Die Allianz veröffentlicht gleich mehrere Neuigkeiten. Die wohl wichtigste: Die Hängepartie um Rechtsstreitigkeiten in den USA neigt sich dem Ende entgegen.
München Die Allianz kommt mit der Aufarbeitung fehlgeschlagener Hedgefonds-Strategien einen großen Schritt voran – und hat zudem Rekordzahlen für das abgelaufene Jahr präsentiert. „Trotz anhaltender Herausforderungen im Jahr 2021 hat die Allianz ihre Widerstands- und Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt“, sagte Konzernchef Oliver Bäte.
Der Versicherer meldete am Donnerstagabend einen Rekordgewinn von 13,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig gab der Konzern bekannt, dass er für mögliche Straf- und Entschädigungszahlungen in Zusammenhang mit Hedgefonds-Verlusten Rückstellungen in Höhe von 3,7 Milliarden Euro gebildet hat. Bislang standen Schadenzahlungen von bis zu sechs Milliarden Euro im Raum.
Damit dürfte sich die Hängepartie um Rechtsstreitigkeiten in den USA dem Ende entgegenneigen. Seit anderthalb Jahren fordern rund zwei Dutzend US-Investoren Entschädigungen für Verluste in Milliardenhöhe – darunter sind der Lehrer-Pensionsfonds des Bundesstaats Arkansas, die New Yorker Metro und die Gewerkschaft Teamster.
Der Vorwurf: Die Allianz-Tochter AGI sei bei ihren Structured-Alpha-Fonds während des Markteinbruchs im Frühjahr 2020 von der vereinbarten Strategie abgewichen. Der Versuch, Verluste durch Optionen gegen kurzfristige Marktschwankungen auszugleichen, sei gescheitert und habe das Defizit noch vergrößert. Zudem habe die Allianz die Risikokontrolle vernachlässigt sowie auch noch teure Versicherungen verkauft.
Die Argumentation der Allianz stützte sich dagegen darauf, dass gerade zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 die Märkte generell eingebrochen seien. Das habe zu einem Kursrutsch von rund 30 Prozent geführt. Die Structured-Alpha-Produkte, die je nach Ausgestaltung zwischen 2,5 und zehn Prozentpunkte über einem Vergleichsindex oder -zinssatz versprachen, müssten somit in ihrer Entwicklung am allgemeinen Marktgeschehen gemessen werden.
Über Monate verhandelten namhafte Anwaltskanzleien auf beiden Seiten miteinander. Die Komplexität des Sachverhalts in einer äußerst turbulenten Marktphase erschwerte die Aufarbeitung. Doch in Kürze erwartet die Allianz den Abschluss von Vergleichen mit den betroffenen Investoren, wie sie erklärte.
Die nun gebildete Rückstellung in Höhe von 3,7 Milliarden Euro liegt mehr als ein Drittel unter den ursprünglich kolportierten Schadenzahlungen. Ob der Gesamtschaden tatsächlich in dieser Höhe anfallen wird, ist fraglich. Die Gespräche mit der US-Börsenaufsicht SEC und dem Justizministerium laufen noch.
Aus diesem Grund könne man auch die gesamten finanziellen Auswirkungen der Structured-Alpha-Angelegenheit zum jetzigen Zeitpunkt nicht angemessen beurteilen, heißt es. Aus Sicht der Allianz sei mit zusätzlichen Belastungen zu rechnen, bevor alle Verfahren endgültig abgeschlossen sind.
Bei den Aktionären der Allianz dürfte die Einigung trotz der hohen Kosten am Freitag für Erleichterung sorgen. Im vergangenen Jahr litt die Aktie unter der großen Unklarheit zu möglichen Schadenzahlungen. Trotz guter Zahlen kam sie kaum vom Fleck. Nun können die Aktionäre sich auf eine Rekorddividende von 10,80 Euro je Aktie freuen. Ein Plus von 1,20 Euro zum Vorjahr oder 12,5 Prozent.
Erstmals in ihrer Geschichte schüttet die Allianz damit einen zweistelligen Euro-Betrag je Aktie aus. Bereits im Dezember hatte die Konzernführung der Allianz mit der neuen Strategie beschlossen, weiterhin die Hälfte des Jahresüberschusses auszuschütten – allerdings bereinigt, falls es in einem Jahr außergewöhnliche oder volatile Elemente gibt wie beispielsweise hohe Strafzahlungen. Mit der neuen Dreijahresstrategie hatte der Konzern auch ein jährliches Plus von mindestens fünf Prozent versprochen.
Wie bereits im Vorfeld erwartet, kündigte die Allianz am Donnerstag ein weiteres Aktienrückkaufprogramm an. Demnach will der Versicherer in den kommenden Monaten Papiere im Wert von einer Milliarde Euro zurückkaufen. Die Analysten von Morgan Stanley hatten im Vorfeld mit einem Programm in Höhe von zwei Milliarden Euro gerechnet. Konzernchef Oliver Bäte hatte zuletzt eine flexible Rückgabe von überschüssigem Kapital angekündigt, auch über Aktienrückkäufe.
Damit erwirbt der Dax-Konzern inzwischen zum sechsten Mal seit dem Jahr 2017 eigene Aktien. Insgesamt hat die Allianz in den vergangenen fünf Jahren Aktien im Wert von rund neun Milliarden Euro zurückgekauft.
Möglich macht den erneuten Aktienrückkauf das Rekordergebnis für 2021, das der Konzern am Donnerstagabend bekannt gab. Im zweiten Jahr der Coronapandemie erzielte Europas größter Versicherer einen operativen Gewinn von 13,4 Milliarden Euro, ein Plus von 24,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Prognosen der Analysten lagen im Schnitt bei 13,2 Milliarden Euro.
Allein das vierte Quartal trug 3,5 Milliarden Euro zum Gesamtergebnis bei. Analysten hatten im Schnitt gut 3,3 Milliarden Euro erwartet. Im laufenden Jahr geht der Konzern von einem operativen Ergebnis von 12,4 Milliarden bis 14,4 Milliarden Euro aus.
Wegen der Rückstellungen ging der Jahresüberschuss nach Steuern 2021 allerdings um 2,9 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro zurück. Daher sank auch der Gewinn je Aktie um 3,2 Prozent auf 15,96 Euro.
Die Analysten hatten hier im Schnitt mit deutlich mehr gerechnet. Offenbar hatten viele von ihnen eine Rückstellung für das US-Geschäft in ihren Schätzungen noch nicht eingerechnet. Die Eigenkapitalrendite lag im vergangenen Jahr bei 10,6 Prozent, hier hatte der Konzern zuletzt 13,5 Prozent erwartet.
Der Gesamtumsatz des Allianz-Konzerns erhöhte sich im vergangenen Jahr um 5,7 Prozent auf 148,5 Milliarden Euro. Zum Wachstum beigetragen haben im Bereich Lebens- und Krankenversicherung vor allem die starken Geschäfte in Italien und den USA. In der Schaden- und Unfallversicherung berichtete die Allianz, dass sie sowohl Preise als auch das Geschäftsvolumen erhöhen konnte.
Wegen der Probleme rund um die Structured-Alpha-Fonds stand die Vermögensverwaltung als die kleinste der drei Konzernsparten zuletzt besonders im Fokus. Sie zeigte sich weitgehend unbeeindruckt von den vielen Negativschlagzeilen: Insgesamt trugen die Töchter Pimco und AGI im vergangenen Jahr 3,5 Milliarden Euro zum operativen Gesamtgewinn bei, allein im vierten Quartal war es eine Milliarde Euro, ein Plus von mehr als 20,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Analysten waren im Mittel von 839 Millionen Euro ausgegangen.
Der Gesamtbestand an verwaltetem Vermögen liegt inzwischen auf dem Rekordniveau von 2,609 Billionen Euro, davon werden 1,966 Billionen Euro für Kunden verwaltet. Der Rest sind Eigenanlagen der Allianz. Beobachter hatten noch im Sommer damit gerechnet, dass Kunden aufgrund der Unruhen um die Tochter AGI Geld abziehen würden. Doch stattdessen ist der Bestand an verwaltetem Vermögen in den Monaten Oktober bis Dezember um 86 Milliarden Euro angewachsen.
Besonders für AGI, die kleinere der beiden Töchter, liefen die Geschäfte nach einer eingeleiteten Restrukturierung zuletzt wieder besser. Intern laufen bei AGI seit geraumer Zeit die Aufräumarbeiten. Das Geschäft mit hochspekulativen Hedgefonds soll es nicht mehr geben. Konzern-Chef Bäte sprach im Dezember von einem Wandel in der Risikokultur, der zu einem disziplinierteren Finanzmanagement führen soll.
Viel lieber reden sie bei der Allianz ohnehin über das laufende Geschäft. In der Sach- und Unfallversicherung – der gewöhnlich ertragreichsten Sparte – wuchs der Umsatz im vergangenen Jahr um 4,8 Prozent auf 62,3 Milliarden Euro. Der operative Gewinn stieg auf 5,7 Milliarden Euro, ein Plus von 30,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Beachtlich ist das Ergebnis vor allem, weil es höhere Schäden aus Naturkatastrophen gab – insbesondere aus der verheerenden Flut im Juli in Teilen Deutschlands und im angrenzenden Ausland. Deutlich höher wäre der Schaden für die Allianz wohl ausgefallen, hätte sich der Konzern nicht über Rückversicherungslösungen abgesichert.
Im Schlussquartal zeichnete sich zudem eine Entspannung ab. Zwischen Oktober und Dezember erzielte die Sachversicherung ein operatives Ergebnis von 1,6 Milliarden Euro. Analysten hatten zuvor im Schnitt mit 1,5 Milliarden Euro gerechnet.
Als weniger erfreulich gilt dagegen nach wie vor die Entwicklung beim neuen Direktversicherer Allianz Direct, der vor knapp zwei Jahren mit großen Erwartungen gestartet war. Seit diesem Jahr soll dort ein neues Management mit Philipp Kroetz an der Spitze nun für die Wende sorgen.
Im Geschäft mit Lebens- und Krankenversicherungen erzielte der Konzern im Gesamtjahr einen operativen Gewinn von fünf Milliarden Euro, nach 4,4 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Im Schlussquartal stand allerdings nur ein operativer Gewinn von 1,3 Milliarden Euro zu Buche. Im Vorjahr waren es noch 1,4 Milliarden Euro gewesen. Gründe seien unter anderem eine niedrigere Kapitalanlagemarge im deutschen Lebensversicherungsgeschäft und höhere Schäden in Indonesien gewesen.
Neben der Allianz hat auch die Konkurrenz in den vergangenen Monaten die Belastungen der Pandemie weitgehend wettgemacht. Der Wettbewerber Zurich meldete in der vergangenen Woche einen Anstieg des Jahresüberschusses um 36 Prozent auf 5,2 Milliarden Dollar. Die Dividende soll deshalb um zehn Prozent auf 22 Franken je Aktie steigen.
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