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28.09.2022

14:30

Geldpolitik

„Haben keine wirkliche Kapitalmarktunion“ – Lagarde erklärt Schwäche des Euros

Von: Frank Wiebe

Die EZB-Chefin sieht vorerst keine Chance für den Euro, wichtiger als der Dollar zu werden. Sie verspricht, zu verhindern, dass die Inflation sich verfestigt.

EZB-Chefin Christine Lagarde Reuters

Christine Lagarde

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank gab Fehler bei der Inflationsprognose zu.

Frankfurt Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), sieht entscheidende Defizite im Euro-Raum. Diese würden bislang verhindern, dass der Euro eine ähnliche Rolle wie der US-Dollar einnehmen könnte. Das sagte sie auf dem „Frankfurt Forum on US-European GeoEconomics“, einer Veranstaltung der US-Denkfabrik Atlantik Council und der überparteilichen Atlantik-Brücke.

Sie sieht drei Bedingungen für eine weltweit führende Leitwährung. Zwei davon, ein großer Wirtschaftsraum als Basis und stabile Institutionen, seien Lagarde zufolge im Euro-Raum gegeben. Bei der dritten Bedingung sieht Lagarde die USA im Vorteil: einem gemeinsamen Kapitalmarkt.

Die EZB-Chefin beklagte: „Wir haben gute Kapitalmärkte hier, aber keine wirkliche Kapitalmarktunion.“ Dabei hob sie hervor, dass die Regeln und Institutionen noch stärker vereinheitlicht werden müssten. Zugleich räumte sie aber ein: „Die Stärke des US-Marktes sind die US-Staatsanleihen. Wir haben dagegen bisher keine gemeinsamen Anleihen.“

Der weiteste Schritt bisher zu einer Vergemeinschaftung seien die Euro-Anleihen zur Finanzierung des Wiederaufbaus nach der Covid-Pandemie. Solange der Euro-Kapitalmarkt uneinheitlich bleibe, bleibt aus ihrer Sicht der Euro die Nummer zwei hinter dem Dollar.

EZB will zu starke Anleihen-Fragmentierung verhindern

Lagarde verteidigte auf der Veranstaltung das neue TPI (Transmission Protection Instrument). Ziel des Instruments ist eine zu starke Fragmentierung des Euro-Raums durch gezielte Käufe von Anleihen einzelner Staaten zu verhindern.

Euro-Symbol in Frankfurt dpa

Euro-Symbol in Frankfurt

Bei ihrem zweiten Zinsschritt im September legten die EZB mit 0,75 Prozentpunkten deutlich nach.

Sie erklärte, dass bei der Beurteilung etwa der finanziellen Nachhaltigkeit eines Staates, dessen Anleihen unter TPI gekauft werden, auch politische Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Aus ihrer Sicht ist es aber möglich, durch die Vielfalt der Stimmen im EZB-Rat, in dem auch die Chefs nationaler Notenbanken aus dem Euro-Raum vertreten sind, einseitige Entscheidungen zu vermeiden.

Außerdem werde die EZB auch Analysen anderer Institutionen wie etwa des Internationalen Währungsfonds (IWF) berücksichtigen. Auf die Frage, ob es nicht besser für die Unabhängigkeit der EZB sei, diese politischen Fragen ganz den politischen Institutionen zu überlassen, entgegnete sie: „Es ist entscheidend für unsere Unabhängigkeit, dass wir selbst die Entscheidungen treffen.“

Lagarde: Haben Inflation unterschätzt

Lagarde erklärte zudem, ihren Zinserhöhungskurs im Kampf gegen die Inflation fortzusetzen: „Wir müssen mittelfristig die Inflation zurückbewegen auf zwei Prozent, und wir werden tun, was wir tun müssen, nämlich die Zinssätze in den nächsten Sitzungen weiter anheben.“

Wenn die Notenbank dies nicht mache, würde dies die Wirtschaft viel mehr treffen. „Unser primäres Ziel ist nicht, Wachstum zu verringern“, sagte sie. „Unser primäres Ziel ist Preisstabilität.“ Das müsse die EZB erreichen. Die Notenbank hatte im Juli die Zinswende eingeleitet und dabei erstmals seit 2011 die Schlüsselsätze nach oben gesetzt. Die Leitzinsen wurden um 0,50 Prozentpunkte erhöht.

Bei ihrem zweiten Zinsschritt im September legte sie mit 0,75 Prozentpunkten sogar noch deutlicher nach: Der Leitzins liegt damit inzwischen bei 1,25 Prozent. Der sogenannte Einlagensatz, der aktuell der maßgebliche Zinssatz an den Finanzmärkten ist, beträgt inzwischen 0,75 Prozent.

Lagarde gab zu, dass die EZB die Inflation anfänglich bei ihren Prognosen unterschätzt habe. Sie fügte aber hinzu: „Das ist fast allen Prognostikern so ergangen, vielleicht, weil wir alle dieselben Modelle benutzen.“

Die Preise würden im Euro-Raum zu 60 Prozent von der teuren Energie getrieben, in den USA sei dieser Anteil nur etwa halb so hoch. Jetzt gehe es darum, eine Verfestigung der Inflation zu verhindern. Lagarde sagte: „Die Leute, die bei Gehaltsverhandlungen am Tisch sitzen, müssen die Gewissheit haben, dass die Inflation auf mittlere Sicht zu ihrem Zielwert von zwei Prozent zurückkehrt.“

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