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10.12.2020

14:17

Geldpolitik

Klimaschützer kritisieren EZB: Die Notenbank soll endlich Umweltziele berücksichtigen

Von: Frank Wiebe

Eine Protestaktion in Frankfurt will die Notenbanker aufrütteln. Es fließe deutlich zu viel Geld in Öl-, Gas- und Autoindustrie.

Klima-Aktivisten nutzen die Fassade der Europäischen Zentralbank für ihren Protest. Sie verlangen von den Notenbankern mehr Einsatz für den Klimaschutz. imago images/Jörg Halisch

EZB in Frankfurt

Klima-Aktivisten nutzen die Fassade der Europäischen Zentralbank für ihren Protest. Sie verlangen von den Notenbankern mehr Einsatz für den Klimaschutz.

Frankfurt Groß prangt die blaue Schrift unter einer stilisierten Weltkugel an der düsteren Fassade der Europäischen Zentralbank (EZB): „Kill CO₂VID, Not Our Climate.“ Eine Handvoll Aktivisten der Gruppe Koala-Kollektiv projiziert den Protest vom gegenüberliegenden Mainufer aus auf den gewaltigen, zurzeit weitgehend leeren Glasklotz der Notenbank. Wenig später können Passanten an der Kaimauer unterhalb des Gebäudes im Frankfurter Osten lesen „#ECB Fossil Free“.

Die Aktion prangert an, dass die Notenbank beim Kauf von Unternehmensanleihen nach wie vor keine Klimakriterien berücksichtigt. „EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat bisher nur Lippenbekenntnisse geliefert, jetzt müssen Taten folgen“, fordert Koala-Sprecherin Kerstin Kreß.

Nach Ansicht der Klimaschützer sollte die EZB klimaschädliche Aktivitäten nicht weiter fördern. „Damit hat die EZB die historische Chance, gleichzeitig zur Lösung von zwei großen Krisen, Covid und dem Klimawandel, beizutragen“, fügt Kreß hinzu. Sie verweist dabei auf eine Argumentation, die zuletzt häufig von Lagarde selbst und der deutschen EZB-Direktorin Isabel Schnabel zu hören war: dass Klimarisiken Einfluss auf die Stabilität der Preise haben und damit zum Mandat der Notenbank gehören.

Die Organisation mit Namen Koala besteht aus rund 20 Personen, die öffentlichen Protest organisieren. „Im Oktober haben wir schon eine Weltkugel vor der EZB verbrannt“, schildert Kreß. Koala arbeitet eng mit anderen Organisationen wie Urgewald zusammen und verweist auf Studien von 350.org und Reclaim Finance.

Die Bedeutung einer Greenpeace-Studie vom Juni stellt Koala vor allem heraus. Danach habe die EZB seit Ausbruch der Coronakrise rund 2,4 Milliarden Euro in die Öl- und Gasindustrie sowie 4,4 Milliarden in Versorger investiert. Hinzu kommen weitere Investitionen in Höhe von 5,6 Milliarden Euro in verschiedene Bereiche wie Zementherstellung und Autobau, die ebenfalls als problematisch eingestuft werden.

Dilemma zwischen Klimaschutz und Marktneutralität

Direkt genannt werden dabei Firmen wie Shell, Total, Eni, Respol, OMV, Eon, Airbus, Daimler und Peugeot. In einer Studie vom Oktober spricht Greenpeace ebenfalls von einer „Unwucht“ zugunsten klimaschädlicher Unternehmen.

Tatsächlich: EZB-Chefin Lagarde spricht das Klima-Thema selbst sehr häufig an, ohne bisher deshalb konkrete Handlungen daraus abzuleiten. Denn zunächst verweisen die Notenbankverantwortlichen darauf, dass in erster Linie die Politik gefragt sei, mit Regulierung und Anreizen wie einer Bepreisung von C02-Ausstoß den Klimawandel zu bekämpfen. Dennoch bekennen sich sowohl Lagarde als auch Schnabel dazu, dass die EZB im Rahmen ihrer Möglichkeit helfen solle.

Doch die Notenbank befindet sich in einem Konflikt. Denn es gilt weiterhin der Grundsatz der Marktneutralität: Danach sollte die Notenbank bei ihren Eingriffen in den Kapitalmarkt niemanden bevorzugen oder benachteiligen. Darauf weist zum Beispiel Bundesbank-Präsident Jens Weidmann immer wieder hin.

Wie also könnte ein Kompromiss aussehen? Eine Möglichkeit wäre, dass die EZB bei ihren Käufen, die de facto überwiegend von den angeschlossenen nationalen Notenbanken wie in Deutschland der Bundesbank getätigt werden, die Taxonomie der jeweiligen Klimaschädlichkeit von Firmen und Branchen verwendet, die gerade von der Europäischen Union ausgearbeitet wird.

Mit so einer Einteilung könnte die EZB dann davon entbunden werden, selbst über den Ausschluss bestimmter Unternehmen zu entscheiden, was möglicherweise ihre Kompetenz überschreiten würde. Lagarde hat am Donnerstag selbst auf diese Taxonomie hingewiesen.

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