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23.03.2023

17:13

Geldpolitik

Die US-Notenbank verunsichert mit ihrem neuesten Schritt die Anleger

Von: Astrid Dörner, Frank Wiebe

Im Angesicht der Bankenkrise dachte Fed-Chef Powell zunächst an eine Zinspause. Dann entschied er doch anders. Der Bond-Markt setzt nun auf ein neues Datum.

Die Bankenkrise zwingt die US-Zentralbank im Kampf gegen die Inflation mehr Rücksicht auf die Finanzstabilität zu nehmen. Reuters

Jerome Powell, Chairman der US-Notenbank Fed

Die Bankenkrise zwingt die US-Zentralbank im Kampf gegen die Inflation mehr Rücksicht auf die Finanzstabilität zu nehmen.

New York, Frankfurt Das Straucheln mehrerer kleiner US-Banken bringt die US-Notenbank Fed in eine schwierige Lage. Am Mittwoch entschlossen sich die Notenbanker trotz der anhaltenden Furcht vor einer Bankenkrise, den Leitsatz weiter zu erhöhen, dieses Mal um einen moderaten Viertelprozentpunkt. Volkswirte sehen die mächtigste Notenbank der Welt in einem Interessenkonflikt gefangen. Die Fed betont noch immer ihre Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation – doch die Turbulenzen im Bankensektor hinterlassen ihre Spuren in der Geldpolitik und die Angst vor einer neuen Finanzkrise ist noch immer nicht gebannt.

In ihrem Statement habe die Notenbank drei Einflussfaktoren ausbalancieren müssen, meint Frederik Ducrozet von Pictet Wealth Management: ihre beiden offiziellen Mandate, Wahrung der Preisstabilität und Sicherung der Beschäftigung, sowie „das inoffizielle dritte Mandat, Sicherung der Finanzstabilität“.

„Wir haben in den Tagen vor dem Treffen eine Zinspause in Betracht gezogen“, räumte Fed-Chef Powell nach der Zinsentscheidung ein. Doch weil die Inflation höher und der Arbeitsmarkt stärker war als erwartet, hatten sich die Geldpolitiker dazu entschlossen, an ihrem Kurs festzuhalten.

Die Krise der kleineren und regionalen Geldhäuser in den USA bekommt mit jeder Zinsanhebung Brennstoff, weil so die Anleger verleitet werden, ihre Mittel aus Banken abzuziehen und im Geldmarkt zu parken, wo es lukrativer ist. Hier liegt nach Meinung vieler Experten zurzeit der wunde Punkt des US-Finanzsystems.

Roubini: „Gewerbe-Immobilien anfällig“

Der bekannte Hedgefonds-Manager Bill Ackman, der in den vergangenen Tagen mehrmals eine befristete staatliche Garantie für Bankeinlagen gefordert hatte, wies erneut auf dieses Problem hin. Die Citigroup betont, das Bankensystem bleibe „fragil“, es werde eine Zeit dauern, das zu beheben, und die Krise sei groß genug, um volkswirtschaftliche Auswirkungen zu haben.

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Nouriel Roubini, Professor an der Stern School of Business in New York, befürchtet für die USA eine Kreditkrise, wie er am Rand einer Veranstaltung in Frankfurt sagte. Er verwies auf über 600 Milliarden Dollar an unrealisierten Verlusten im US-Finanzsystem. Er warnt, dass aus Marktrisiken, die zurzeit im Vordergrund stehen, schnell Kreditrisiken werden könnten.

„Die kleinen und mittleren Banken sind sehr wichtig für die Kreditversorgung, und wenn dort Einlagen wegbrechen, gibt das Probleme“, sagte er. „Eine befristete Garantie für alle Einlagen auszusprechen wäre nicht sinnvoll“, ist er überzeugt. „Jedes Unternehmen, das verantwortungsvoll handelt, wird jetzt versuchen, größere Summen sicher anzulegen.“

Er betonte außerdem: „Besonders anfällig ist der Bereich der gewerblichen Immobilien, auch, weil viel Arbeit ins Homeoffice verlagert wurde.“ Dagegen beruhigt er bis zu einem gewissen Grad: „Bei den privaten Bauherren gibt es in der Regel lange Kreditlaufzeiten, das mildert das Problem.“

Verunsicherte Investoren

Bei vielen Investoren herrscht nach der Zinserhöhung vom Mittwoch Verwirrung. Die Erwartungen über den weiteren geldpolitischen Kurs der Fed gehen wieder weit auseinander. Einigkeit besteht darin, dass Powell eine vorsichtige Straffung der Geldpolitik gelungen ist. Offensichtlich kommt ein „Peak“, also ein Höhepunkt der Zinsen, zumindest in Sichtweite. Ansonsten bleiben viele Fragezeichen.

Jedes Unternehmen, das verantwortungsvoll handelt, wird jetzt versuchen, größere Summen sicher anzulegen. Nouriel Roubini, Professor an der Stern School of Business in New York

Die Märkte feierten die moderate Zinserhöhung um einen Viertelprozentpunkt zunächst, reagierten dann aber skeptischer. Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers lobte Powell: Es sei richtig, die große Unsicherheit, die die Bankenkrise mit sich bringe, zu betonen, sagte er dem Fernsehsender CNN. Er fügte allerdings hinzu: „Ich selbst hätte wahrscheinlich den Sorgen wegen der Inflation etwas mehr Raum gegeben und die Möglichkeit mehrerer Zinserhöhungen offengelassen.“

Nach dem Zinsschritt vom Mittwoch liegt der Schlüsselsatz der Fed in einer neuen Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent. Noch Anfang 2022 hatte der Leitzins bei nahe null gelegen. Verglichen mit früheren Zinsentscheidungen war das Statement der Notenbank vorsichtiger formuliert und deutete nicht mehr auf mehrere Zinserhöhungen hin.

Hoffnung auf erste Zinssenkungen im September

Während die Aussagen von Powell deutlich machten, dass in diesem Jahr aber auch keine Senkungen zu erwarten sind, sahen die Märkte gleich nach der Pressekonferenz eine Lockerung der Geldpolitik noch 2023 voraus. Der Bond-Markt ist sich sicher, dass die Fed die Zinsen im September senken wird. 

Der Terminmarkt deutet einen Zinssatz von etwa 4,5 Prozent zum Ende des Jahres an. Nach einer Kalkulation der Börse CME in Chicago rechnen die Händler etwa hälftig mit einem weiteren kleineren Zinsschritt oder mit gar keiner Anhebung mehr.

Die Ökonomen großer US-Banken wiederum prognostizieren noch mehrere Zinsanhebungen. Goldman Sachs geht unverändert von einem „Peak“ mit einer Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent aus und erwartet noch zwei Erhöhungen im Mai und Juni. Die Citigroup hält sogar noch drei Zinserhöhungen für möglich, betont aber, die Fed werde vor dem Hintergrund der Bankenkrise vorsichtig bleiben.

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