit“ bringen. Maskot /Maskot/F1online

Bargeldloses Bezahlen im Lokal

Dieser Trend könnte der Branche eine „goldene Zeit“ bringen.

Frankfurt Die Übernahmeserie unter Zahlungsdienstleistern setzt sich fort – nun auch mit einem großen Deal in Europa: Worldline hat am Montagmorgen angekündigt, den Wettbewerber Ingenico zu schlucken. Ingenico wird dabei mit 7,8 Milliarden Euro bewertet. Die beiden französischen Unternehmen erklärten, durch die Verschmelzung würde der viertgrößte Zahlungsdienstleister weltweit entstehen.

Worldline-Chef Gilles Grapinet, der auch an der Spitze des fusionierten Konzerns stehen wird, sagte: „Gemeinsam schaffen wird den europäischen Weltklasse-Marktführer im digitalen Zahlungsverkehr.“ Nicolas Huss, Chef von Ingenico, wies darauf hin, dass im rasant wachsenden Zahlungsverkehrsmarkt Größe entscheidend sei – in einer Branche, die sich rasant konsolidiere.

Beobachter hatten bereits mit großen Fusionen in Europa gerechnet. Der Markt ist noch vergleichsweise zersplittert, auch wenn Worldline und Ingenico längst international aktiv sind. In den USA hatte es im vergangenen Jahr bereits drei spektakuläre Zusammenschlüsse gegeben, die sich auf umgerechnet insgesamt 70 Milliarden Euro beliefen.

Martina Weimert, Partnerin der Unternehmensberatung Oliver Wyman, sieht die Fusion als „Versuch, einen europäischen Champion zu schaffen. Damit folgt Europa der Bewegung in den USA, wo es bereits einige sehr große Übernahmen gab“. Wichtig für den neuen fusionierten Konzern wird ihrer Meinung nach nun sein, „dass er sich nicht nur in Europa, sondern auch international behauptet“.

Zahlungsdienstleister wie Ingencio und Worldline wickeln im Auftrag von Händlern Zahlungen ab, online oder auch an der Ladenkasse. Zudem binden sie verschiedene Bezahlarten in Onlineshops ein und übernehmen Zusatzdienstleistungen wie etwa den Schutz vor betrügerischen Transaktionen.

Grafik

Das Geschäft boomt. Verbraucher zahlen weltweit immer weniger mit Bargeld, wodurch die Volumina von Karten- und Onlinezahlungen rasant steigen. Die Beratungsfirma McKinsey prognostizierte kürzlich, dass die Erträge im Zahlungsverkehr weltweit von zuletzt knapp 1,9 Billionen Dollar jährlich auf gut 2,9 Billionen Dollar im Jahr 2022 nach oben schnellen werden, wobei ein großer Teil aus Schwellenländern kommt und auch Erlöse aus Girokonten sowie Zinsgeschäften mitgerechnet werden. Die Branche scheine auf so etwas wie eine „goldene Zeit“ zuzusteuern, so McKinsey-Experten.

Konkurrenten in Europa sind unter anderem Adyen sowie der Dax-Konzern Wirecard, die aber auch international Kunden haben. Weltweit zählen FIS, Fiserv und Global Payments zu den großen Wettbewerbern.

Während die Aktien vieler Zahlungsdienstleister rasant gestiegen sind, erlebte Wirecard eine Achterbahnfahrt an der Börse: Die Firma aus Aschheim bei München, erst im Herbst 2018 in den deutschen Leitindex Dax aufgestiegen, kommt nicht aus den Schlagzeilen. In der Niederlassung in Singapur kam es zu Fehlbuchungen, Investoren kritisieren die Konzernstruktur als intransparent und die Kommunikation als mangelhaft. Die Debatte über womöglich frisierte Bilanzen und die Zahlungsabwicklung für halbseidene Partner läuft noch immer.

Investitionen in neue Technologien nötig

Ein Grund für die Übernahmewelle ist, dass Größenvorteile in der Branche immer wichtiger werden. So tobt ein harter Konkurrenzkampf unter Zahlungsdienstleistern. Sie erhalten nur einen kleinen Anteil der über sie abgewickelten Umsätze. Besonders in Europa sind die Gebühren gedeckelt. Um ausreichend Gewinne zu erwirtschaften und um in immer neue Technologien und Services für Händler zu investieren, ist ein großer Marktanteil wichtiger denn je. Oliver-Wyman-Expertin Weimert erklärt: „Das Ziel von Zusammenschlüssen ist, Kosten zu senken. Zudem verlangen Händler mehr und neue Dienstleistungen.“

Zudem streben neue Rivalen in den Markt. Der US-Onlinebezahldienst Paypal ist bereits in das Geschäft der traditionellen Zahlungsdienstleister vorgedrungen und bietet Onlinehändlern Zusatzservices wie Betrugsprävention und Kredite an.

Die deutschen Banken spielen bei Zahlungsverkehrsdienstleistungen für Händler kaum mehr eine Rolle. Anfang 2017 verkauften sie ihren Zahlungsdienstleister Concardis an die Finanzinvestoren Bain und Advent. An Concardis beteiligt waren die Deutsche Bank und die Commerzbank, die genossenschaftliche DZ Bank sowie die Sparkassen. Inzwischen hat der dänische Zahlungsdienstleister Nets Concardis übernommen.

Die Ingenico-Übernahme durch Worldline hat auch Auswirkungen auf die deutschen Sparkassen. Sie hatten sich erst vor zwei Jahren entschlossen, ihr eigenes Zahlungsverkehrsgeschäft in ein deutsches Gemeinschaftsunternehmen mit Ingenico einzubringen. Seit Anfang 2019 gibt es das Joint Venture. Bisher halten die Sparkassen an dieser Firma, Payone, 48 Prozent. Künftig werden es noch 40 Prozent sein.

Der Deutsche Sparkassenverlag (DSV), der einen Teil der Zahlungsdienstleistungen der Sparkassen steuert, sagte dazu: Es sei vertraglich vereinbart worden, dass Payone weiterhin als eigenständiges Joint Venture geführt werde. DSV-Chef Michael Stollarz betrachtet die Transaktion als „eine vorteilhafte Entwicklung für alle Beteiligten. Von der Stärke des zusammengeführten Unternehmens, seinen Lösungen und Synergien wird Payone entscheidend profitieren.“

Worldline sehe vor, sein Geschäft mit Händlern in Deutschland und Österreich in Payone zu integrieren, sagte Stollarz. Laut DSV wird sich Payone auf Deutschland und Österreich fokussieren, alle deutschen Kunden würden dann von Payone bedient. Die Schweiz wird demnach künftig von Worldline beziehungsweise der Einheit Six Payments in deren Heimatmarkt betreut. Worldline hat erst Ende 2018 die Mehrheit an Six übernommen. Als fraglich kann allerdings gelten, wie sehr die Sparkassen innerhalb des neuen Konzerns noch gehört werden.

An der Börse reagierten Anleger deutlich auf die Fusionsankündigung. Die Aktien von Ingenico gewannen bis Montagmittag 13 Prozent. Worldline-Anteile gaben gut zwei Prozent nach.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×