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28.12.2022

11:05

Zentralbanken

Was ist eine Notenbank? Wichtige Fragen und Antworten

Im Kampf gegen die Inflation entscheiden sich die Notenbanken für große Zinserhöhungen. Was sind die Aufgaben einer Notenbank? Eine Übersicht.

Ein Euro-Symbol vor der Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt, einer der wichtigsten Notenbanken Imago

Europäische Zentralbank in Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt zählt zu den wichtigsten Notenbanken.

Sie versorgen Bevölkerung und Unternehmen mit Bargeld, behalten die Finanzstabilität eines Währungsraums im Auge und beeinflussen Zinssätze: Notenbanken kommen eine Reihe von Verantwortlichkeiten zu – oberstes Ziel ist es in diesen Zeiten mehr denn je, die Inflation einzudämmen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hob den europäischen Leitzins im Dezember um 0,50 Prozentpunkte auf 2,50 Prozent an. Die Notenbank werde ihre Zinserhöhungen beibehalten, kündigte Vize-Präsident Luis de Guindos an. Auch die US-Notenbank Fed, die 2022 mehrere große Zinsschritte vollzogen hat, zeigt sich weiter entschlossen im Kampf gegen die Inflation.

Doch wie definiert sich eigentlich eine Notenbank und welche Aufgaben hat sie? Alle wichtigen Antworten rund um Zentralbanken.

Was sind Notenbanken oder Zentralbanken?

Notenbanken geben Banknoten aus, daher kommt der Name. Früher waren es oft private Geldhäuser, die Banknoten in Umlauf brachten mit der Verpflichtung, sie auf Verlangen gegen Edelmetall umzutauschen. Nach und nach wurde das Verfahren aber als öffentliche Aufgabe angesehen und zentralisiert – deswegen heißen die heutigen Notenbanken auch Zentralbanken. Hinzu kam, dass die Pflicht, die Banknoten gegen Gold einzutauschen, entfiel, sodass die Währung nur noch auf dem Vertrauen in die Notenbank beruht. Diese Art von Geld, das quasi aus dem Nichts erschaffen wird, heißt auch „Fiat-Geld“, angelehnt an das lateinische „Fiat Lux – es werde Licht“ in der Bibel.

Die deutsche Notenbank war zur D-Mark-Zeit die Bundesbank. Seit Einführung des Euros bildet die Bundesbank zusammen mit den anderen Notenbanken in den einzelnen Euro-Ländern und der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Innerhalb dieses Systems werden wichtige Entscheidungen gemeinsam getroffen, aber häufig auf nationaler Ebene umgesetzt.

Das wird oft vereinfacht dargestellt. Wenn es zum Beispiel heißt, die EZB kaufe Staatsanleihen von Italien oder verkaufe Staatspapiere aus Deutschland, dann setzen das in Wirklichkeit die Bank von Italien und die Bundesbank im Auftrag der EZB um. Dafür sitzen die Chefs der nationalen Notenbanken, also zum Beispiel Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, mit im Entscheidungsgremium der Notenbank, dem EZB-Rat. Der Rat besteht aus 19 nationalen Notenbankchefs plus einem sechsköpfigen Direktorium, dem auch die Präsidentin Christine Lagarde, ihr Stellvertreter Luis de Guindos und Chefvolkswirt Philip Lane angehören.

Welche wichtigen Notenbanken gibt es?

Eine Notenbank ist so wichtig wie die Währung, für die sie zuständig ist. Diese Notenbanken zählen zu den relevantesten:

  • Federal Reserve Bank (Fed), USA: Die Fed hat immensen Einfluss, weil der Dollar weltweit die wichtigste Währung ist, die auch von anderen Notenbanken als Reserve gehalten wird.
  • Europäische Zentralbank, EZB: Auf Platz zwei, aber mit großem Abstand, kommt der Euro, für den die Europäische Zentralbank (EZB) zuständig ist.
  • Bank of England, Großbritannien: Die Bank of England hat in Europa noch eine große Bedeutung, obwohl das britische Pfund längst nicht so vorherrschend ist wie in der Vergangenheit. Sie wurde 1694 gegründet und gilt damit als zweitälteste Notenbank nach der Schwedischen Reichsbank, die es schon seit 1668 gibt.
  • People’s Bank of China: Zunehmende Bedeutung hat die chinesische Währung (Renminbi oder Yuan genannt), für sie ist die People’s Bank of China zuständig – nicht die rein kommerzielle Bank of China.

Wem gehören die Notenbanken?

Ursprünglich waren die meisten Notenbanken im Privatbesitz, weil sie aus der privaten Bankbranche hervorgegangen sind. Die Bank of England zum Beispiel wurde erst 1946 formal verstaatlicht. Heute ist die Fed in den USA formal noch im Besitz von US-Banken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Belgische Nationalbank (die zum Verbund der EZB gehört) sind Aktiengesellschaften, ihre Papiere werden in geringem Ausmaß sogar an der Börse gehandelt.

Die meisten Notenbanken sind aber formal staatliche Institutionen. De facto bestimmen die Politiker, in den USA etwa der Präsident und der Senat, ohnehin bei allen Notenbanken die Entscheidungsträger. Trotzdem sollen moderne Notenbanken unabhängig von der Politik agieren, was zum Beispiel bei der EZB auch in den Verträgen zur Gründung des Euros festgeschrieben ist. Praktisch besehen gibt es häufig doch einen gewissen politischen Einfluss auf die Notenbanken.

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Was sind die Aufgaben von Notenbanken?

  • Geldpolitik: In erster Linie sind sie zuständig für die Geldpolitik. Das heißt: dafür, dass der Geldwert stabil bleibt, also möglichst keine Inflation entsteht; aber auch nicht das Gegenteil, eine Deflation, also sinkende Preise. Die meisten Notenbanken sind mit ihrer Geldpolitik vorrangig für den Geldwert zuständig, die Fed in den USA hat dagegen als gleichgewichtiges Ziel auch Vollbeschäftigung. In der Praxis versuchen fast alle Notenbanken, die Preise unter Kontrolle, die Wirtschaft am Laufen und das Finanzsystem stabil zu halten.
  • Zahlungsverkehr: Außerdem versorgen sie die Unternehmen und die Bevölkerung mit Bargeld. Der Zahlungsverkehr ist insgesamt, gerade auch international, eine ihrer wichtigsten Aufgaben.
  • Aufsicht: Und sie übernehmen einen guten Teil der Bankenaufsicht, für die es allerdings noch weitere Behörden gibt, in Deutschland etwa die Bafin.
  • Finanzstabilität: Die Notenbanken haben zudem Research-Abteilungen und äußern sich zu allgemeinen wirtschaftlichen Fragen. Dazu gehört auch, die Stabilität des gesamten Finanzsystems im Blick zu behalten. De facto greifen die Notenbanken mitunter massiv in die Finanzmärkte ein. Wenn es zu Krisen kommt, wirken sie zum Beispiel durch Käufe panikartigen Verkäufen entgegen. Das beschränkt sich meist auf Anleihen und andere Zinspapiere, Aktien werden also außer in wenigen Ausnahmen nicht ge- oder verkauft.

Welche Instrumente haben die Notenbanken?

Sie beeinflussen die Zinsen. Wenn die Zinsen steigen, geben Unternehmen und Verbraucher weniger Geld aus, weil die Kredite teurer werden. Das dämpft die Wirtschaft und damit auch die Inflation. Denn Inflation entsteht im Regelfall, wenn die Wirtschaft überhitzt, also wenn mehr Güter nachgefragt werden, als beschafft oder produziert werden können. Ist die Inflation dagegen niedrig, kann die Notenbank durch niedrige Zinsen der Wirtschaft mehr Schub geben. Die Notenbanken können mehrere Zinssätze benutzen.

  • Leitzins, Einlagenzins: Das klassische Instrument ist der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken kurzfristig Geld bei der Notenbank leihen können. In Europa haben zurzeit die Banken aber eher zu viel als zu wenig Liquidität. Deswegen spielt hier der Einlagenzins eine Rolle, also der Satz, den Geschäftsbanken bekommen, wenn sie ihr Geld bei der EZB parken.
  • Anleihekäufe und -verkäufe: Außerdem beeinflussen die Notenbanken die langfristigen Zinsen, indem sie Anleihen oder andere Zinspapiere kaufen oder verkaufen. Das sind überwiegend Staatsanleihen, aber in Europa spielen dabei auch von Unternehmen ausgegebene Anleihen eine Rolle, in den USA auch verbriefte Immobiliendarlehen. Wenn die Notenbank Zinspapiere kauft, treibt sie den Kurs hoch. Zugleich sinkt aber im Gegenzug die Rendite. Eine Anleihe mit einem Kurs von 100 Prozent und einem nominalen Zins (auch Kupon genannt) von zwei Prozent zum Beispiel hat eine Rendite von zwei Prozent. Steigt der Kurs auf 101 Prozent, müssen die zwei Prozent Nominalzins aber auf 101 statt auf 100 bezogen werden, wobei auch noch berücksichtigt werden muss, dass am Ende der Laufzeit nur 100 Prozent ausgezahlt werden. Bei einem zehnjährigen Papier würde im Beispiel so überschlägig eine Rendite von knapp 1,9 Prozent herauskommen. Netto-Zukäufe von Anleihen aus geldpolitischen Gründen werden auch als „Quantitative Easing (QE)“ bezeichnet. Umgekehrt können die Notenbanken auch mehr Anleihen auslaufen lassen als nachkaufen, oder sie direkt verkaufen, das heißt dann „Quantitative Tightening (QT)“, weil damit die Renditen eher hochgetrieben werden. Tendenziell erhöht sich auch die Menge des umlaufenden Geldes, wenn die Notenbank etwas kauft und mit eigenem, buchmäßig neu geschaffenem Geld bezahlt, zugleich steigt ihre Bilanzsumme. Wenn sie Papiere verkauft, saugt sie dagegen Geld ab und die Bilanzsumme sinkt. Dabei ist aber umstritten, ob und wie die Geldmenge mit der Inflation zusammenhängt.
  • TLTRO: Die EZB hat noch ein weiteres Instrument geschaffen, das unter dem Kürzel TLTRO (Targeted longer-termed Refinance Operations) bekannt ist. Dabei handelt es sich um direkte Kredite an Geschäftsbanken, die je nach Zinssatz auch die Gesamtwirtschaft beeinflussen.
  • Forward-Guidance: Notenbanken handeln aber nicht nur direkt, sie beeinflussen die Märkte und die Wirtschaft durch Kommunikation. Vor allem in Zeiten niedriger Inflation spielte dabei die sogenannte Forward-Guidance eine Rolle. Dabei haben die Notenbanken versprochen, die Zinsen lange niedrig zu halten, um damit das Zinsniveau des gesamten Marktes zu drücken.

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Wie schöpft eine Notenbank Geld?

Seit Währungen nicht mehr mit Gold abgesichert werden müssen, kann jede Bank sehr einfach durch zwei Buchungen Geld schöpfen. Wenn zum Beispiel ein Kunde einen Kredit aufnimmt, dann bucht die Bank in ihrer Bilanz als Vermögen die Forderung aus dem Kredit und als Verbindlichkeit die gleiche Summe auf dem Konto des Kunden. Vermögen (die Aktivseite der Bilanz) und Verbindlichkeiten (Passivseite der Bilanz) wachsen also genau um denselben Betrag, und das Geld auf dem Kundenkonto wurde so neu geschaffen. Zum Beispiel: Der Kunde bekommt 100.000 Euro Kredit, die Bank bucht jeweils 100.000 Euro als Forderung und als Verbindlichkeit, und 100.000 Euro mehr sind im Umlauf. Wird der Kredit später zurückgezahlt, verschwindet das Geld wieder.

Ganz ähnlich kann jede Bank Geld schöpfen, indem sie Wertpapiere kauft. Sie verbucht dann die erworbenen Papiere als Vermögen und den Kaufpreis, der auf dem Konto des Verkäufers landet, als Verbindlichkeit. Verkauft sie die Papiere, dann verschwinden sie auf der Aktivseite der Bilanz als Vermögensgegenstand und auf der Passivseite, weil dort der Käufer anschließend weniger Geld auf dem Konto hat.

Die Notenbank oder Zentralbank schöpft genauso Geld, indem sie zum Beispiel Geschäftsbanken Kredite gewährt oder – was sie in den letzten Jahren in großem Umfang getan hat – Wertpapiere kauft. Verkauft sie dagegen Wertpapiere, verschwindet Geld. In der Bilanz der Notenbank wird Geld als Verbindlichkeit gebucht, und zwar als Summe des umlaufenden Bargelds plus den Kontoständen der Geschäftsbanken auf ihren Konten bei der Notenbank. Dieses Geld, das die Zentralbank schöpft, wird „Zentralbankgeld“ genannt und gilt als besonders sicher. Bürger und Bürgerinnen bekommen es aber nur als Bargeld in die Hand, ansonsten haben sie es mit dem Buchgeld der Geschäftsbanken zu tun, das heißt: dem Guthaben auf Bankkonten.

Wichtig aber: Die Notenbank beeinflusst durch ihre Zinsen, wie viel Kredit die Geschäftsbanken vergeben, und steuert damit indirekt bis zu einem gewissen Grad auch die gesamte Geldmenge.

Kann eine moderne Notenbank bankrottgehen?

Nein, denn sie schafft ja selbst ihr eigenes Geld. Geschäftsbanken sind bankrott, wenn sie entweder mehr Schulden als Vermögen haben oder wenn sie nicht zahlungsfähig sind. Sie dürfen Buchgeld nur schaffen, wenn sie ausreichend Kapital als Sicherheit haben, und werden im überschuldeten Zustand auch nicht mehr mit Bargeld beliefert.

Bei einer Notenbank würde es zunächst keine Rolle spielen, wenn sie überschuldet wäre; allerdings dürfte es das Erscheinungsbild beeinträchtigen und die Regierung animieren, Kapital zusätzlich einzuzahlen. Eine Notenbank kann jederzeit per Buchung neues Geld in beliebigem Umfang schaffen. Wenn sie das exzessiv tut, kommt es allerdings zur Inflation.

Erstpublikation: 27.09.22, 16:46 Uhr (zuletzt aktualisiert am 28.12.22, 11:06 Uhr).

Von

fw

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