Weniger Neukunden, weniger neue Wertpapierdepots: Das aktuelle Marktumfeld lastet auf den Instituten. Und die Konkurrenz durch Smartphonebanken könnte deren Lage verschärfen.
Kampf um Neukunden
Die Krise setzt auch den Direktbanken zu.
Bild: Imago/Westend61
Frankfurt Stefan Unterlandstättner versucht, Optimismus zu verbreiten. „Wir sind die am stärksten wachsende Onlinebank in Deutschland“, sagte der Chef der Direktbank DKB im Gespräch mit dem Handelsblatt. Insgesamt 200.000 neue Kunden gewann das Institut im ersten Halbjahr dieses Jahres hinzu.
Dennoch: Das Wachstum der Berliner Direktbank hat sich zuletzt verlangsamt. Das Institut gewann knapp fünf Prozent weniger Neukunden als im Vorjahreshalbjahr hinzu.
Bei den Wertpapierdepots verzeichnete die DKB sogar einen noch deutlicheren Rückschlag: 52.000 neue Depots wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres eröffnet und damit etwa 40 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Die Finanzbranche sieht sich seit Monaten mit großen Herausforderungen konfrontiert. Ukrainekrieg, hohe Inflation sowie der Ausverkauf an den Märkten setzen die Institute unter Druck. Neben der DKB bekommt das auch Konkurrent Consorsbank zu spüren. Im ersten Halbjahr registrierte die Bank etwa 10.000 Neukunden und damit fast zwei Drittel weniger als im Vorjahreshalbjahr.
Die ING veröffentlicht zwar nur zum Jahresende konkrete Zahlen für das Deutschlandgeschäft. Die Bank hat sich aber bereits von dem reinen Wachstum verabschiedet und zählt vielmehr die Hausbankkunden, die mehr Erträge bringen sollen. Hausbankkunden nutzen neben dem klassischen Girokonto noch mindestens ein weiteres Produktangebot.
Comdirect, eine weitere große deutsche Direktbank, wollte auf Anfrage keine Zahlen kommunizieren. Dieses Vorgehen behält sie bei, seit sie vor etwa zwei Jahren in dem Mutterkonzern Commerzbank aufgegangen ist.
Dass die etablierten Onlinebanken in den Krisen überhaupt noch wachsen konnten, liegt auch daran, dass sich die Angreifer aus dem Fintech-Sektor derzeit deutlich schwerer tun.
Denn viele Investoren sind bei der Finanzierung der Geschäftsmodelle von Finanz-Start-ups nach dem vergangenen Rekordjahr deutlich zurückhaltender. In einer Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zum Privatkundengeschäft in Deutschland heißt es etwa: „Funding-Runden werden schwieriger, Bewertungen sinken, und es werden Mitarbeiter von Unternehmen entlassen, die bisher nur Wachstum kannten.“
Es sei davon auszugehen, dass es nun eine Phase der Bereinigung und Fokussierung auf Profitabilität geben werde, heißt es in der Studie. Erst Mitte August musste die Berliner Kryptobank Nuri Insolvenz anmelden, da sie von Investoren kein frisches Kapital mehr erhalten hatte. Zwei weitere deutsche Neobanken, Kontist und Penta, wurden von der Konkurrenz aus dem Ausland aufgekauft. Und die größte deutsche Neobank N26 kämpft seit Monaten mit Wachstumsbeschränkungen der deutschen Finanzaufsicht Bafin.
Zurückziehen werden sich laut der Unternehmensberatung BCG auch einige Fintechs. Es sei davon auszugehen, dass es nun eine Phase der Bereinigung und Fokussierung auf Profitabilität geben werde, heißt es in der Studie.
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Trotz der aktuellen Probleme sind die Studienautoren überzeugt: Fintechs, die diese Zeiten überstehen, werden „gestärkt hervorgehen“ – und eine größere Rolle im Markt einnehmen.
Solche Sorgen sind den etablierten Spielern zwar fremd. Doch auch die Direktbanken streben danach, den Ertrag je Kunden zu steigern. So verwarf die ING bereits vor zwei Jahren vorerst das Ziel, zehn Millionen Kunden zu erreichen. Seitdem ist zwar die Anzahl der Kunden auf etwa neun Millionen gesunken, doch fast jeder fünfte Kunde zählt mittlerweile zu den Hausbankkunden. Und der Trend setzt sich nach eigenen Angaben fort.
Im Privatkundengeschäft steigerte die ING Deutschland im ersten Halbjahr ihren Gewinn um knapp zwei Prozent auf 423 Millionen Euro.
Auch die Hausbankquote der DKB legte zu. „Wir nähern uns der 60-Prozent-Marke“, sagte Unterlandstättner. Ende des vergangenen Jahres waren es noch knapp über 50 Prozent der insgesamt 5,2 Millionen Kunden. Die Direktbank zählt diejenigen zu den Hausbankkunden, bei denen monatlich das Gehalt auf dem Konto eingeht.
Während die DKB zwar operativ zulegte, verdiente die Berliner Direktbank in den ersten sechs Monaten 56 Prozent weniger als im Vorjahreshalbjahr. Gründe waren unter anderem die neuen Herausforderungen durch die Zinswende bei der Anlage von Eigenmitteln sowie der gestiegene Verwaltungsaufwand durch mehr Mitarbeiter. Zudem investiert der Konzern gerade erheblich in die technische Ausstattung.
Vor allem die börsenaffinen Kunden, die Trader, spricht das Consors-Brokerage an: „Unsere Kunden investieren stark in ETF-Sparpläne“, sagte Sven Deglow, Vorstandschef der Consorsbank. Consors gehört zur französischen Großbank BNP Paribas.
Trotz der Krisenzeiten erlebt die Bank laut Deglow keinen Tradingschwund. 25.000 neue Depots eröffneten Kunden seit Jahresbeginn bei Consors. Und das, obwohl laut Consors-Chef Deglow „große Unsicherheit im Markt“ herrscht.
Im Halbjahresvergleich wird diese Unsicherheit wie schon bei der DKB dennoch deutlich. Denn in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres verzeichnete Consors noch 40.000 neue Depots. Seit Jahresbeginn ist das verwaltete Kundenvermögen bei Consors zudem um fast zehn Prozent auf etwa 69 Milliarden Euro gesunken.
Insgesamt verwaltet die Direktbank derzeit 1,42 Millionen Wertpapierdepots. Die Zahl der Transaktionen lag laut Deglow jedoch über „den starken ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres“.
Auch Marktführer ING Deutschland verzeichnete bei den Wertpapier-Sparplänen sowohl beim Volumen als auch bei der Anzahl in den ersten sechs Monaten des Jahres ein Wachstum, wie ein Sprecher mitteilte.
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Die hiesigen Broker bekommen das Marktumfeld ebenfalls zu spüren. So musste etwa Flatexdegiro kürzlich seine Erwartungen für das laufende Jahr deutlich zurückschrauben. Der börsennotierte Frankfurter Onlinebroker erwartet weniger abgewickelte Transaktionen sowie 600.000 bis 700.000 Neukunden, bisher war von bis zu 840.000 die Rede.
Flatexdegiro-Finanzvorstand Muhamad Chahrour sagte, die Handelsaktivität der Privatanleger habe sich wieder auf ein Niveau vor Corona normalisiert. „Das erhöht den Druck auf Geschäftsmodelle mit einer Fokussierung auf unerfahrene Erstanwender, die sich zu großen Teilen wieder komplett zurückgezogen haben.“
Die Unternehmensberatung BCG erwartet, dass der Rückzug einiger Fintechs die bestehenden stärken wird. Die Berliner Neobank N26 zählte Anfang des vergangenen Jahres etwa sieben Millionen Kunden. Aktuellere Zahlen existieren bislang nicht. Konkurrent Vivid, ebenfalls aus Berlin, kommt nach eigenen Angaben auf aktuell über 500.000 Kunden.
Von einer wachsenden Konkurrenz aus der Fintech-Branche wollen die Direktbanken nichts wissen. „Unser Fokus ist ein ganz anderer: Wir bieten vor allem Wertpapierhandel an“, sagte Deglow. Ein solches Produkt fehlt etwa bei N26 in der Tat, gleichwohl es Schnittpunkte bei den Girokonten gibt.
Auch Unterlandstättner bekräftigt: „Wir konzentrieren uns im Vergleich nur auf den deutschen Markt und bieten darüber hinaus andere Produkte an, wie etwa Baufinanzierungen und Privat- oder Autokredite.“ Diese würde es in der Regel bei Fintechs nicht geben.
Und trotzdem will der DKB-Chef Zukäufe aus dem Sektor nicht ausschließen, jetzt wo die Bewertungen im Finanzsektor in den Keller rauschen. „Unsere Systeme sind auf viel mehr Kunden ausgerichtet, als wir bislang haben“, sagte er. „Wenn sich Möglichkeiten ergeben, schauen wir uns das an.“
Zumindest einige Mitarbeiter habe Unterlandstättner bereits von hiesigen Fintechs zur DKB locken können: So würden viele die Vorteile, bei einer etablierten Bank zu arbeiten, zu schätzen wissen.
Erstpublikation: 31.08.2022, 04:00 Uhr.
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