Die Schadenkosten sind im ersten Halbjahr in die Höhe geschnellt. Branchenexperten halten daher deutliche Prämiensteigerungen für wahrscheinlich.
Frankfurt Mehrere britische Autoversicherer haben ihre Investoren in den vergangenen Tagen mit Gewinnwarnungen schockiert. Daraufhin verloren die Aktien von Anbietern wie Direct Line, Sabre und Admiral deutlich an Wert.
Als Grund nannten die Versicherer die starke Schadeninflation in der ersten Jahreshälfte. Berenberg-Analyst Thomas Bateman ist überzeugt: „Der einzige Ausweg für Autoversicherer ist, mit erheblichen Preissteigerungen zu reagieren.“
Auch in Deutschland wird seit einiger Zeit über höhere Schadenkosten und mögliche Prämienanpassungen in der Autoversicherung diskutiert. Noch halten sich die Anbieter allerdings bedeckt, was auf Kunden in der nächsten Wechselsaison zukommen könnte. Die Huk-Coburg betont, sich als Marktführer in der Kfz-Versicherung auch aus kartellrechtlichen Gründen nicht äußern zu dürfen.
Frank Sommerfeld, der das deutsche Sachversicherungsgeschäft der Allianz verantwortet, sagte im Mai, dass er „zunehmend zurückhaltendere Rabattierungen“ beobachte. Zu aktuellen Beitragsänderungen und Prämiensteigerungen in der kommenden Wechselsaison will sich die Nummer zwei im deutschen KfZ-Versicherungsmarkt aber aus den gleichen Gründen wie Huk-Coburg nicht äußern.
Bei der in der KfZ-Versicherung ebenfalls starken VHV Gruppe heißt es, dass man die Entwicklung im weiteren Verlauf des Jahres analysiere. Ob es dann zu einer Prämiensteigerung kommen wird, könne man zu diesem Zeitpunkt nicht einschätzen.
Branchenexperten halten Prämiensteigerungen aber für wahrscheinlich. Grundsätzlich sehe man Handlungsbedarf bei den Erstversicherern, die Prämien zu erhöhen, betont ein Sprecher von Hannover Rück. Deren Tochter E+S Rück hat als einer der größten Kfz-Rückversicherer in Deutschland gute Einblicke in das Geschäft.
Dafür gebe es mehrere Gründe: Die Schadenkosten seien wegen der hohen Inflation stark angestiegen. Daneben mache sich auch bemerkbar, dass die Menschen nach zwei Jahren mit relativ strikten Coronamaßnahmen wieder mehr Autofahren und auch mehr Schäden melden. Letztendlich werde es aber stark von der jeweiligen Preispolitik abhängen, ob die Anbieter die Preise erhöhen.
Gerade sei bei Check24 schon ein Anstieg der Versicherungsprämien im Neugeschäft zu sehen, sagt Michael Roloff, Geschäftsführer Kfz-Versicherung beim Vergleichsportal Check24. Noch sei das nicht dramatisch: Aktuell lägen die Preise sogar unterhalb des Vorjahresmonats. „In Bezug auf das Jahresendgeschäft gehen wir aber von deutlich höheren Preisen aus“, betont Roloff.
Mit gebuchten Bruttobeiträgen von 29 Milliarden Euro pro Jahr ist die Kfz-Versicherung die wichtigste Sparte im Bereich Schaden- und Unfallversicherung. In der Kfz-Haftpflicht hatten die Versicherer in den Jahren 2020 und 2021 davon profitiert, dass weniger Menschen auf den Straßen unterwegs waren. Dieser positive Effekt auf das Schadengeschehen ist nun vorbei.
In der Kaskoversicherung mussten die Anbieter aber auch schon 2021 Belastungen hinnehmen. Laut Branchenverband GDV haben die Unwetter wie die Überflutungen nach dem Sturmtief „Bernd“ im vergangenen Jahr in Deutschland fast doppelt so hohe Schäden verursacht als im Durchschnitt. Die Schaden-Kosten-Quote lag in der Kaskoversicherung daher über 100 Prozent.
Reparaturen werden aktuell durch die steigenden Ersatzteilpreise aber nicht nur deutlich teuer – sie dauern auch länger. Das ist auf gestörte Lieferketten, die der Krieg in der Ukraine noch verstärkt, zurückzuführen. Roloff von Check24 beobachtet daher auch „steigende Kosten für die Bereitstellung von Mietwagen, da sich die Verweildauer der beschädigten Fahrzeuge in den Werkstätten aufgrund fehlender Ersatzteile deutlich verlängert hat“.
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Die Ratingagentur Assekurata rechnete in ihrem Jahresausblick für die Schaden-Unfall-Versicherer daher ebenfalls damit, dass in der Kfz-Versicherung wegen der steigenden Schadenbelastung am Jahresende Prämienerhöhungen erforderlich werden.
Assekurata-Experte Dennis Wittkamp macht noch eine weitere Herausforderung für die Branche aus – nämlich eine sich abschwächende Wachstumsdynamik: „Im ersten Quartal 2022 sind die Neuzulassungen und die Besitzumschreibungen merklich zurückgegangen, die Kfz-Versicherer haben es also erstmals seit Langem mit einem schrumpfenden Markt zu tun.“ Das liegt unter anderem daran, dass wegen des Chip- und Teilemangels weniger Neuwagen produziert werden.
Dieser Trend setzte sich im zweiten Quartal fort. Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden im Pkw-Segment im ersten Halbjahr 2022 insgesamt elf Prozent weniger Neuwagen zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Besitzumschreibungen von Kraftfahrzeugen nahm um rund 14 Prozent ab.
Dem Preisdruck wollen die Kfz-Versicherer vor allem mit Partnerschaften trotzen. Die Huk-Coburg setzt auf Service rund um das Thema Mobilität. Der Versicherer kündigte vor Kurzem an, sich mit 25,1 Prozent an der Werkstattkette Pitstop beteiligen zu wollen.
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