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23.12.2022

11:51

Immobilienmarkt

Immobilienpreise für Häuser und Wohnungen steigen kaum noch

Von: Carsten Herz

Trotz steigender Bauzinsen und Inflation wurden Häuser und Wohnungen im dritten Quartal noch einmal teurer. Doch der Anstieg schwächt sich drastisch ab. Es zeigt: Der Markt steht vor einem Umbruch.

Immobilienpreise steigen kaum noch dpa

Neubauviertel in Frankfurt

Kräne arbeiten hinter neuen Mehrfamilienhäusern im Europaviertel von Frankfurt. Die Branche stellt sich darauf ein, dass die Immobilienpreise zurückgehen.

Frankfurt Der Anstieg der Immobilienpreise in Deutschland hat sich angesichts steigender Bauzinsen und Inflation im Jahresvergleich drastisch abgeschwächt. Nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts vom Donnerstag sind die Preise für Wohnimmobilien im dritten Quartal so langsam gestiegen wie seit sieben Jahren nicht mehr.

Sie erhöhten sich von Juli bis September um durchschnittlich 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie das Bundesamt mitteilte. Im zweiten Quartal hatte es noch einen fast doppelt so starken Anstieg von 9,7 Prozent gegeben, im ersten Quartal lag das Plus noch bei 11,6 Prozent. Gemessen am Vorquartal waren Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser im dritten Quartal sogar im Schnitt 0,4 Prozent günstiger zu haben.

Der Preisanstieg gegenüber dem Vorjahresquartal war sowohl in den Städten als auch in ländlichen Regionen allerdings deutlich schwächer als in den Quartalen zuvor. Die größten Anstiege gab es in den dünn besiedelten ländlichen Kreisen: Hier erhöhten sich die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser um 7,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, Eigentumswohnungen verteuerten sich um 7,4 Prozent.

Immobilienpreise: Immobilienmarkt steht vor einem Umbruch

In den sieben größten Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf) kletterten die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser um durchschnittlich 6,2 Prozent nach oben. Bei Eigentumswohnungen lag der Zuwachs bei 5,0 Prozent.

Am schwächsten fiel der Preisanstieg im dritten Quartal für Ein- und Zweifamilienhäuser mit einem Plus von 1,8 Prozent in den städtischen Kreisen aus. Für Wohnungen musste in diesem Zeitraum in städtischen Kreisen 4,5 Prozent mehr bezahlt werden als im Vorjahresquartal.

Die Zahlen legen offen, dass der Markt vor einem Umbruch steht. Nach Einschätzung des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP) dürften die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland weiter sinken. Es gebe klare Anzeichen für eine Trendwende, sagte VDP-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt jüngst in Frankfurt.

Ein Einbruch der Preise sei aber nicht zu erwarten, denn der Bedarf an Wohnraum bleibe hoch, und der deutsche Immobilienmarkt sei auch in früheren Wirtschaftskrisen robust geblieben. Verbandspräsident Georg Reutter hielt es für möglich, dass der Immobilienmarkt bereits in der zweiten Jahreshälfte 2023 ein neues Gleichgewicht findet.

Wissenschaftler erwarten Rückgänge bei Immobilienpreisen um zehn Prozent

Die hohe Inflation, gestiegene Hypothekenzinsen und deutlich angezogene Baukosten haben die Nachfrage nach Immobilien in Deutschland zuletzt klar gebremst. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält im kommenden Jahr einen Rückgang der Wohnimmobilienpreise um bis zu zehn Prozent für möglich. Die DZ Bank erwartet 2023 ein Minus von bis zu sechs Prozent.

Vor allem der Anstieg der Kreditzinsen, die sich seit Jahresbeginn mehr als verdreifacht haben, lässt den finanziellen Spielraum der Käufer sinken und einige Interessenten von einem Kauf abrücken.

„Die Anzahl der im Markt befindlichen Immobilien ist deutlich gestiegen“, sagte jüngst Stephan Kippes, Marktforscher des Immobilienverbands IVD Süd – in manchen Regionen habe diese sich verdoppelt.

Ursache des größeren Angebots sei jedoch nicht, dass sehr viel mehr gebaut worden wäre, sondern dass es länger dauere, bis Käufer gefunden sind. Der Immobilienfinanzierer Dr. Klein geht davon aus, dass es noch mindestens ein halbes Jahr dauern werde, bis sich das Preisgefüge wieder zurechtgeruckelt habe.

Denn die Experten erwarten, dass sich bei den Bauzinsen keine dauerhafte Entspannung zeigen wird. „Die Baufinanzierungszinsen werden nicht wieder auf das extrem niedrige Niveau der letzten Jahre zurückfallen – die Zeiten des billigen Baugelds von einem Prozent oder weniger sind vorbei“, sagt Michael Neumann, Vorstandschef bei Dr. Klein, voraus. „Derzeit gehe ich davon aus, dass wir mit weiterhin steigenden Zinsen rechnen müssen.“

Der Bestzins für zehnjährige Zinsbindungen werde im Laufe des nächsten Jahres auf über vier Prozent steigen, lautet seine Prognose. So steile Anstiege wie 2022 erwartet Neumann jedoch nicht mehr – eher werde es Zickzack-Bewegungen geben, bei denen sich Rückgänge mit Anstiegen abwechselten.

Bauzinsen: Viele Immobilienkredite mit langfristiger Zinsbindung

Dennoch dürfte der Immobilienmarkt in Deutschland noch vergleichsweise stabil bleiben, erwarten die Wissenschaftler vom DIW. Der Anteil der Kredite mit einer längerfristigen Zinsbindung sei in Deutschland nach wie vor relativ hoch und eine um sich greifende Verschuldung der privaten Haushalte nicht abzusehen.

Zudem gingen die hohen Immobilienpreise vielerorts auf eine hohe Nachfrage bei gleichzeitig geringem Angebot zurück. In vielen deutschen Großstädten wachse die Bevölkerung wieder, während aufgrund der ungünstigeren Finanzierungsbedingungen, enorm gestiegener Baukosten und vielerorts auch personeller Engpässe zu wenige neue Wohnungen entstehen. In Großstädten wie Berlin, Düsseldorf und Köln sei die Zahl der fertiggestellten Wohnungen im vergangenen Jahr sogar gesunken.

Das Ziel der Bundesregierung, jährlich mindestens 400.000 neue Wohnungen zu bauen, um den Notstand zu beheben, rückt aus Sicht der Branche in immer weitere Ferne. Für 2022 geht der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) davon aus, dass rund 280.000 neue Wohnungen fertiggestellt werden. „Wir hatten vor anderthalb Jahren mal vermutet, es gibt noch 320.000.“ sagte ZDB-Präsident Reinhard Quast kürzlich. Für das kommende Jahr rechnet der ZDB mit 245.000 Fertigstellungen, was einen Rückgang von 12,5 Prozent bedeuten würde.

Erstpublikation: 22.12.2022, 09:40 Uhr.

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