Die Staatsanwaltschaft München hat Haus und Büro des ehemaligen Wirecard-Chefkontrolleurs durchsucht. Es geht um dubiose Kredite und den Verdacht der Beihilfe zur Untreue.
Wulf Matthias
Der Ex-Credit-Suisse-Banker war zwölf Jahre lang Aufsichtsratschef von Wirecard.
Bild: Wirecard
Frankfurt, Düsseldorf Die Staatsanwaltschaft München hat nach Handelsblatt-Informationen das Büro und das Privathaus des ehemaligen Wirecard-Aufsichtsratschefs Wulf Matthias durchsucht. Dabei geht es um den Verdacht der Beihilfe zur Untreue. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen Millionenkredite von Wirecard an verbundene Unternehmen vor allem in Asien. Über die Durchsuchung hatte zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.
Bisher ist Matthias auf freiem Fuß – im Gegensatz zu Ex-Vorstandschef Markus Braun, der seit einem knappen Jahr in Untersuchungshaft sitzt. Nach der Insolvenz von Wirecard hatte es geheißen, der 76-jährige Ex-Credit-Suisse-Banker sei gesundheitlich stark eingeschränkt, weshalb er auch lange Zeit weder als Zeuge noch als Beschuldigter vernommen wurde. Insider hatten ihn im vergangenen Jahr jedoch als weiterhin „geistig wach“ beschrieben.
Inzwischen wird Matthias neben anderen Ex-Wirecard-Aufsichtsräten von der Staatsanwaltschaft München I formell als Beschuldigter geführt. Die Ermittlungsbehörde nahm auf Anfrage nicht Stellung. Auch Matthias’ Anwalt erklärte, aktuell „keine Erklärung oder Stellungnahme“ abgeben zu wollen.
Der Zahlungsdienstleister Wirecard war im Juni 2020 nach dem Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen zusammengebrochen. Der bis Anfang 2020 amtierende langjährige Aufsichtsratschef Matthias spielte dabei eine unrühmliche Rolle. Er soll jahrelang Millionenkredite an dubiose Unternehmen in Asien abgesegnet haben – darunter auch Darlehen an die Firma Senjo mit Hauptsitz in Singapur, die später in Ocap umbenannt wurde. Diese Kredite stehen nun im Fokus der Ermittlungen.
Wirecards Insolvenzverwalter Michael Jaffé glaubt, dass Ocap „eine zentrale Rolle“ in Bezug auf die Gesellschaften spielte, „über die Gelder aus dem Wirecard-Konzern abgeflossen sind“. Das hat der Jurist in seinem jüngsten Sachstandsbericht von Mitte Mai notiert. Insgesamt, heißt es darin, schulde Ocap dem Wirecard-Konzern noch 230 Millionen Euro.
Kreditvorlagen, die dem Handelsblatt vorliegen, zeigen, dass der britische Geschäftsmann Henry O’Sullivan zu den Hintermännern von Senjo und Ocap zählt. Wörtlich heißt es darin, dass frühere Darlehen an die Firma vor einem „strategischen Hintergrund“ vergeben worden seien. Ausschlaggebend seien dabei Geschäftspartner gewesen, mit denen Wirecard schon in anderen Bereichen eng zusammengearbeitet habe. „Dies war vorliegend ebenfalls in Person von Henry O’Sullivan der Fall.“
O’Sullivan gilt als enger Vertrauter des ehemaligen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek. Er hatte zwar keine offizielle Funktion bei dem Konzern inne, gilt in dem Skandal aber als Strippenzieher, der mit Marsalek im Hintergrund etliche große Deals einfädelte. Insider vermuten schon länger, dass sie dabei auch in die eigene Tasche wirtschafteten. Die Staatsanwaltschaft München hatte erst kürzlich erklärt, dass sie im Fall des britischen Geschäftsmanns Rechtshilfeersuchen nach Singapur übermittelt habe.
Als Matthias im Januar 2020 vom Posten des Aufsichtsratschefs zurücktrat, nannte er seine Rolle bei Wirecard seit 2008 noch eine „besondere Ehre“. Der Zahlungsdienstleister habe „eine in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte Deutschlands beispiellose Wachstums- und Erfolgsstory hingelegt“. Sechs Monate später war der Konzern pleite.
Ungeklärt ist die Frage, warum Chefkontrolleur Matthias, der auch im Aufsichtsrat der Wirecard Bank saß, angesichts früher Warnungen nicht eingeschritten ist. Kritische Nachfragen im Aufsichtsrat gab es von ihm laut internen Protokollen kaum. Die Ermittler erhoffen sich von der Durchsuchung am Dienstag nun weitere Erkenntnisse zu seiner Rolle im Milliardenskandal.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×