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11.04.2016

12:39

Europäische Zentralbank

Schäuble schreibt AfD-Erfolg zur Hälfte der EZB zu

Von: Julian Trauthig

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Schuld am Wahlerfolg der AfD auch der Geldpolitik von EZB-Präsident Mario Draghi zugeschoben. Ökonomen und Marktbeobachter zeigten sich entsetzt über die Aussage.

Der Bundesfinanzminister hat mit seiner Aussage zur AfD und EZB für wenig Begeisterung gesorgt. dpa

Wolfgang Schäuble

Der Bundesfinanzminister hat mit seiner Aussage zur AfD und EZB für wenig Begeisterung gesorgt.

Düsseldorf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble steht für eine Aussage zum Wahlerfolg der AfD in der Kritik. Schäuble hatte laut „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und Nachrichtenagentur „Dow Jones“ auf einer Veranstaltung am Freitagabend in Kronberg erzählt, dass er Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, gesagt habe, er könne „stolz“ sein – die Hälfte des AfD-Wahlergebnisses könne er der Auslegung seiner Geldpolitik verdanken. In jüngsten Umfragen kommt die „Alternative für Deutschland“ auf bundesweit 14 Prozent.

Marktbeobachter und Analysten reagierten wenig erfreut auf die Anspielung zum Wahlergebnis der AfD. Noah Barkin, Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters schrieb in einem Blogbeitrag, dass die Aussagen Schäubles harter Tobak seien. „Ich habe mit einem EZB-Offiziellen gesprochen, der mir zustimmte, dass der deutsche Minister die Kritik an der EZB auf ein neues Level (oder einen neuen Tiefpunkt, je nach Blickwinkel) hebe.“

Der Werkzeugkasten der EZB

Leitzins

Das wichtigste Instrument ist der Leitzins, also der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Notenbank Geld ausleihen können, um es dann zum Beispiel als Kredit an Unternehmen und Verbraucher weiterzugeben. Im August 2016 liegt der EZB-Zins bei historisch niedrigen 0,0 Prozent. Niedrige Zinsen können die Konjunktur ankurbeln.

Einlagezins

In normalen Zeiten bekommen Geschäftsbanken von der EZB Zinsen für überschüssiges Geld, das sie bei der Zentralbank parken. Im Juni 2014 senkten die Währungshüter den Zins unter die Nullgrenze. Aktuell müssen die Kreditinstitute einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen. Das Ziel ist eine Schwächung des Euro und ein Abbau der Einlagen der Banken bei der EZB.

Geldspritzen

Ende 2011/Anfang 2012 unterstützte die EZB Banken mit Notkrediten (LTRO) im Volumen von einer Billion Euro. Die Kredite wurden zu Mini-Zinsen und für drei Jahre gewährt. 2014 folgten weitere Notkredite, allerdings diesmal in deutlich geringerem Umfang.

Kauf von Kreditpaketen

Seit Herbst 2014 kauft die EZB Pfandbriefe (Covered Bonds) und gebündelte Kreditverbriefungen (ABS). Das soll Geschäftsbanken Freiräume zur Vergabe von Krediten verschaffen.

Staatsanleihen Käufe

Im Mai 2010 begann die EZB erstmals mit dem Kauf von Staatsanleihen. Das „Securities Markets Programme“ (SMP) sollte den Anstieg der Renditen von Anleihen angeschlagener Euro-Länder bremsen. Bis Anfang 2012 kaufte die EZB Staatspapiere für rund 220 Milliarden Euro, zumeist italienische Anleihen. Im September 2012 ersetzte das Programm „Outright Monetary Transactions“ (OMT) diese Maßnahme: Die EZB erklärt sich dabei bereit, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu erwerben. Gekauft wurde in diesem Rahmen bisher keine Anleihe.

Quantitative Lockerung

Für die sogenannte Quantitative Lockerung druckt sich die Zentralbank quasi selbst Geld und kauft damit in großem Stil Anleihen - Staatsanleihen und andere Papiere wie Unternehmensanleihen. Das tut die EZB seit März 2015. Bis mindestens Ende März 2017 wollen die Währungshüter auf diese Weise 1,74 Billionen Euro in den Markt pumpen. Das soll die Konjunktur ankurbeln und die anhaltend niedrige Inflation wieder in Richtung der EZB-Zielmarke von knapp unter 2,0 Prozent befördern.

Auch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter gab es Kritik an Schäubles Aussagen. Jan Philipp Albrecht, EU-Parlamentsabgeordneter der Grünen, sprach von einer „richtig schlechten Satire“.

Erik Fossing Nielsen, Chefökonom der italienischen Großbank Unicredit, schrieb, dass sein Respekt für den Finanzminister dahin sei. Francine Lacqua, Anchor-Journalistin bei Bloomberg TV, stimmte ihm zu.

Marktbeobachter Frederik Ducrozet sprach von „ekelhaften Nachrichten“.

Auch Wolfgang Zwander, Mitarbeiter des Pressedienstes des österreichischen Parlaments, war wenig begeistert.

Schäuble betonte auf der Veranstaltung zudem, dass sein Augenmerk der vom fehlenden Zins ausgehenden Fehlanreizen für die private Vorsorge gelte und nicht der Entlastung für den Bundeshaushalt: „3 Prozent Zins bei 3 Prozent Inflation ist nicht dasselbe wie 0 Prozent Zins bei 0 Prozent Inflation.“

Auf dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) Ende dieser Woche in Washington wolle er für einen Ausstieg der extrem lockeren Geldpolitik werden.

Er habe mit dem amerikanischen Finanzminister Jack Lew telefoniert und ihm gesagt: „Ihr solltet die Federal Reserve ermutigen, und wir die Europäische Zentralbank und die Bank of England ermutigen, mit den Amerikanern im Geleitzug, aber doch langsam rauszugehen.“ Man müsse bei Drogenabhängigen behutsam rausgehen.

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