Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

03.08.2022

12:20

Halbjahreszahlen

Vonovia beugt sich dem Druck der Investoren – und macht Druck auf die Politik

Von: Kerstin Leitel

Der Wohnungskonzern will mit Verkäufen seine Schulden drücken. Zugleich mahnt Vonovia-Chef Rolf Buch weitere Energiesparmaßnahmen in Berlin an.

Die Wohnungsgesellschaft Vonovia war im Juli mit der Ankündigung in die Kritik geraten, die Heiztemperatur in ihren Wohnungen abzusenken. imago images/Jürgen Ritter

Wohnungssanierung im Berliner Wedding

Die Wohnungsgesellschaft Vonovia war im Juli mit der Ankündigung in die Kritik geraten, die Heiztemperatur in ihren Wohnungen abzusenken.

Frankfurt Die Aktie des Wohnungsriesen Vonovia reflektiert den Unmut der Investoren: Seit Jahresbeginn hat das im Dax notierte Papier überdurchschnittlich verloren. Nun reagiert Konzernchef Rolf Buch: Er kündigte an, sich in den kommenden Jahren von Immobilien mit einem Volumen von rund 13 Milliarden Euro zu trennen.

Auch die Pflegeheimsparte der Tochter Deutsche Wohnen steht zum Verkauf, wie das Handelsblatt bereits vor einigen Wochen berichtet hatte. Und schon zu Jahresbeginn hatte Vonovia angekündigt, selbst gebaute Wohnungen verstärkt zu verkaufen, statt in den eigenen Bestand zu nehmen.

Vonovia will sich zudem für Gemeinschaftsunternehmen mit Investoren öffnen. Mit den daraus erhofften Erlösen sollen die – vor allem durch die Übernahme von Deutscher Wohnen deutlich gestiegenen – Schulden abgebaut werden.

Damit beugt sich Vonovia-Chef Buch dem Wunsch der Investoren, die den Verschuldungsgrad (LTV) von nunmehr 43,3 Prozent angesichts der steigenden Zinsen kritisch gesehen hatten. Auch Aktienrückkäufe erwägt man. Zukäufe seien in diesem Jahr hingegen keine geplant, teilte der Konzern mit, der durch zahlreiche Übernahmen zum größten Immobilienunternehmen in Deutschland und Europa aufgestiegen war.

Dass man den Anteil an dem angeschlagenen Immobilien-Konzern Adler Group aufstockt, dürfte auch auszuschließen sein: Wegen des gesunkenen Adler-Aktienkurses musste Vonovia die Beteiligung im Halbjahr um rund 160 Millionen Euro abwerten. Wenn man sich den Kurs der Adler-Aktie anschaue, könne man „natürlich nicht zufrieden“ sein mit dem Engagement, sagte Buch.

Stabiles Geschäft trotz unruhiger Zeiten

Der Dax-Konzern ist mit rund 20,5 Prozent an Adler beteiligt und damit größter Aktionär des Unternehmens, das sich seit Monaten gegen Vorwürfe wegen Betrug, Täuschung und finanzieller Falschdarstellung wehrt. Adler bestreitet diese Vorwürfe. Vor wenigen Tagen teilte die Finanzaufsicht Bafin mit, dass die Bilanz des Jahres 2019 der deutschen Tochter Adler Real Estate AG fehlerhaft sei.

Es seien unruhige Zeiten, sagte Vonovia-Chef Buch bei der Präsentation der Halbjahreszahlen vor Journalisten mit Verweis auf die anhaltend hohe Inflation und den Ukrainekrieg – doch das Geschäft laufe stabil: Im ersten Halbjahr 2022 legte der operative Gewinn (FFO) um 36 Prozent auf 1,06 Milliarden Euro zu, nicht zuletzt dank der Übernahme der Deutschen Wohnen. Der Umsatz erhöhte sich in den ersten sechs Monaten um knapp 35 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro.

Grafik

Auch der Wert der Immobilien – ausgedrückt im Nettovermögen (EPRA NTA) – zog gegenüber Ende 2021 um 2,1 Prozent an auf rund 49,8 Milliarden Euro. Die Miete stieg per Ende Juni im Schnitt auf 7,44 Euro pro Quadratmeter, das entspricht einem Plus von zwei Prozent zum Vorjahr.

Die Prognose für 2022 könne man angesichts der guten Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr bestätigen, hieß es. An der Börse zeigte man sich erfreut: Die Aktie, die seit Jahresbeginn ein Drittel ihres Wertes eingebüßt hatte, stand am Mittwoch auf der Gewinnerseite.

Forderung nach gesetzlichem Rahmen für Energieeinsparungen

Angesichts der zuletzt drastisch gestiegenen Energiekosten hatte der Konzern kürzlich angekündigt, die Heizungstemperatur der Gas-Zentralheizungen in den Vonovia-Wohnungen in der Nacht abzusenken. Die Leistung werde zwischen 23 und 6 Uhr auf nun einheitliche 17 Grad Raumtemperatur reduziert, dadurch könnten bis zu acht Prozent des Heizaufwands eingespart werden.

Nach der Ankündigung der Maßnahme bei Vonovia Anfang Juli habe es ein „Tohuwabohu“ gegeben, berichtete der Vonovia-Chef nun, aber man handele im Rahmen des gesetzlich Möglichen. Schließlich schütze man auch die Mieterinnen und Mieter, die letztlich die Energiekosten bezahlen müssten. Er könne sich auch dem Ruf von LEG-Chef Lars von Lackum nach weiteren Maßnahmen anschließen, sagte der Vonovia-Manager.

Von Lackum hatte im Gespräch mit dem Handelsblatt gewarnt, dass man nichts davon habe, „wenn wir es privat alle warm haben, aber niemand mehr zur Arbeit geht, weil die Firmen reihenweise die Produktion einstellen“. Man müsse in der derzeitigen Kriegssituation der Bevölkerung in Deutschland klarmachen, dass jetzt Verzicht angesagt sei. „Und das wird ein Wärmeverzicht sein – das muss man klar politisch aussprechen“. Die Aussagen hatten bundesweit für hitzige Debatten gesorgt.

Der Bochumer Konzern ist bei Weitem nicht der einzige Wohnungskonzern, der derartige Maßnahmen ergriff: In ganz Deutschland haben Vermieter ihre Mieter vor einem Preisschock bei der bevorstehenden Nebenkostenabrechnung gewarnt, die Heizungsanlagen überprüft und die monatlichen Abschlagszahlungen erhöht.

So hat beispielsweise auch die kommunale Gesellschaft Saga aus Hamburg, die 130.000 Wohnungen bewirtschaftet, nach eigenen Angaben die Abschlagszahlungen erhöht und die Vorlauftemperaturen der Heizungsanlagen dahingehend eingestellt, dass die maximal möglichen Raumtemperaturen reduziert und dadurch die Verbräuche gesenkt werden – natürlich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, wie man betont.

Der nordrhein-westfälische Vermieter Vivawest ging sogar noch einen Schritt weiter: Hier wurden die Heizungsanlagen für den Sommer gleich komplett abgeschaltet, „wo es möglich war und ein relevanter Einspareffekt zu erwarten ist“, wie ein Sprecher des Konzerns mit über 120.000 Wohnungen im Portfolio auf Anfrage mitteilte.

Viele Menschen seien in großer Sorge, die aufgrund der aktuellen Energiekrise gestiegenen Kosten für das Heizen nicht mehr tragen zu können, betonte Vonovia-Chef Buch nun. Man handele deswegen vor allem im Interesse der Mieter.

Nach seiner Einschätzung könnten wegen der höheren Energiekosten Nachzahlungen in Höhe von bis zu zwei Monatsmieten auf die Mieterinnen und Mieter zukommen. Diese Summe könnte manche vor große Probleme stellen. Er selbst habe bei sich zu Hause auch die Heizung runtergedreht, berichtete Buch.

Vonovia werde zwar gemeinsam mit den Mietern eine Lösung finden, wenn sich jemand seine Wohnung wegen erhöhter Heiz- und Warmwasserkosten nicht mehr leisten könne, wie schon in der Coronapandemie. Doch letztlich sei die Politik gefordert, weitere Sparmaßnahmen zu ermöglichen.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×