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05.01.2023

16:51

Finanzberatung

Digitaler und breiter aufgestellt: So hat sich das Geschäft der Finanzberater verändert

Von: Christian Schnell

Die überalterte Branche soll mit digitalen Veränderungen ein neues Image bekommen. Der Beruf des Versicherungsvertreters soll aber weiterhin wichtig bleiben.

Der Beruf des Versicherungsvertreters hat seit Längerem keinen guten Ruf. imago images / PhotoAlto

Finanzberater

Der Beruf des Versicherungsvertreters hat seit Längerem keinen guten Ruf.

München Die Beratung von Finanzprodukten hat sich seit Beginn der Coronakrise massiv verändert. „Innerhalb weniger Monate hat sich hier so viel getan wie zuvor in zehn Jahren nicht“, sagt Helge Lach. Der Vorsitzende des BDV Bund Deutscher Vermögensberater ist zugleich Vorstandsmitglied der DVAG Deutsche Vermögensberatung und beobachtet seither einen rapiden Anstieg der digitalen Beratung. Aber auch die Kundenwünsche und die wachsende Regulierung hätten sich rasant gewandelt.

Das Image des aufdringlichen Beraters, den der Kunde so lange nicht zur Haustür herausbekommt, ehe er etwas unterschrieben hat, ist dank digitaler Beratung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Ruf der Branche ist jedoch weiterhin nicht gut. „Das Image der Finanzbranche insgesamt ist wegen einiger weniger leider nicht das beste“, gibt Lach offen zu. Dem könnten sich auch einzelne Unternehmen nicht entziehen, selbst wenn sie mit hoher Qualität arbeiteten.

In der Summe führt dies auch dazu, dass das Interesse am Beruf des Finanzberaters seit Jahren nachlässt. Seit 2011 ist die Zahl der Versicherungsvermittler in Deutschland um mehr als ein Viertel geschrumpft. Ein Trend, der sich in den kommenden Jahren fortsetzen dürfte, scheidet aufgrund des hohen Durchschnittsalters von 53 Jahren schon bald eine Vielzahl von Beratern aus dem Berufsleben aus.

Junge Berater für junge Kunden

Viele Anbieter versuchen gegenzusteuern. Beim Schweizer Lebensversicherungskonzern Swiss Life haben die rund 5800 Berater mit gültiger Lizenz ein Durchschnittsalter von 35 Jahren.

In den hauseigenen Campus in Hannover flossen etwa 30 Millionen Euro. In den vergangenen Jahren investierte der Konzern sieben Millionen Euro in die Aus- und Weiterbildung.

Der Gedanke hinter dieser Strategie: Jüngeren Beratern soll es besser gelingen, bei der wichtigen Zielgruppe der 16- bis 35-jährigen Kunden Vertrauen zu erlangen. „Dadurch sprechen sie auch die Sprache der Kunden“, sagt Stefan Butzlaff, der Digitalisierungsbeauftragte bei Swiss Life. Ähnlich fokussiert ist auch der Branchenverband BDV. Dort beträgt das Durchschnittsalter 43 Jahre.

Der Versicherungskonzern bildet jüngere Versicherungsvertreter aus. dpa

Swiss Life

Der Versicherungskonzern bildet jüngere Versicherungsvertreter aus.

Dass die Zahl der Versicherungsvermittler seit Jahren schrumpft, liegt aus Sicht der Branche am zunehmenden Frust unter den Beratern. Beispielsweise hat die Regulatorik seit den 1990er-Jahren massiv zugenommen.

Vieles schade dem Kunden mehr, als dass es ihm nutzen würde, kritisiert BDV-Vorsitzender Lach. Beispiele sind nach seiner Ansicht inkonsistente und überfrachtete Produktinformationsblätter und überbordende Dokumentationspflichten. Seit August muss auch noch das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigt werden.

Ein breiteres Angebot für Kunden

„Für die eigentliche Beratung bleibt so kaum noch Zeit“, so Lach. Beim Abschluss einer Riester-Rente müssten dem Kunden rund 50 Blatt Papier ausgehändigt werden, zudem sind bis zu fünf Unterschriften nötig. 70 bis 80 Prozent der Zeit eines Beraters vergingen damit, Formulare auszufüllen und zu erklären.

Einen Ausweg aus der Vielzahl an Problemen sehen viele in der Branche in Plattformen, auf denen der Berater Zugang zu einer Vielzahl von Produkten unterschiedlichster Anbieter hat. Galt früher, dass ein Berater nur das an Kundinnen und Kunden bringen durfte, was in seinem Haus angeboten wurde, so vertreiben viele von ihnen inzwischen auch die Produkte anderer Anbieter.

„Ein Berater verkauft mehr von den eigenen Produkten, wenn er eine Vielzahl von Produkten unterschiedlicher Versicherer anbietet“, beobachtet Sebastian Grabmaier, Vorstandschef beim Finanzdienstleister JDC. Das Wiesbadener Unternehmen bietet über seine Plattform Beratungs- und Verwaltungstechnologien an. Erst vor Kurzem hatten sich die größten öffentlichen Versicherer mit Unterstützung der Sparkassenverbände auf diese Plattform festgelegt.

Ihren Ursprung hatte die Technologie vor wenigen Jahren im Bereich der Fonds. Dort wünschten Kundinnen und Kunden oftmals andere Produkte als bei ihrer Hausbank angeboten wurden. Die Lösung war die Öffnung zu einer Plattform mit einer breiteren Auswahl.

Die soll es künftig auch vermehrt bei Versicherungen geben. „Künftig wird es möglich sein, dass der Sparkassenberater alle Konto-, Depot- und Versicherungsdaten seiner Kunden vorliegen hat“, so JDC-Vorstand Stefan Bachmann.

Filialsterben soll sinken

Das könnte womöglich sogar dazu führen, dass bei Banken und Sparkassen in Zukunft weniger Filialen schließen. Bisher waren die Einnahmen pro Kunde in vielen Filialen zu gering. „Deswegen ist es sinnvoll, das Produktangebot zu verbreitern“, resümiert JDC-CEO Grabmaier. In 15 Jahren werde es gar nicht mehr ohne Portale gehen, blickt er bereits in die Zukunft.

Immer mehr Filialen von Sparkassen und Banken schließen. dpa

Sparkasse

Immer mehr Filialen von Sparkassen und Banken schließen.

Ein Kernproblem war damit allerdings bisher nicht gelöst. Eine breite Auswahl an Produkten bedeutet noch nicht, dass daraus auch das Beste für den Kunden ausgewählt wird. Deswegen haben sich Finanzdienstleister zuletzt verstärkt mit Analysehäusern für Versicherungen zusammengetan.

JDC übernahm Morgen & Morgen, Swiss Life meldete kurz vor Weihnachten den Zusammenschluss mit dem Analysehaus Franke & Bornberg Research. „Über die Morgen-&-Morgen-Plattform gibt es heute bereits rund 40.000 Berechnungen zur Berufsunfähigkeit im Monat“, berichtet JDC-Vorstand Bachmann aus der Praxis.

Dennoch: Noch immer laufen die internen Abläufe und Prozesse bei vielen Banken und Versicherungen im Kundenservice nicht reibungslos. „Längst nicht alle Produkte und Serviceleistungen haben, wie zum Beispiel bei Amazon, den gleichen Standard“, blickt BDV-Geschäftsführer Lach selbstkritisch auf den technischen Zustand der Branche.

Dass es irgendwann in ferner Zukunft zu einer Welt ohne Berater in Finanzangelegenheiten kommt, hält indes niemand für möglich. Selbst in einem hochtechnisierten Land wie China hätten die weiterhin eine große Bedeutung. Ping An, der große Versicherer im Land, habe dort um die eine Million Berater, zieht Swiss-Life-Manager Butzlaff Parallelen. „Das zeigt, welche Bedeutung physische Beratung selbst in einem so hochtechnisierten Land hat“.

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