Die Gasumlage kostet die deutsche Industrie Milliarden. Auf einzelne Sparten kommen ab 1. Oktober Hunderte Millionen Euro Zusatzausgaben zu. Branchenvertreter schlagen Alarm.
BASF-Anlage in Ludwigshafen
Die Chemieindustrie ist einer der größten Gasverbraucher in Deutschland – die Umlage könnte sie hart treffen.
Bild: imago images/Arnulf Hettrich
Düsseldorf Die Industrie ist der größte Gasverbraucher in ganz Deutschland. Entsprechend hohe Kosten kommen jetzt mit der Gasumlage auf die Unternehmen zu. Allein für die energieintensive Industrie bedeute die sogenannte „saldierte Preisanpassung“ Mehrkosten von mehr als 5,3 Milliarden Euro, erklärte der Branchenverband EID am Montag. Für jeden Arbeitsplatz entstehe somit eine zusätzliche Belastung von knapp 6300 Euro.
Am Montag hatte das Gemeinschaftsunternehmen Trading Hub Europe die Höhe der Gasumlage bekannt gegeben. Ab dem 1. Oktober müssen sowohl Haushalts- als auch Unternehmenskunden 2,419 Cent mehr pro Kilowattstunde (kWh) bezahlen.
„Seit Monaten steigt der Druck auf die Unternehmen durch die drastischen Preissteigerungen für Strom, Gas und andere Energieträger“, kritisiert der EID. Von der Stahlindustrie über die Autobranche bis hin zur Verpackungsindustrie verbrauchen die energieintensiven Industrien in Deutschland 220 Terawattstunden Erdgas pro Jahr.
Aktuell führten die erheblichen Energiepreissteigerungen für die Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr schon zu milliardenschweren Mehrkosten. Die jetzt festgelegte Gasumlage kommt noch hinzu.
Allein die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland rechnet durch die Umlage mit jährliche Zusatzbelastungen von mehr als drei Milliarden Euro, sagt der Branchenverband VCI vor. Durch die Mehrfachbelastungen aus hohen Gas- und Strompreisen sowie teuren Rohstoffen gerieten viele Unternehmen an ihre Belastungsgrenze.
Der Kunststoffhersteller Covestro geht von einer zusätzlichen Belastung in Höhe eines niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrags für den Zeitraum der Umlage aus. Für das laufende Jahr 2022 erwarten die Leverkusener bereits ohne Umlage einen Anstieg der globalen Energiekosten auf bis zu 2,2 Milliarden Euro – mehr als drei Mal so viel wie 2020. „Insgesamt gefährden die hohen Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland“, warnt Covestro.
Auf die Stahlindustrie kommen eigenen Angaben zufolge jährlich rund 500 Millionen Euro an Mehrkosten zu. „Die Gasumlage vergrößert den bereits durch die extremen Preissteigerungen auf den Energiemärkten bestehenden Kostendruck weiter erheblich“, sagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Erdgas wird in der Produktion zur Erzeugung von Prozesswärme benötigt.
Schuld an den schon jetzt hohen Energiepreisen sind die Rekordkurse an den Börsen. Schon im Herbst vergangenen Jahres waren die Preise für Kohle, Öl und Gas nach dem Abflauen der weltweiten Lockdowns mit einer sprunghaft ansteigenden Nachfrage nach oben gegangen.
Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs und dem Fehlen russischer Gasmengen hat sich das Angebot auf dem Weltmarkt noch einmal dramatisch verknappt. Aktuell kostet die Megawattstunde Erdgas an der niederländischen TTF-Börse für den September 206 Euro. Vor einem Jahr lagen die Preise noch bei knapp 25 Euro.
Für einzelne Unternehmen kommen durch die Umlage je nach Gasverbrauch jetzt noch einmal mehrere Millionen Euro auf die ohnehin schon hohe Rechnung hinzu. Beispiel Papierindustrie: Im Durchschnitt verbraucht eine Fabrik laut dem Spitzenverband der deutschen Papierindustrie 170 Gigawattstunden Gas im Jahr. Bei einer Umlage von 2,419 Cent beträgt die Mehrbelastung rund 4,1 Millionen Euro. Für die gesamte Branche wären es eine Milliarde Euro.
Um Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze zu erhalten, müsse es gerade für Unternehmen mit besonders hohem Energieverbrauch eine Belastungsobergrenze geben, fordert EID-Chef Jörg Rothermel. Die Hilfen sollten dann aber aus dem Bundeshaushalt kommen, um Privathaushalte nicht noch mehr zu belasten.
„Die angekündigte Gasumlage in Höhe von 2,419 Cent pro kWh bedeutet für die Baustoff-Steine-Erden-Industrie jährliche Mehrkosten von rund 375 Millionen Euro“, rechnet Matthias Frederichs, Chef des Bundesverbands für Baustoffe, vor. Auch er fordert Entlastungsmechanismen „zur Stabilisierung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit“ von der Bundesregierung.
Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), fordert, die Umlage über das Jahr 2024 hinaus zeitlich zu strecken. Das will auch der Chemieverband VCI erreichen, um eine kurzfristige Überforderung der Industrie zu vermieden. Der VCI plädiert dafür, die Gasumlage durch staatliche Zuschüsse möglichst gering zu halten. Sie könnten etwa durch Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer, die aufgrund der hohen Energiepreise entstehen, gegenfinanziert werden.
Mitarbeit: Kevin Knitterscheidt
Erstpublikation: 15.08.2022, 15:01 Uhr
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