Die Verbraucherpreise haben im September noch stärker zugelegt als im Vormonat. Vor allem Energie treibt die Entwicklung. Innerhalb der Euro-Zone gibt es aber große Unterschiede.
Wochenmarkt in Nizza
Mit einer Preissteigerung von 6,2 Prozent im September hat Frankreich derzeit die geringste Inflationsrate im Euro-Raum.
Bild: Reuters
Frankfurt Die Inflationsrate im Euro-Raum ist im September weiter gestiegen. Die Verbraucherpreise legten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 10,0 Prozent zu. Das gab das europäische Statistikamt Eurostat am Freitag bekannt.
Das ist das höchste Niveau seit Einführung des Euros. Von der Agentur Reuters befragte Experten hatten lediglich mit einem Anstieg der Inflation auf 9,7 Prozent gerechnet, nach einer Teuerungsrate von 9,1 Prozent im August.
Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt eigentlich einen Wert von zwei Prozent für den Währungsraum an. Von dieser Marke hat sich die Inflation seit Mitte 2021 immer weiter entfernt. Das verstärkt den Druck auf die Notenbank zu weiteren Zinserhöhungen überzugehen.
„Der Anstieg der Inflation fiel einmal mehr deutlich stärker aus als erwartet“, sagt Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Er beschränke sich schon lange nicht mehr nur auf Energie. „Um die Inflation zu brechen, muss die EZB die Zinsen weiter kräftig anheben“, fordert er.
Auch die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, sieht die EZB am Zug „den geldpolitischen Straffungskurs energisch fortzusetzen“. Aus ihrer Sicht treten die Konsequenzen des hohen Inflationsdrucks immer klarer zutage. „Der Euro-Zone steht im Winter mit hoher Sicherheit eine Rezession bevor“, erwartet sie. Viele Haushalte und Unternehmen hätten ihre finanzielle Schmerzgrenze erreicht oder seien ihr sehr nahe.
Angesichts der hohen Inflation hat die EZB die Leitzinsen im September um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent angehoben. Dies war der größte Zinsschritt in ihrer Geschichte. Bereits im Juli hatte sie die Sätze angehoben. Auch für die nächsten Monate hat EZB-Chefin Christine Lagarde weitere Erhöhungen signalisiert.
Viele Experten haben ihre Prognosen zuletzt angepasst. So geht die US-Investmentbank Goldman Sachs davon aus, dass die EZB außerdem im Oktober und Dezember die Zinsen nochmals um jeweils 0,75 Prozentpunkte anhebt und im Februar nochmals um einen halben Prozentpunkt.
Der mit Abstand größte Preistreiber war im September Energie, die sich um 40,8 Prozent verteuerte. Im August hatte der Anstieg noch bei 38,6 Prozent gelegen.
Die Energiepreise dürften die Inflation auch in den kommenden Monaten weiter hochtreiben. Sie schlagen in der Regel erst schrittweise auf die Inflation durch, weil zum Beispiel die Strom- und Gaspreise für Haushalte erst mit der Zeit angepasst werden.
In Europa gehen die Staaten zudem sehr unterschiedlich mit den Energiepreisen um. So hat Frankreich zum Beispiel die Gaspreise auf dem Niveau von Oktober 2021 eingefroren. In Deutschland plant die Regierung nun ebenfalls eine Gaspreisbremse.
EZB-Vertreter haben immer wieder betont, dass sie die Energiepreise auch mit höheren Zinsen kaum beeinflussen können. Aus ihrer Sicht geht es vor allem darum, die Inflationserwartungen stabil zu halten und sogenannte Zweitrundeneffekte zu verhindern. Gemeint sind Preissteigerungen als Reaktion auf vorangegangene Kostensteigerungen. Laut KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib wird Europa zunächst weiter auf sehr teure Energieimporte angewiesen sein. „Das ist eine Realität, der wir uns stellen müssen.“
Neben Energie stiegen auch die Preise für Lebensmittel stark an. Sie legten um 11,8 Prozent zu. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 5,6 Prozent, Dienstleistungen um 4,3 Prozent. Die Kernrate, aus der besonders schwankungsanfällige Preise für Energie und Lebensmittel rausgestrichen werden, lag bei 4,8 Prozent.
Innerhalb der Euro-Zone gibt es große Unterschiede bei der Preisentwicklung. Besonders hoch lag die Inflationsrate in den drei baltischen Staaten Estland (24,2 Prozent), Lettland (22,4 Prozent) und Litauen (22,5 Prozent) sowie in den Niederlanden (17,1 Prozent). Am geringsten war sie hingegen in Frankreich mit 6,2 Prozent.
Für Deutschland hatte das Statistische Bundesamt ebenfalls einen Wert von 10,0 Prozent vermeldet. Allerdings unterscheidet sich die Berechnung etwas von der auf europäischer Ebene, weil sich der dafür abgeleitete Warenkorb anders zusammensetzt. Nach der europäischen Berechnungsweise lag die Inflationsrate in Deutschland im September sogar bei 10,9 Prozent.
Ein wichtiger Grund für die Abweichungen zwischen den Euro-Ländern sind die unterschiedlichen Herangehensweisen, wie Länder die hohen Gaspreise abfedern. Eine Rolle spielt außerdem, dass die Durchschnittseinkommen in den drei baltischen Staaten relativ gering sind. Das bedeutet: Die Menschen dort müssen einen größeren Teil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse wie Energie und Lebensmittel ausgeben, wo die Preissteigerungen besonders groß waren.
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