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23.03.2023

14:27

Geldpolitik

Türkische Zentralbank senkt Leitzins nach Erdbeben nicht noch einmal

Der Leitzins wird damit bei 8,5 Prozent belassen. Ökonomen kritisieren das türkische Vorgehen gegen die Inflation schon seit dem vergangenen Jahr.

Das Land wurde von schweren Erdbeben erschüttert. Reuters

Türkei

Das Land wurde von schweren Erdbeben erschüttert.

Ankara Die türkische Zentralbank hat ihren Leitzins nach dem verheerenden Erdbeben nicht weiter gesenkt. Er werde bei 8,5 Prozent bleiben, teilten die Währungshüter am Donnerstag mit. Im Februar hatten sie kurz nach dem schweren Erdbeben im Südosten des Landes ihre Geldpolitik gelockert und den Leitzins von 9,0 auf das aktuelle Niveau von 8,5 Prozent gedrückt.

In ihrer Begründung nannten die Notenwächter in Ankara unter anderem Rezessionssorgen in Industrieländern aufgrund geopolitischer Risiken und der jüngsten Zinserhöhungen, wie etwa zuletzt von der US-Notenbank Fed. Die Finanzmärkte spiegelten nach Auffassung der Mitglieder des geldpolitischen Rats die Erwartung wider, dass die Zentralbanken ihre Zinserhöhungszyklen bald beenden könnten.

Frühindikatoren vor der Jahrhundertkatastrophe wiesen darauf hin, dass im ersten Quartal 2023 die Inlandsnachfrage lebhafter als die Auslandsnachfrage und der Wachstumstrend aufwärts gerichtet sei. „Um die Wachstumsdynamik der Industrieproduktion und den positiven Trend bei der Beschäftigung nach dem Erdbeben aufrechtzuerhalten, ist es noch wichtiger geworden, die finanziellen Bedingungen günstig zu halten“, sagten die Notenwächter.

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen gehen davon aus, dass die Zinsen im Jahresverlauf angesichts der starken Inflation steigen dürften. Allerdings dürfte der Zinskurs auch vom Ergebnis der für den 14. Mai angesetzten Wahlen abhängen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich wiederholt als „Zinsfeind“ bezeichnet und die Notenbank dazu gedrängt, ihre Zinsen zu senken.

„Die Zentralbank scheint derzeit eine abwartende Politik zu verfolgen“, heißt in einer Analyse von Oyak Securities zur Zinsentscheidung vom Donnerstag. Die Notenwächter hätten nach Meinung der Oyak-Experten festgestellt, dass die finanziellen Bedingungen nach der verheerenden Erdbebenserie Anfang Februar vorerst ausreichend seien.

„Dadurch wird die Zentralbank wahrscheinlich der Schaffung angemessener finanzieller Bedingungen Vorrang einräumen, um die Auswirkungen der Katastrophe zu minimieren.“ Angesichts der jüngsten Kapitalspritzen in staatseigenen Banken scheine es wahrscheinlich, „dass die ultralockere Geldpolitik noch eine Weile anhalten wird“.

Stützungskäufe: Der Wechselkurs ist fast stabil

Im vergangenen Jahr senkte die Zentralbank ihren Leitzins in mehreren Schritten von 14,0 auf 9,0 Prozent, um dem Konjunkturabschwung entgegenzuwirken. Die meisten Ökonomen halten das aber für das falsche Rezept angesichts einer Inflationsrate von zeitweise 85 Prozent. Im vergangenen Monat lag sie noch bei 55 Prozent.

Gleichzeitig stützt die Türkische Zentralbank mutmaßlich mit Hunderten Millionen US-Dollar den Wechselkurs der türkischen Lira. Diese Kombination aus hoher Inflation und relativ stabilem Wechselkurs macht die Landeswährung in realen Werten gemessen sehr teuer.

Dadurch verteuern sich Exporte, Importe werden dafür relativ gesehen günstiger. Und in der Regel steigt die Kaufkraft der Menschen im Land.

Mitte Mai finden in der Türkei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Umfragen zufolge liefern sich Staatschef Erdogan und sein Herausforderer, Kemal Kilicdaroglu von der CHP, ein enges Rennen.

Im vergangenen Monat hatte die Bank den Leitzins um weitere 0,5 Prozentpunkte gesenkt, um die Industrieproduktion und die Beschäftigung anzukurbeln, nachdem die Erdbeben mehr als 50.000 Menschen getötet und Millionen obdachlos gemacht hatten. Wirtschaftsverbände und Ökonomen haben erklärt, dass der Wiederaufbau von Wohnungen und Infrastruktur bis zu 100 Milliarden Dollar kosten könnte. Das Wirtschaftswachstum dürfte durch die Katastrophe in diesem Jahr um ein bis zwei Prozentpunkte geschmälert werden.

„Die Auswirkungen des Erdbebens auf die Produktion, den Verbrauch, die Beschäftigung und die Erwartungen werden derzeit eingehend untersucht“, betonte die Notenbank nun. „Es wird erwartet, dass das Erdbeben zwar kurzfristig die Wirtschaftstätigkeit beeinträchtigen wird, mittelfristig aber keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistung der türkischen Wirtschaft haben wird.“

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