Eine Zinserhöhung der EZB am Donnerstag galt bislang als ausgemacht. Der DGB hingegen sieht angesichts der jüngsten Turbulenzen große Risiken durch einen solchen Schritt.
Frankfurt Vor der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Notenbank zu einem Verzicht auf weitere Zinserhöhungen auf. „Wir warnen davor, den Leitzins erneut zu erhöhen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell dem Handelsblatt. „Die Kollateralschäden einer weiteren geldpolitischen Straffung wären enorm.“
Die Notenbank hat im Vorfeld der Ratssitzung eine Erhöhung des Leitzinses um 50 Basispunkte signalisiert. Die meisten Experten erwarten, dass sie trotz der Turbulenzen nach der Pleite der Silicon Valley Bank daran festhält. Frederik Ducrozet, Ökonom beim Schweizer Vermögensverwalter Pictet, hält dies nach wie vor für wahrscheinlich.
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EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte gesagt, dass die Notenbank nur im Extremfall von den Plänen abweichen würde. „Das Risiko, dass die EZB die Zinsen um 25 Basispunkte anhebt, ist gering, da dies ein schlechtes Signal an den Markt wäre“, glaubt Ducrozet.
DGB-Vorstandsmitglied Körzell sieht dies skeptisch. „Die EZB unterschätzt die schädlichen Folgen des hohen Leitzinses auf die Wirtschaft.“ Die Auswirkungen seien bereits deutlich zu spüren. „Der Zinshammer hat die Bauwirtschaft bereits getroffen.“ Körzell verwies darauf, dass die Wohnungsbaukredite bereits einbrechen würden.
Auch in anderen Sektoren habe sich die Kreditvergabe verlangsamt. Zudem würden die Refinanzierungskosten für die öffentlichen Haushalte steigen. „Ein Rückgang der Investitionstätigkeit ist absehbar, was kurz- und langfristig negative Auswirkungen für Wirtschaft, Klima und Arbeitsplätze hat.“
Körzell wies auch Warnungen vor stärker steigenden Löhnen zurück. „Die jüngsten Tarifabschlüsse der Gewerkschaften in Deutschland sind zwar gut ausgefallen, gefährden aber nicht das Preisstabilitätsziel der EZB.“
Auch in der Euro-Zone ließen sich bislang keine Zweitrundeneffekte ausmachen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte zuletzt ebenfalls, dass die Notenbank bisher keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale sieht, also eine Situation, wo sich höhere Löhne und Preis gegenseitig hochschaukeln. Sie machte aber deutlich, dass die Notenbank sehr genau auf die Entwicklung der Löhne schaue.
Nicht nur von Gewerkschaftsseite gibt es die Forderung an die EZB, bei weiteren Zinserhöhungen vorsichtiger vorzugehen. Auch das frühere EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi sprach sich für eine Änderung der Zinserhöhungspläne der Notenbank aus. „Eine Verschiebung um einen Monat oder nur 25 Basispunkte wäre kein Problem, wenn das gut erklärt wird“, sagte er der „Börsen-Zeitung“.
Die EZB könnte auf die jüngsten Turbulenzen aber auch reagieren, indem sie den Bankensektor stützt. Pictet-Ökonom Ducrozet hält es für möglich, dass sie mitteilt, mit welchen Mitteln sie sicherstellen kann, dass die Banken ausreichend Zugang zu Liquidität haben.
Zum Beispiel könnten die Sicherheitsanforderungen für Refinanzierungsgeschäfte gelockert werden. Der Ökonom der französischen Investmentbank Natixis, Dirk Schumacher, rechnet zumindest damit, dass Notenbankchefin Lagarde betonen wird, „dass alle Instrumente zum Einsatz kommen können, wenn das notwendig ist“.
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