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28.06.2022

15:47

Immobilienkonzern

Evergrande droht nach Konkursantrag die Abwicklung – doch der Konzern wehrt sich

Von: Sabine Gusbeth

Der überschuldete Immobilienkonzern sieht den Konkursantrag eines Gläubigers als unbegründet. Allerdings gefährdet dieser Antrag die geplante Restrukturierung.

Der Konzern hat 300 Milliarden Dollar Schulden. Reuters

Evergrande-Center in Schanghai

Der Konzern hat 300 Milliarden Dollar Schulden.

Peking Der angeschlagenen China Evergrande Group droht die Abwicklung, nachdem ein Gläubiger in Hongkong einen Konkursantrag gestellt hat. Wie der zweitgrößte Bauträger Chinas am Dienstag mitteilte, habe ein Unternehmen namens Top Shine Global Klage eingereicht, weil Evergrande einer finanziellen Verpflichtung in Höhe von umgerechnet 110 Millionen US-Dollar nicht nachgekommen ist.

Der Antrag sei am Freitag beim Obersten Gerichtshof von Hongkong eingegangen. Es handelt sich um den ersten offiziell registrierten Abwicklungsantrag gegen den chinesischen Immobilienentwickler, der Verbindlichkeiten in Höhe von 300 Milliarden US-Dollar hat.

In der Börsenmitteilung teilte das Evergrande-Management mit, es werde „energisch“ gegen den Antrag vorgehen und rechne nicht damit, dass dieser sich auf die Umstrukturierungspläne oder den Zeitplan auswirken werde. Das Unternehmen will bis Ende Juli einen vorläufigen Restrukturierungsplan vorlegen. Sollte es zu einem Konkursverfahren kommen, sei die Veräußerung von Vermögenswerten nur nach der Freigabe durch das Gericht möglich, hieß es in einer Pflichtmitteilung.

Experten zufolge sind die Auswirkungen des Gläubigerantrags noch unklar. Durch die Pflicht zur Adhoc-Mitteilung an der Hongkonger Börse habe Evergrande den Fremdantrag öffentlich machen müssen – „ein Vorgehen, das die Verantwortlichen bei Evergrande mit Blick auf die angestrebte Anleihe-Restrukturierung sicherlich gerne vermieden hätten“, sagt Elske Fehl-Weileder, Expertin für das chinesische Insolvenzrecht bei der Kanzlei Schultze & Braun.

Denn in aller Regel genüge für Banken schon die Tatsache, dass ein Insolvenzantrag gestellt wurde, um Kredite kündigen zu können, erklärte Fehl-Weileder. Der jetzt erfolgte Gläubigerantrag könne durch seine mittelbaren Auswirkungen für die Evergrande-Gesellschaft also „die geplante Anleihen-Restrukturierung beeinflussen, wenn nicht gar gefährden“, so die Expertin.

Evergrande-Aktie seit Ende März vom Handel ausgesetzt

Evergrande hatte in den vergangenen Monaten Zinsen für Auslandsanleihen nicht mehr bedienen können. Ratingagenturen werteten dies als teilweisen Zahlungsausfall. Auch über die Rückzahlung einer im April final fällig gewordenen Offshore-Anleihe mit einem Volumen von zwei Milliarden Dollar gibt es bislang keine Informationen. Bei ausländischen Investoren steht Evergrande mit rund 20 Milliarden Dollar in der Kreide. 

Evergrande kommuniziere „aktiv“ mit den Gläubigern, teilte der Konzern mit. Allerdings kritisierten diese in der Vergangenheit immer wieder die mangelnde Transparenz und Kommunikation des Evergrande-Managements. 

Die Aktie ist seit dem 21. März auf Wunsch des Unternehmens vom Handel an der Börse Hongkong ausgesetzt. Als Grund nannte Evergrande damals, dass der Jahresabschluss nicht fristgerecht vorgelegt werden könne. Gemäß den Statuten der Hongkonger Börse können Aktien zunächst bis zu 18 Monate vom Handel ausgesetzt bleiben. Dann beginnt eine Übergangsfrist, in der die Regulatoren prüfen, ob das Unternehmen eine Wiederaufnahme des Handels plant und entsprechende Schritte dazu unternimmt. Falls nicht, können sie ein Delisting initiieren.

Die Sorge vor einer Pleite des Konzerns beunruhigte im vergangenen Jahr die globalen Finanzmärkte, weil Erinnerungen an den Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers und den Ausbruch der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 wach wurden.

Als größtes Risiko im Zusammenhang mit der Schieflage des Konzerns gilt jedoch, dass Chinas private Haushalte ihren Glauben an Immobilien als werterhaltende Anlageklasse verlieren. Rund drei Viertel des Vermögens der Bürger der Volksrepublik stecken Schätzungen zufolge in Immobilien.

Ihre Investitionen waren die Grundlage für den Bauboom der vergangenen zwei Jahrzehnte und ein maßgeblicher Treiber des Wirtschaftswachstums. Der Immobiliensektor trug zuletzt direkt und indirekt rund ein Drittel zur chinesischen Wirtschaftsleistung bei.

Doch aus Sorge vor einer Überhitzung des Immobiliensektors hatte die Staatsführung 2020 die Kreditanforderungen für verschuldete Baukonzerne erhöht. Infolgedessen gerieten zahlreiche Immobilienunternehmen, darunter auch Evergrande, in Zahlungsnot. 

Zuletzt hat sich die Krise auf dem Immobilienmarkt weiter verschärft, weil potenzielle Käufer infolge der Lockdowns und der eingetrübten Wachstumsaussichten sparen. Im April und Mai waren Immobilienverkäufe deutlich rückläufig.

In mehr als der Hälfte der 70 größten Städte sind die Preise für neue Wohnungen zuletzt gesunken. Die chinesische Zentralbank versuchte Ende Mai, mit der größten Zinssenkung seit 2019 den Markt zu stützen.

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