Kryptowährungen sind in den vergangenen Monaten stark unter Druck geraten. Doch in den USA ist kaum jemand in Untergangsstimmung – im Gegenteil.
Bitcoin
Der Bitcoin hat seit seinem Rekordhoch im November des vergangenen Jahres mehr als 55 Prozent seines Werts verloren.
Bild: Reuters
New York Der Bitcoin ist bald wertlos: Das verkündete kürzlich die chinesische Staatszeitung „Economic Daily“. Sollten künftig das Vertrauen von Investoren schwinden oder souveräne Länder die digitale Währung für illegal erklären, werde er zu seinem ursprünglichen Wert zurückkehren, so das Urteil. Und der sei eben null Dollar.
Die Aussage überrascht zunächst nicht, denn die chinesische Regierung hat Kryptowährungen seit jeher rigoros reguliert. So erklärte die Zentralbank im vergangenen Jahr alle Transaktionen in Verbindung mit etwa Bitcoin für illegal.
Doch ein Blick auf die Kryptomärkte bestätigt die Untergangsstimmung der Chinesen: Der Bitcoin hat seit Jahresanfang über die Hälfte seines Werts verloren, der Verlust der zweitgrößten Kryptowährung Ethereum beträgt in dem Zeitraum sogar etwa zwei Drittel.
Mitte Mai löschte der Crash des Kryptoprojekts Terra geschätzte 50 Milliarden Dollar aus. Und nun frieren immer mehr Kryptoplattformen Kundengelder ein. Mit Celsius hat in der Nacht zu Donnerstag sogar die erste Plattform Insolvenz angemeldet, während Kryptobörsen beginnen, Hunderte Mitarbeiter zu entlassen.
Trotz dieser Entwicklungen will in den USA kaum jemand etwas vom Untergang der Kryptowährungen wissen – im Gegenteil. Kryptowährungen sind die Zukunft des Finanzwesens, sagte Dave Grimaldi von der Blockchain Association und zuständig für den Austausch mit Regierungsbehörden. Kryptowährungen seien eine ziemliche Herausforderung, allerdings erkennen alle an, dass die digitalen Währungen gekommen seien, um zu bleiben, zeigte er sich sicher.
In der US-Bevölkerung sind Kryptowährungen ohnehin weit verbreitet: Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts PEW aus dem vergangenen November sind 16 Prozent der Amerikaner in diesen Währungen investiert oder haben damit gehandelt.
Die Unternehmerseite steht ebenfalls nach wie vor hinter Krypto – zumindest hinter einigen Währungen. „Der Bitcoin hat Höhenflüge und Talfahrten“, sagte Ahon Sarkar, Manager beim Banking-as-a-Service-Anbieter Helix by Q2. Wie bei jeder anderen Anlageklasse auch müssten Anleger darauf vorbereitet sein, langfristig zu investieren und auch Tiefen zu überstehen, anstatt zu versuchen, Marktbewegungen vorherzusehen.
Julapa Jagtiani, Beraterin bei der Federal Reserve Bank in Philadelphia, hatte bereits Ende Mai die Vorteile von Kryptowährungen hervorgehoben: Nicht alle hätten bei dem Crash wie etwa Terra 90 Prozent an Wert verloren, sagte sie. Einige von ihnen hätten sich sogar ziemlich gut entwickelt.
Auch Brian Korn, Rechtsanwalt bei der US-Kanzlei Manatt und dort zuständig für Fintechs und Blockchain, sagt: „Digitale Vermögenswerte, insbesondere Bitcoin, werden nicht nur in dem Sinne zum Mainstream, dass die Leute Bitcoin kaufen.“ Künftig könnten viele die digitale Währung tatsächlich wie eine ganz klassische Finanzdienstleistung nutzen, etwa um sich das eigene Gehalt auszahlen zu lassen.
Angesichts der extremen Marktturbulenzen und der großen Kursschwankungen ist das derzeit nur schwer vorstellbar. Durch die hohen Verluste dürfte viel Vertrauen in Krypto verloren gegangen sein.
Unternehmer Sarkar sieht im Krypto-Crash vielmehr eine benötigte Marktbereinigung: Während Kryptowährungen, die auf einem Hype beruhten und keinen direkten Nutzen böten, vom Markt verschwänden – wie etwa Terra und Luna –, würde etwa der Bitcoin künftig eine wesentliche Rolle spielen. Er sei allgegenwärtig geworden und habe klare Anwendungsfälle gefunden, erklärt Sarkar.
Trotz der positiven Stimmung im Big Apple – der Kryptoeinbruch hat erneut Diskussionen um die Sicherheit der digitalen Währungen und die damit verbundenen Risiken für klassische Finanzsysteme ausgelöst. Ashley Harris, Anwältin beim Blockchain-Start-up Figure Technologies, prognostizierte bereits Ende Mai, dass aus regulatorischer Sicht noch eine unruhige Zeit bevorsteht.
>> Lesen Sie hier: Trotz Kurseinbruch – Wie Bitcoin-Millionäre die US-Politik beeinflussen
Mitte März hatte die US-Regierung unter Präsident Joe Biden einen Erlass veröffentlicht, wonach US-Behörden die Risiken und potenziellen Chancen von Kryptowährungen und der dahinterliegenden Blockchain-Technologie untersuchen sollen. „Die Vereinigten Staaten müssen die technologische Führerschaft in diesem schnell wachsenden Raum beibehalten, Innovation fördern und zugleich die Risiken für Verbraucher, Unternehmen, das Finanzsystem und das Klima abmildern“, heißt es in der Anordnung.
Harris erklärte: „Die Regulierungsbehörden befinden sich im Lernmodus und sind jedes Mal sehr vorsichtig, wenn etwas passiert.“ Die aktuellen Kurseinbrüche seien aus Sicht der Behörden ein weiterer Hinweis darauf, dass Vorsicht geboten sei. Dem entgegen stünden aber eben die wirtschaftliche Weiterentwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit der USA.
„Es gibt konkurrierende Spannungen, durch die wir navigieren“, sagte Harris. Welches das richtige Maß für Regulierung sein wird, wird die Finanzsysteme noch länger beschäftigen – nicht nur in den USA.
Erstpublikation: 17.07.22, 13:44 Uhr.
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