PremiumIm Mai übernimmt Clara Streit den Vorsitz des Kontrollgremiums bei Vonovia. Doch die Korruptionsvorwürfe gegen Mitarbeiter überschatten den Start der bisherigen Compliance-Chefin.
Clara Streit
Die 54-Jährige will sich im Mai zur Vorsitzenden des Vonovia-Aufsichtsrats wählen lassen.
Bild: Vonovia
Frankfurt Es sah nach einem normalen Stabwechsel für Clara Streit aus. Im Mai dieses Jahres wird sich die erfahrene Wirtschaftsexpertin zur Wahl für den Aufsichtsratsvorsitz beim Dax-40-Konzern Vonovia stellen. Wenn die Aktionäre sie bei der Hauptversammlung wieder in das Kontrollgremium berufen, will dieses sie an die Spitze wählen. Sie wäre in dieser Funktion Nachfolgerin von Jürgen Fitschen, zuvor Co-Chef der Deutschen Bank.
Doch mit der unaufgeregten Nachfolge ist es diese Woche schlagartig vorbei. Denn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Polizei überschatten den Start von Clara Streit. Am Dienstag hatten Ermittler bundesweit Objekte des größten deutschen Wohnungskonzerns sowie bei der Immobiliengruppe GWG durchsucht. Der Verdacht: Mitarbeiter bei Tochterunternehmen haben sich bestechen lassen, damit bestimmte Handwerker Aufträge erhalten.
Für die designierte Aufsichtsratschefin ist das ein heikler Vorgang. Denn Streit ist seit März auch die neue Vorsitzende der Regierungskommission für Corporate Governance, also für gute Unternehmensführung. Ein Korruptionsfall im eigenen Haus ist daher für sie besonders unangenehm. Für Streit, die bislang eine Bilderbuchkarriere hingelegt hat, wird der Korruptionsverdacht damit zum ersten Härtetest.
Bisher ist Clara Streit in der Öffentlichkeit wenig in Erscheinung getreten. Dennoch gilt sie als eine der mächtigsten Frauen unter Deutschlands Aufsichtsräten.
Seit über zehn Jahren sitzt sie in diversen Aufsichts- und Verwaltungsräten, mal in den Niederlanden, dann in Italien, Portugal, aber auch in Deutschland. Auch bei der Deutschen Börse ist sie Aufsichtsrätin, im Kontrollgremium von Vonovia sitzt sie seit Juni 2013.
Zuvor war sie mehrere Jahre als Beraterin und Seniorpartnerin für McKinsey tätig. Nach der Jahrtausendwende mischte sie mit kritischen Analysen die selbstzufriedene Frankfurter Bankenlandschaft auf.
Streit stieg damals rasant auf, führte als einzige Frau unter männlichen Seniorpartnern die Finanzdienstleistungspraxis, arbeitete sich bis zur Seniorpartnerin hoch, bevor sie ihren Beraterposten im Jahr 2012 aufgab, um mit Ehemann Raul Galamba de Oliveira eine Familie zu gründen und sich in Vollzeit auf ihre Aufsichtsratsmandate zu konzentrieren. Seither hat sich die Betriebswirtin mit Abschluss in Sankt Gallen eine zweite Karriere als Aufsichtsrätin aufgebaut.
„Wir Aufsichtsräte kontrollieren nicht mehr vor allem, wir beraten und geben Impulse“, sagte die 54-Jährige vor einem Jahr im Interview mit dem Handelsblatt. Als Vonovia-Aufsichtsratschefin wolle sie „gestalten, nicht verwalten“.
Der Blick der Chefkontrolleurin dürfte sich nun vor allem auf die Complianceregeln des Konzerns richten sowie auf das Geschäft mit Handwerkern, das in Tochtergesellschaften ausgelagert ist. Noch vor zwei Jahren lobte der Konzern in einem Report ausdrücklich sein eigenes Compliancemanagement. „Der Einkauf, für den das Thema besonders relevant ist, erhält spezielle Schulungen zu Korruption und Korruptionsstrafrecht“, hieß es damals.
„Im Geschäftsjahr 2020 gab es einzelne Korruptionsverdachtsfälle, denen wir sorgfältig nachgegangen sind. Keiner der Verdachtsfälle hat sich bestätigt.“ Die jüngsten Ermittlungen rücken diese Erfolgsmeldungen allerdings in ein fragwürdiges Licht, denn die Vorkommnisse wurden augenscheinlich nicht vom Konzern aufgedeckt, wie Insider berichten. Die Staatsanwaltschaft wollte dies nicht kommentieren. Vonovia hat inzwischen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte mit einer unabhängigen Untersuchung beauftragt.
Streit dürfte durchaus den nötigen Biss haben, um personelle Konsequenzen aus den Korruptionsvorwürfen zu ziehen. Darauf muss sich die Managerriege bei Vonovia einstellen. „Lieber Clara Streit als fauler Friede“, hatten schon die Kollegen bei McKinsey gewitzelt, in Anspielung auf ihren Namen. Niemand im Dax-Konzern sollte die verbindliche Freundlichkeit, mit der die designierte Aufsichtsratschefin auftritt, also mit mangelnder Konfliktfähigkeit verwechseln.
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