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24.02.2023

17:22

Altersvorsorge

Rentenkürzung: Gericht urteilt zugunsten eines Riester-Sparers

Von: Anke Rezmer, Susanne Schier

Verbraucherschützer sprechen von einer Signalwirkung des Urteils. Laut der Bürgerbewegung Finanzwende könnten mindestens 10.000 Versicherte davon betroffen sein.

In dem konkreten Fall wollte Zurich Deutscher Herold die künftige monatliche Rente des Klägers um knapp ein Viertel kürzen. imago/Joko

Landgericht Köln

In dem konkreten Fall wollte Zurich Deutscher Herold die künftige monatliche Rente des Klägers um knapp ein Viertel kürzen.

Frankfurt Versicherer dürfen Riester-Sparern nicht nachträglich den Rentenanspruch kürzen. Das Landgericht Köln hat eine entsprechende Klausel des Anbieters Zurich Deutscher Herold im Februar für unwirksam erklärt. Das teilte die Bürgerbewegung Finanzwende am Freitag mit. Das Urteil ist nach Aussage des Gerichts am 8. Februar gefällt worden (Az.: 26 O 12/22).

Geklagt hatte ein Versicherter, dessen Sparkapital für die private geförderte Altersvorsorge, Riester-Rente, in eine Police mit Investmentfonds fließt. Der Versicherer Zurich hatte im Jahr 2017 seine künftige monatliche Rente nachträglich reduziert. Das wollte der Riester-Sparer nicht hinnehmen.

Für Finanzwende-Vorsorgeexpertin Britta Langenberg hat „das Urteil sowohl für die Anbieter als auch für Tausende Versicherungsnehmer Signalwirkung“, wie sie in einem Pressegespräch sagte. Die Verbraucherschützer unterstützen den Kläger unter anderem damit, den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen.

Der Rechtsanwalt des Klägers, Knut Pilz, weist zwar darauf hin, dass das Urteil zunächst nur den konkreten Einzelfall betreffe. Dennoch gehe es bei dem Streit auch um die Grundsatzfrage, ob Versicherer eine ursprünglich vereinbarte Rente nachträglich kürzen dürfen, zum Beispiel aufgrund niedriger Zinsen am Kapitalmarkt.

Langenberg verweist darauf, dass viele Rentenversicherungen bei der Zurich und anderen Versicherungsunternehmen ähnliche Klauseln beinhalten. Allein Marktführer Allianz hätte im Jahr 2017 laut Medienberichten bei etwa 700.000 Verträgen den Rentenfaktor gekürzt, betonte sie. Von dem Urteil könnten nun mindestens 10.000 bis 15.000 Riester-Versicherte direkt betroffen sein, schätzt Langenberg.

Andere Betroffene können sich gegen Rentenkürzungen ebenfalls wehren

Pilz rät anderen Betroffenen, nun ebenfalls tätig zu werden. Spätestens drei Jahre nach Rentenbeginn drohten Ansprüche zu verjähren. Auch bei Verträgen, die sich noch in der Ansparphase befinden, könnte der Versicherer argumentieren, dass etwaige Ansprüche verwirkt seien, wenn die Versicherten zu lange nicht auf künftige Rentenkürzungen reagierten.

In dem konkreten Fall wollte Zurich die künftige monatliche Rente des Klägers um knapp ein Viertel kürzen. Wie viel Monatsrente es im Alter gibt, legt der sogenannte Rentenfaktor fest. Bei Vertragsabschluss waren hier 37,34 Euro je 10.000 Euro Kapital vereinbart. Später kappte die Zurich den Rentenfaktor auf 27,97 Euro.

In einer Beispielrechnung zeigt Finanzwende, wie viel Geld dem Mann dadurch verloren ginge: Bei einem Sparkapital von 130.000 Euro zum Rentenbeginn im Jahr 2039 hätte er durch die Kürzung gut 120 Euro pro Monat verloren. Bei einer typischen Rentenbezugszeit von 20 Jahren betrüge sein Verlust insgesamt rund 29.000 Euro.

Rechtsanwalt Pilz zufolge begründen die Kölner Richter ihr Urteil zweifach: Ein Versicherer dürfe sich nicht einseitig eine Kürzung vorbehalten, aber keine Option für eine Anpassung nach oben gewähren. Ihrer Auffassung nach sei es ferner nicht rechtens, das Risiko einer Änderung der Rente allein auf den Versicherten zu überwälzen.

Zurich dürfte die Rente auch künftig nicht kürzen

Zurich dürfe damit die Rente auch künftig nicht herabsetzen, sagt der Anwalt. Langenberg hält solche Spielregeln für den Kunden nicht für „fair und verständlich“. Zugleich sei keine Planbarkeit gegeben, wenn der Versicherer selbst kurz vor Rentenbeginn noch Kürzungen vornehmen kann.

Das erste Urteil zu einer sehr komplexen juristischen Frage. Ein Zurich-Sprecher zum Gerichtsentscheid

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob Zurich in Berufung geht, ist nicht klar. Auf Anfrage teilte ein Unternehmenssprecher mit, dass dies „das erste Urteil zu einer sehr komplexen juristischen Frage“ sei. Man analysiere derzeit die schriftliche Urteilsbegründung und werde dann über die weitere Vorgehensweise entscheiden.

Eine Sprecherin der Allianz teilte mit, sich grundsätzlich nicht zu Verfahren gegen Wettbewerber zu äußern. Die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Produktgestaltung prüfe man sehr genau.

Die Riester-Rente steht seit Jahren massiv in der Kritik. Die mit Zulagen und Steuervorteilen geförderte private Altersvorsorge gilt als zu komplex, starr, vielfach zu teuer und zu renditeschwach. Viele Anbieter haben angesichts der jahrelang niedrigen Kapitalmarktzinsen ihr Riester-Neugeschäft eingestellt, weil sie sich wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Beitragsgarantie zu einer wenig renditeorientierten Anlage des Riester-Kapitals gezwungen sehen.

Seit 2017 nehmen sich die wechselnden Bundesregierungen vor, die Förderrente zu vereinfachen. Aus Finanzbranche, Politik und von Verbraucherschützern gibt es Vorschläge dafür. Der Gesamtbestand der Riester-Renten bröckelt seit Jahren ab auf aktuell 15,9 Millionen Verträge. Versicherungen stellen mit gut zehn Millionen die mit Abstand meisten Riester-Renten, es folgen gut drei Millionen Fondsverträge, gut 1,6 Millionen Immobilien-Riester-Verträge sowie rund 520.000 Banksparpläne.

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