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09.03.2023

09:47

Zinswende

Raiffeisen- und Volksbanken schreiben fast sechs Milliarden Euro ab

Von: Elisabeth Atzler, Dennis Pesch, Andreas Kröner

Kursverluste bei Aktien und Anleihen lasteten 2022 auf den Genossenschaftsbanken. Sie fürchten eine anhaltend hohe Inflation.

BVR-Präsidentin Marija Kolak Uta Wagner für Handelsblatt

Marija Kolak

Laut der BVR-Präsidentin sind die hohen Abschreibungen der Volksbanken nur vorübergehend

Frankfurt Die abrupte Zinswende belastet die deutschen Volks- und Raiffeisenbanken. Zum Ende des vergangenen Jahres mussten die 737 Genossenschaftsbanken insgesamt 5,8 Milliarden Euro auf Wertpapiere abschreiben, wie ihr Branchenverband BVR am Dienstag mitteilte.

Mit den steigenden Zinsen gaben die Kurse von Aktien und Anleihen nach. Die Banken mussten die Papiere meist zum Marktwert bilanzieren. Im Kreditgeschäft betrugen die Wertberichtigungen knapp 600 Millionen Euro. Etliche Genossenschaftsbanken reagierten auf die hohen Abschreibungen, indem sie in großem Stil Vorsorgereserven auflösten.

BVR-Präsidentin Marija Kolak zeigte sich zuversichtlich, dass die Abschreibungen im Anlageportfolio nur vorübergehend sind. „Die im vergangenen Jahrzehnt regelmäßig erwirtschafteten hohen Erträge und die daraus gebildeten Kapitalrücklagen verschaffen uns das notwendige Polster, um diese Belastungen im Übergang zu den nachfolgenden Wertaufholungen abzufedern“, sagte sie. Der Verband geht davon aus, dass die Geldhäuser die Abschreibungen in den kommenden drei bis vier Jahren weitgehend wieder wettmachen. Häufig halten die Banken Anleihen bis zur Endfälligkeit.

Zinswende: Auch Sparkassen melden Abschreibungen in ähnlicher Höhe

Bei den Sparkassen, vor den Genossenschaftsbanken die größte Finanzgruppe in Deutschland, gab es bisher Wertberichtigungen in einer ähnlichen Dimension. So meldeten rund 250 Sparkassen – das sind etwa 70 Prozent aller öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute – Abschreibungen in Höhe von zusammen knapp sechs Milliarden Euro. Sie kommen auf eine Bilanzsumme von etwa einer Billion Euro, die Genossenschaftsbanken erreichen zusammen knapp 1,2 Billionen Euro.

Langfristig profitieren Sparkassen wie Genossenschaftsbanken voraussichtlich von den steigenden Zinsen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Leit- und Einlagenzinsen in den vergangenen Monaten mehrfach erhöht. Bereits 2022 stieg der Zinsüberschuss bei den Volks- und Raiffeisenbanken im Vergleich zum Vorjahr um gut acht Prozent auf fast 18 Milliarden Euro. Auch der Provisionsüberschuss zog an, die Kosten stiegen nur leicht. Operativ standen die genossenschaftlichen Geldhäuser daher sogar besser als im Vorjahr da.

Die Volks- und Raiffeisenbanken schlossen im vergangenen Jahr insgesamt 562 Filialen. imago images/Andreas Haas

Filiale der Volksbank

Die Volks- und Raiffeisenbanken schlossen im vergangenen Jahr insgesamt 562 Filialen.

Der Gewinn vor Steuern brach wegen der Abschreibungen von Aktien und Anleihen jedoch ein. Er rutschte um 43 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro ab. 2021 hatten die Genossenschaftsbanken mit 7,7 Milliarden Euro besonders viel verdient. Einen konkreten Ausblick für das laufende Jahr gab der BVR nicht.

Die Volksbanken rechnen mit einer anhaltend hohen Preissteigerung. „Bis die Inflation sich normalisiert, wird es wohl länger dauern“, warnte BVR-Präsidentin Kolak. Die Inflation in Deutschland erweist sich als hartnäckig. Im Februar verharrte die Teuerung laut der vorläufigen Schätzung des Statistischen Bundesamts weiterhin auf einem hohen Niveau bei 8,7 Prozent.

Der Höhepunkt des Preisauftriebs dürfte zwar überwunden sein, sagte die BVR-Chefin. „Allerdings hat sich der Inflationsimpuls von den Energie- und Nahrungsmittelpreisen auf den Großteil des Verbraucherpreisindexes ausgeweitet und ist nicht nur in den unteren, sondern auch in den mittleren Einkommensschichten deutlich zu spüren.“ Sie sagte, dass die Inflation sich durch steigende Löhne verfestigen könne.

Trotz Inflation: Kundeneinlagen bei Volks- und Raiffeisenbanken steigen leicht

Trotz der Inflation legten die Kundinnen und Kunden der Genossenschaftsbanken 2022 insgesamt mehr Geld beiseite. Die Kundeneinlagen stiegen um gut drei Prozent auf 861 Milliarden Euro. Das Wachstum lag allerdings deutlich unter dem der Vorjahre.

Das Kreditwachstum dagegen erreichte nahezu das Vorjahresniveau. Der Kreditbestand kletterte um fast sieben Prozent auf 757 Milliarden Euro und wurde bis zum Sommer 2022 durch hohe Volumina privater Immobilienkredite getrieben. Laut BVR-Vorstand Andreas Martin hat sich die Nachfrage nach Baukrediten aber „merklich abgekühlt“: „Die Neugeschäftsvolumina im vierten Quartal sanken im Vergleich zum dritten Quartal 2022 schätzungsweise um etwa ein Fünftel.“

Angesichts anhaltender Fusionen wird die durchschnittliche Genossenschaftsbank immer größer. Die Bilanzsumme liegt im Mittel bei 1,6 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr gab es 35 Zusammenschlüsse. Die Volks- und Raiffeisenbanken schlossen 562 Filialen, die Zahl der Geschäftsstellen sank auf gut 7500. Die Anzahl der Geldautomaten fiel um nahezu 800 auf rund 15.500.

Erstpublikation: 07.03.2023, 10:30 Uhr (aktualisiert am 07.03.2023, 16:10 Uhr).

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