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07.03.2023

16:15

Finanzberatung

Ampel uneins bei EU-Provisionsverbot – Union fordert klare Position

Von: Carsten Volkery

Ein mögliches EU-Provisionsverbot könnte die deutsche Finanzbranche Milliarden kosten. Die CDU fordert mehr Widerstand von der Bundesregierung.

In Brüssel vertritt die Bundesregierung mit Blick auf das EU-Provisionsverbot vehement die FDP-Position. IMAGO/Shotshop

EU

In Brüssel vertritt die Bundesregierung mit Blick auf das EU-Provisionsverbot vehement die FDP-Position.

Brüssel Mit Bangen blickt die deutsche Finanzbranche seit Monaten nach Brüssel: Im Mai will EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness ihre Kleinanlegerstrategie vorlegen. Unter anderem erwägt sie ein Provisionsverbot für Finanzberater, das allein deutsche Anbieter bis zu 14 Milliarden Euro Einnahmen jährlich kosten könnte.

Trotz der bevorstehenden EU-Entscheidung scheint sich die Ampelkoalition in Berlin noch nicht auf eine gemeinsame Position geeinigt zu haben. Das zumindest legt die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nahe, die dem Handelsblatt vorliegt.

„Die Meinungsbildung der Bundesregierung ist zu dieser Frage noch nicht abgeschlossen“, schreibt Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) in einer E-Mail vom 3. März. Die Regierung werde „im Lichte der zu erwartenden Vorschläge der Europäischen Kommission hierüber entscheiden“.

Die Opposition hatte 34 Fragen zum Provisionsverbot an die Regierung gestellt. Die meisten blieben unbeantwortet. „Die Antwort der Bundesregierung zeigt vor allem eines deutlich: dass sie auf die Verhandlungen in Brüssel denkbar schlecht vorbereitet ist“, kritisiert Antje Tillmann, die finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion. „Damit haben rund 300.000 Anlageberater in Deutschland unter einem weiteren Streitthema der Ampel zu leiden.“

Tatsächlich vertreten Grüne und FDP auch bei diesem Thema gegensätzliche Positionen. Die Grünen teilen die Kritik der Verbraucherzentralen am Provisionsmodell. Sie verweisen auf Fehlanreize für Berater, die für den Verkauf möglichst teurer Produkte belohnt werden, und fordern eine unabhängige Finanzberatung.

Als Positivbeispiele führen sie Großbritannien und die Niederlande an: Nach dem Provisionsverbot vor zehn Jahren sind dort die Kosten für Finanzprodukte deutlich gesunken.

Die FDP hingegen verteidigt den Status quo mit dem Argument, dass sonst Hunderttausende Anlageberater ihren Job verlören, Bankfilialen schließen müssten und eine Beratungswüste entstehe.

In Brüssel vertritt die Regierung die FDP-Position

Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel das Streitthema ausgeklammert, die Partner konnten sich nicht auf eine gemeinsame Position verständigen. In Brüssel jedoch lässt die Bundesregierung seit Monaten keinen Zweifel daran, wo sie steht: Sie vertritt vehement die FDP-Position. Die Grünen scheinen dem Finanzministerium von Christian Lindner bei dem Thema freie Hand zu lassen.

Unter deutschem Druck verschob Kommissarin McGuinness ihre Entscheidung zum Provisionsverbot von Ende März auf Mai. Dies gibt der Bundesregierung weitere Gelegenheit, den Widerstand im EU-Rat zu organisieren. Vergangene Woche fand ein Workshop in Brüssel statt, bei dem ein Stimmungsbild der Mitgliedstaaten erhoben wurde. Laut Teilnehmern sprach sich eine Mehrheit gegen ein Provisionsverbot aus, darunter die großen Länder Deutschland, Frankreich und Italien.

Mehrere Anwesende zeigten sich jedoch offen für die Argumente der Verbraucherschützer. Der Block der Befürworter wird angeführt von den Niederlanden, die auf ihr eigenes Provisionsverbot verweisen. Als weitere mögliche Unterstützer gelten unter anderem Irland und die nordischen Länder.

Auch die Kommission ist gespalten: Während die liberalen Kommissionsvizes Valdis Dombrovskis und Margrethe Vestager eher zum Provisionsverbot neigen, wird Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) zum Lager der Skeptiker gezählt. Das könnte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass sie sich im Kampf um eine zweite Amtszeit keine weiteren Gegner in Deutschland machen will.

Die Bundesregierung erklärte in ihrer Antwort an die CDU/CSU, die Beobachtungen für den niederländischen Markt könnten „nicht unmittelbar auf den deutschen Markt übertragen werden“. Dies folge nicht zuletzt aus strukturellen Unterschieden im System der Altersvorsorge. Auch könne der Anstieg des beratungsfreien Geschäfts nach dem Provisionsverbot in den Niederlanden kritisch gesehen werden, weil es ein besonderes Maß an Finanzkompetenz voraussetze.

Die Bundesregierung wirbt dafür, das Nebeneinander von Provisionsberatung und Honorarberatung aufrechtzuerhalten. Dies führt aus Sicht von Kritikern allerdings dazu, dass sich die Honorarberatung nicht durchsetzt, weil die Provisionsberatung auf den ersten Blick immer günstiger erscheint. Denn die versteckten Kosten, die über die Vertragslaufzeit anfallen, sind den Anlegern in der Regel nicht klar.

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