Die Behörden durchsuchen die Bochumer Zentrale des Dax-Konzerns wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Ermittelt werde gegen mehrere Mitarbeiter und ehemalige Beschäftigte.
Vonovia-Zentrale in Bochum
Der Immobilienkonzern wird auch für seine Entscheidung kritisiert, alle Neubauprojekte für dieses Jahr auf Eis zu legen.
Bild: imago images/Ina Fassbender
Frankfurt Ermittler haben am Dienstag die Zentrale des größten deutschen Wohnungskonzerns Vonovia durchsucht. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen dem Verdacht eines möglichen Korruptionsskandals nach, wie der Dax-40-Konzern mitteilte. „Heute haben die Ermittlungsbehörden bei uns Unterlagen eingesehen, da zum Schaden von Vonovia offenbar der Verdacht von mutmaßlich problematischen Vorgängen bei der Vergabe von Aufträgen an Nachunternehmer besteht“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens in Bochum.
Die Staatsanwaltschaft Bochum teilte dem Handelsblatt mit, zusammen mit dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen und den Finanzämtern für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Düsseldorf, Bochum und Münster ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Wohnungsunternehmen zu führen, die in Bochum und Süddeutschland ansässig seien.
Grund sei „der Verdacht der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, der Untreue, des Betrugs und anderer Straftaten gegen mehrere (ehemalige) Mitarbeiter des in Bochum ansässigen Wohnungsunternehmens, Personen aus deren Umfeld sowie Verantwortliche mehrerer Unternehmen, die mit dem Wohnungsunternehmen in Geschäftsverbindung stehen beziehungsweise standen“.
Vonovia hat nach eigenen Angaben jetzt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte mit einer unabhängigen Untersuchung beauftragt, wie das Unternehmen am Abend mitteilte. Erste personelle Maßnahmen seien bereits ergriffen worden und es werde auch Anzeige gegen Beschuldigte erstattet, kündigte der Dax-Konzern an.
Die Verdächtigen seien nach bisherigen Erkenntnissen „höchstens dem mittleren Management zuzuordnen“, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Diese hätten offenbar „für das Wohnungsunternehmen tätige Unternehmen bei der Auftragsvergabe bevorzugt und dafür als Gegenleistung Geld oder Sachleistungen erhalten“. Auch gehe es um überhöhte Abrechnungen. Die so erlangten Gelder „sollen anschließend zwischen den Beschuldigten aufgeteilt worden sein“. Nach dem Wechsel eines Beschuldigten zu einem süddeutschen Wohnungsunternehmen sollen die Verdächtigen der Staatsanwaltschaft zufolge bei dortigen Ausschreibungen wettbewerbsbeschränkende Absprachen getroffen haben, um so die Auftragsvergabe an ein bestimmtes Unternehmen zu erwirken. Laut Staatsanwaltschaft wurden vier Haftbefehle vollstreckt. Weitere Details wollte die Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund laufender Ermittlungen nicht nennen.
Bei dem zweiten Immobilienunternehmen handelt es sich um den Stuttgarter Wohnimmobilien-Investor GWG, der ebenfalls von Durchsuchungen wegen Korruptionsverdachts betroffen war. „Als möglicherweise geschädigtes Unternehmen kooperieren wir selbstverständlich vollumfänglich mit den Behörden und sind an einer umfassenden Klärung des Sachverhalts interessiert“, sagte eine GWG-Sprecherin.
Auch Vonovia sieht sich als Opfer und erklärte, es kooperiere als Geschädigte vollumfänglich mit den Behörden und gewähre ihnen Zugang zu den notwendigen Unterlagen. „Wir sind sehr an einer schnellen und umfassenden Klärung der Vorwürfe interessiert“, betonte die Sprecherin.
„Wir sind erschüttert. Offenbar haben sich einzelne Mitarbeiter bei unseren Tochterunternehmen zum Schaden von Vonovia bestechen lassen – das ist nicht akzeptabel“, erklärte Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch.“ Als Erstes hatten der WDR und die „Süddeutsche Zeitung“ über die Razzia berichtet.
Im Rahmen der Ermittlungen wurden laut Staatsanwaltschaft am Dienstag in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen mehr als 40 Objekte durchsucht und vier Haftbefehle vollstreckt. Weitere Details könnten nicht mitgeteilt werden. Die Anleger reagierten schockiert auf die Nachricht: Die Vonovia-Aktie sackte zeitweise um rund fünf Prozent ab, erholte sich im Handelsverlauf aber wieder etwas.
Vonovia ist Europas größtes privates Wohnungsunternehmen – und damit ein wichtiger Auftraggeber in der Branche. Der Konzern besitzt knapp 550.000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich. Hinzu kommen rund 72.400 verwaltete Wohnungen.
Für die Modernisierung und Instandhaltung der Gebäude investiert Vonovia jedes Jahr Milliarden. Allein in diesem Jahr sah der Konzern ursprünglich Investitionen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro für energetische Modernisierung, Wohnwertverbesserung und Neubau vor, bevor er die Pläne wegen der schwierigen Situation am Immobilienmarkt deutlich zusammenstrich.
Für Vonovia kommen die Ermittlungen zu einem heiklen Zeitpunkt. Der Konzern wird am 17. März seine vorläufigen Jahreszahlen vorlegen und war zuletzt in die Kritik geraten, weil er angekündigt hatte, wegen der gestiegenen Finanzierungskosten alle seine Neubauprojekte im laufenden Jahr auf Eis zu legen.
Mieterinitiativen kritisieren das Unternehmen schon länger wegen zu hoher Mieten. Die Gewerkschaft IG Bau forderte unlängst, Vonovia zu enteignen. In die Kritik geriet das Unternehmen zudem, als die Geschäftsführung trotz des Wohnungsmangels in Deutschland ankündigte, im laufenden Jahr keine Neubauprojekte mehr zu beginnen.
Als Grund nannte Vonovia vor allem gestiegene Kosten und eine unsichere Lage bei den Förderbedingungen des Bundes. Man habe aber die Entwicklungsarbeiten nicht eingestellt, sondern strebe weiterhin Baugenehmigungen an, um startbereit zu sein, sobald die Rahmenbedingungen wieder passen. Außerdem will der Konzern künftig stärker auf Fertigteile, modulares Bauen und serielle Holz-Hybrid-Bauweise setzen, wozu auch die Beteiligung am Start-up Gropyus dient.
Die Engpässe am Wohnungsmarkt machen die Situation für viele Handwerksbetriebe und Mieter schwierig – und machen Betroffene offensichtlich anfällig für Bestechungsvorschläge. So ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt auch in mehreren Fällen wegen Korruption bei der Vergabe von Wohnungen gegen Mitarbeiter der mehrheitlich städtischen Frankfurter Wohnungsgesellschaft ABG sowie gegen Vermittler und Mieter.
Mitarbeiter werden verdächtigt, sich der bevorzugten Vergabe von ABG-Mietwohnungen gegen Schmiergeldzahlungen schuldig gemacht zu haben. Nach einem Hinweis auf eine mögliche Vorteilsnahme habe die Wohnungsgesellschaft unmittelbar eine Anzeige gestellt.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×