PremiumSeit Theo Kokkalas Deutschlandchef der Munich-Re-Tochter ist, muss er den Versicherer durch mehrere Krisen steuern. Dennoch ist er überzeugt, dass Ergo weiter profitabel wachsen kann.
Theodoros Kokkalas
Der Ergo-Deutschlandchef setzt auf Digitalisierung und Automatisierung.
Düsseldorf Der Versicherer Ergo ist zuversichtlich, trotz der aktuellen Herausforderungen weiter profitabel wachsen zu können. „Wir haben in den letzten Jahren hart gearbeitet, um wieder eine starke Marktposition zurückzuerlangen“, sagt Ergo-Deutschlandchef Theo Kokkalas im Gespräch mit dem Handelsblatt. Man sei nun gut aufgestellt, um künftig weiterhin gute Gewinne einfahren zu können.
Für die Tochter des weltgrößten Rückversicherers Munich Re läuft es derzeit rund. Nach einem starken dritten Quartal, das von einem Sonderertrag geprägt war, soll Ergo im Gesamtjahr 2022 nun 800 Millionen statt bisher 600 Millionen Euro verdienen. Der Düsseldorfer Erstversicherer könnte somit auch das Gewinnziel der Mutter Munich Re retten, deren Ergebnis durch hohe Schäden von Hurrikan „Ian“ belastet ist.
Die Rolle des Stabilisators im Munich-Re-Konzern will Ergo-Deutschlandchef Kokkalas auch in der Zukunft einnehmen. Rückversicherer könnten in Jahren mit geringen Schäden hohe Margen erreichen. Sobald es große Naturkatastrophen gibt, bringe dies jedoch eine überdurchschnittlich hohe Belastung der Ergebnisse mit sich. Erstversicherer schwanken üblicherweise weniger stark: „Mit einer kontinuierlich hohen und weiter steigenden Profitabilität wollen wir unseren Teil dazu beitragen, dass die gesamte Gruppe stabil aufgestellt ist“, erklärt Kokkalas.
Der 58-Jährige zeigt sich überzeugt, in den kommenden drei Jahren ähnlich hohe Gewinne wie im laufenden Jahr zu erzielen. Daran halte man fest, auch wenn die Zeiten herausfordernd seien. Laut Konzernstrategie soll Ergo genauso wie Munich Re bis 2025 eine Eigenkapitalrendite von 14 bis 16 Prozent erzielen. Im Jahr 2023 soll Ergo zum angestrebten Konzernergebnis von vier Milliarden Euro 700 Millionen Euro beisteuern – dann ohne Sonderertrag.
Mit Beitragseinnahmen in Höhe von 19,2 Milliarden Euro im Jahr 2021 zählt die Ergo Group zu den größeren deutschen Erstversicherern nach der Allianz, die mit großem Abstand die Nummer eins der Branche ist. Zuletzt kam sie allein in Deutschland auf Umsätze von 38,8 Milliarden Euro und einen Gewinn von knapp 1,5 Milliarden Euro.
So solide wie momentan stand Ergo nicht immer da. Um das Jahr 2016 habe man sich in einer „durchaus herausfordernden Situation“ befunden, betont der gebürtige Grieche Kokkalas. Ergo galt als Sanierungsfall und machte unter dem Strich Verluste. Insbesondere in der Lebensversicherung tat sich das Unternehmen in der Niedrigzinsphase schwer, ein funktionierendes Geschäftsmodell aufzubauen. Daneben hatte der Versicherer mit veralteten IT-Systemen zu kämpfen.
Markus Rieß, Chef der Ergo Group, setzte daher ein Strategieprogramm auf, um den Versicherer umzustrukturieren. Als Kokkalas im Mai 2020 Vorstandsvorsitzender von Ergo Deutschland wurde, schien der Turnaround geschafft: „Ich war darauf vorbereitet, einem gut aufgestellten Haus in einem stabilen Umfeld zu mehr Wachstum und Profitabilität zu verhelfen“, so Kokkalas.
Dann kam die Coronapandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen wirtschaftlichen Herausforderungen. Somit war Kokkalas, anders als ursprünglich erwartet, als Krisenmanager gefragt: „Wir mussten auch bei Ergo Deutschland entsprechend reagieren und unsere Szenarien neu bewerten, um weiterhin profitabel wachsen zu können. Die nachhaltig wiedererlangte Resilienz war alles andere als ein Selbstläufer.“
Ergo-Versicherung in Düsseldorf
Die Munich Re-Tochter soll dazu beitragen, die Gewinne der Gruppe zu stabilisieren.
Bild: Ergo
Schwierigere Zeiten hatte der studierte Jurist bereits in der Vergangenheit durchlebt – beispielsweise beim damaligen Gerling-Konzern in Griechenland und später als Vorstandschef der dortigen Ergo-Einheit. Kokkalas, der in Düsseldorf besonders genießt, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren zu können, betont, dass jede Krise anders sei: „Man muss immer wieder neu lernen, Situationen richtig einzuschätzen.“
Der starke Preisauftrieb der letzten Monate war für ihn dennoch kein neues Thema. Auch wenn die aktuelle Situation keine Entspannung erlaube, versucht Kokkalas, optimistisch zu bleiben: „Die Erfahrung aus meiner internationalen Tätigkeit ist, dass die Menschen lernen, mit einer erhöhten Inflation umzugehen.“ Die schwierigste Phase sei immer der Beginn, wenn die Inflation steigt.
Ergo wird einen Teil der steigenden Schadenkosten durch höhere Versicherungsprämien ausgleichen können. Das hat auch Bafin-Versicherungsaufseher Frank Grund von der Branche eingefordert. Es sei unvermeidlich, dass die gestiegene Inflation im Jahr 2023 höhere Beiträge in der Schaden- und Unfallversicherung nach sich zieht, sagte Grund vor Kurzem.
„Wir können die steigenden Preise aber nicht allein über Prämienerhöhungen abfedern“, betont Kokkalas. Stattdessen denke man derzeit viel darüber nach, wie „wir die Preise flexibler gestalten oder Produkte mit geringerem Deckungsumfang anbieten können“.
Wichtig sei, das Kundenverhalten in den nächsten Monaten genau zu beobachten und schnell auf Verhaltensänderungen zu reagieren. „Von anderen Anbietern hören wir bereits, dass Kunden vorsichtiger werden und Zusatzdeckungen reduzieren – also in der Kfz-Versicherung beispielsweise verstärkt auf Teil- statt Vollkasko setzen“, so Kokkalas.
Krisengewinner werden seiner Ansicht nach die Unternehmen sein, die sich am schnellsten an die neuen Gegebenheiten anpassen – beispielsweise „mit entsprechenden Produkten und mit Kostendisziplin über Digitalisierung und Automatisierung“. Die Ergo-Gruppe will daher zwischen 2016 und 2025 über eine Milliarde Euro investieren, um Prozesse, Produkte und Vertrieb weiter zu modernisieren.
Erste Ergebnisse: Bei Ergo Deutschland führen inzwischen 104 Roboter etwa 2,5 Millionen Transaktionen im Jahr durch. Sie legen beispielsweise nach Hagelunwettern Schadenfälle im System an und beauftragen Gutachter. Daneben nutzt der Versicherer 71 Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI). Der Telefon-Chatbot wickelt unter anderem täglich 5.500 Anrufe ab, etwa die Hälfte aller eingehenden Anrufe. Die Mitarbeiter haben dadurch mehr Zeit für komplexere Anliegen ihrer Kundinnen und Kunden.
Kokkalas zufolge erwarten diese von Versicherern einfachere Produkte und Prozesse. Man müsse sich daher nicht mehr nur mit unmittelbaren Konkurrenten messen, sondern verstärkt auch mit Unternehmen aus anderen Branchen vergleichen.
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