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26.01.2023

15:48

Altersvorsorge

Versicherer wollen den Neuanfang – weg von der ungeliebten Riester-Rente

Von: Christian Schnell, Susanne Schier

Mit der Bürgerrente schlagen die Versicherer ein neues Konzept der Altersvorsorge vor, an dem sich durchaus auch Kritik entzündet. Auch in anderen Sparten zeichnen sich ungelöste Probleme ab.

Hohe Lebenshaltungskosten führen dazu, dass viele Menschen weniger Geld in die Altersvorsorge stecken – trotz eines Zinsanstiegs. imago images/Westend61

Aktiv im Alter

Hohe Lebenshaltungskosten führen dazu, dass viele Menschen weniger Geld in die Altersvorsorge stecken – trotz eines Zinsanstiegs.

München, Frankfurt Die Riester-Rente gilt als komplex, zu teuer und renditeschwach. Deshalb will die Politik die staatlich geförderte private Altersvorsorge grundlegend reformieren. Die Versicherungswirtschaft fürchtet, in der Diskussion um das passende Produkt ins Hintertreffen zu geraten - und präsentiert mit der Bürgerrente nun ein Alternativkonzept.

„Im Vergleich zur Riester-Rente ist die Bürgerrente einfacher, verständlicher, nachhaltiger und renditestärker“, wirbt GDV-Präsident Norbert Rollinger bei der Jahresmedienkonferenz am Donnerstag für den neuen Vorschlag.

Die Bürgerrente soll die wesentlichen Kritikpunkte an der Riester-Rente beseitigen. Dazu gehört auch, dass die Einzahlungen der Kunden nicht mehr komplett garantiert werden, sondern nur zu 80 Prozent. So könnten die Versicherer die Kundengelder stärker als bisher am Aktienmarkt und damit renditeorientierter anlegen.

GDV will Reform noch in dieser Wahlperiode

Wesentlicher Bestandteil ist zudem, dass die staatliche Förderung für geringe und mittlere Verdiener attraktiv sein soll. Auf jeden eingezahlten Euro sollen 50 Cent vom Staat hinzukommen. Auf eine maximal förderfähige Einzahlung im Jahr 2023 von 3504 Euro käme so ein Zuschuss von 1752 Euro.

Bislang ist allerdings nicht absehbar, ob und wann die Bürgerrente tatsächlich kommt, obwohl sich GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen optimistisch gibt, dass eine Reform in dieser Wahlperiode zum Abschluss kommt. Das ist das Ziel.

Noch beschäftigt sich die sogenannte Fokusgruppe private Altersvorsorge unter Führung des Bundesfinanzministeriums mit der Bürgerrente. Vieles wird nun davon abhängen, wie schnell sich die politischen Kräfte in Berlin einigen können. Bereits vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 gab es aus den verschiedenen Parteien eine Reihe von Vorschlägen zur Reform der seit rund zwei Jahrzehnten laufenden Riester-Rente. Getan hatte sich seither wenig.

Als Folge war das Neugeschäft mit Riester-Versicherungen 2022 um 60 Prozent eingebrochen. Aktuell gibt es kaum noch Versicherer, die die Produkte anbieten. Laut dem Bundesarbeitsministerium gab es zum Ende des dritten Quartals 2022 rund 15,9 Millionen laufende Verträge in Deutschland. Mit 10,5 Millionen hatten Versicherungspolicen den höchsten Anteil.

„Mit der GDV-Rente liefern die Versicherer eine Lösung für sich, aber nicht für die Bürger“

In ihrem Bestreben, die Riester-Rente zu reformieren, sind sich Politik, Versicherer, Fondsanbieter und Verbraucherschützer seit Langem einig. Dissens herrscht dagegen darüber, wie eine geeignete Umsetzung in der Praxis aussehen könnte.

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So gibt es auch diesmal Widerspruch. Nach Bekanntgabe erster Details zur möglichen neuen Bürgerrente, positionierte sich sogleich der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und wetterte gegen den angedachten künftigen Onlineabschluss ohne Beratung.  

Kritik kommt auch von Britta Langenberg, Vorsorgeexpertin bei der Bürgerbewegung Finanzwende: „Mit der GDV-Rente liefern die Versicherer eine Lösung für sich, aber nicht für die Bürger.“ Das Kernproblem der Kunden – die viel zu hohen Kosten – werde nicht wirklich angegangen. „Stattdessen wollen sie künftig noch mehr Steuergeld in die eigenen Kassen lenken“, urteilt Langenberg.

Einfach wird eine Einigung zur Zukunft der geförderten Altersvorsorge nicht.

Beitragseinnahmen sollen 2023 nach schwierigem Jahr wieder wachsen

Die Branche ist in Aufregung. Denn auch an anderer Stelle zeichnen sich zunehmend ungelöste Probleme ab. Das belegen die Zahlen. Im vergangenen Jahr gingen im schwierigen Umfeld die Beitragseinnahmen der Branche über alle Sparten hinweg um 0,7 Prozent auf 224 Milliarden Euro zurück. In diesem Jahr hofft der GDV auf ein Plus von rund drei Prozent.

Im Vergleich dazu dürfte sich die Lebensversicherung schlechter entwickeln. Die Anbieter spüren deutlich, dass die hohen Lebenshaltungskosten dazu führen, dass viele Menschen weniger Geld in die Altersvorsorge stecken – trotz eines Zinsanstiegs. So war die laufende Verzinsung laut Analysehaus Morgen & Morgen zuletzt im Schnitt wieder auf 2,1 Prozent gestiegen nach 1,9 Prozent im Jahr zuvor.

Der GDV-Präsident erwartet für die Versicherungsindustrie in diesem Jahr ein Beitragswachstum von rund drei Prozent. dpa

Norbert Rollinger

Der GDV-Präsident erwartet für die Versicherungsindustrie in diesem Jahr ein Beitragswachstum von rund drei Prozent.

2022 verbuchten die Lebensversicherer ein Beitragsminus von sechs Prozent. Für das angelaufene Jahr rechnet der Branchenverband mit einer Stagnation. Deutlich unter Druck steht auch die Sachversicherung, obwohl die Schäden 2022 nicht mehr so hoch waren wie 2021, verursacht durch die Flutkatastrophe im Ahrtal.

Doch die Ausgaben konnten im vergangenen Jahr nur moderat gesenkt werden, weil die gestiegene Inflation zu deutlich höheren Schadenkosten führte.

Immerhin stiegen die Einnahmen um vier Prozent und sollen dieses Jahr um weitere sechs Prozent zulegen, getrieben durch Prämienanstiege in der Kfz- und der Wohngebäudeversicherung. In der privaten Krankenversicherung soll das Beitragsplus 2023 bei 3,5 Prozent liegen.

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