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21.03.2022

17:49

Bondhandel

Investoren bangen um weitere Zinszahlungen für russische Anleihen – Zentralbank stützt Markt

Von: Andrea Cünnen, Ingo Narat

Russland muss im März noch 615 Millionen Dollar für Anleihen zahlen. Der Handel mit Rubel-Anleihen läuft an der Börse Moskau wieder an – und die Bonds stürzen ab.

Am Montag wurden zunächst Zinsen in Höhe von 66 Millionen Dollar für einen bis 2029 laufenden Bond fällig. dpa

Zentralbank

Am Montag wurden zunächst Zinsen in Höhe von 66 Millionen Dollar für einen bis 2029 laufenden Bond fällig.

Frankfurt Nach der Zinszahlung ist vor dem nächsten potenziellen Zahlungsausfall. So lassen sich die Unsicherheiten rund um den russischen Anleihemarkt beschreiben. In der vergangenen Woche hat Russland zwar überraschend 117 Millionen Dollar an Zinsen für zwei Dollar-Anleihen gezahlt. Doch das Prozedere ist kompliziert, und das Zittern geht weiter.

Allein bis Ende des laufenden Monats stehen noch Zinszahlungen aus Russland über 615 Millionen Dollar an. Anfang April muss die Regierung in Moskau zudem einen Dollar-Bond über zwei Milliarden Dollar an Investoren zurückzahlen.

Mehr noch: Schon seit mehr als einer Woche warten ausländische Investoren auf Zinsen für Rubel-Anleihen der russischen Regierung.

Die Ratingagenturen haben dem Land aber noch bis Anfang des Monats Zeit gegeben, die Zinszahlungen nachzuholen. Passiert das nicht, würden die großen Bonitätsprüfer S&P Global, Moody’s und Fitch Russland wohl als zahlungsunfähig abstempeln.

An der Unsicherheit ändern auch die ersten vorsichtigen Öffnungsschritte der Moskauer Börse am Montag für den teilweisen Handel mit Rubel-Anleihen nichts. Der Kurs der am meisten beachteten zehnjährigen Rubel-Anleihe sackte zum Wochenauftakt um rund 15 Prozent auf rund 64 Prozent des Rückzahlwerts von 100 Prozent ab.

Russische Zentralbank stützt den Markt

Und das, obwohl die russische Zentralbank den Markt mit Käufen stützte. Manfred Schlumberger, Vorstand beim Vermögensverwalter Starcapital, geht davon aus, dass außer der russischen Zentralbank vor allem Hedgefonds außerhalb der EU nach Öffnung der Börse vor allem mit Rubel-Anleihen russischer Unternehmen handelten.

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Seit dem 25. Februar – einem Tag nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – war der Handel mit russischen Anleihen und Aktien an der Moskauer Börse ausgesetzt worden. Damit wollte Moskau angesichts der Sanktionen des Westens einen Absturz der Anlagen verhindern. Das gelang aber nur bedingt.

Der Rubel, der weiter gehandelt wurde, ist abgestürzt. Das gilt auch für die vorwiegend auf Dollar lautenden Fremdwährungsanleihen Russlands, die ebenfalls weiter gehandelt wurden.

Bei ausländischen Investoren ist Russland nach Daten der russischen Zentralbank vom September mit insgesamt umgerechnet 490 Milliarden Dollar verschuldet. Schätzungen von Banken liegen sogar noch höher. Auf Anleihen in Dollar entfallen davon laut Bloomberg 150 Milliarden Dollar.

Die russische Regierung selbst schuldet Investoren knapp 40 Milliarden Dollar, hinzu kommen Anleihen von staatlichen Unternehmen wie Gazprom, Rosneft, Sberbank oder Russian Railways.

Potenziell größere Pleite als die in Argentinien

Ein Zahlungsausfall wäre damit wesentlich größer als die Pleite Argentiniens im Jahr 2001. Das südamerikanische Land bediente damals Schulden über 95 Milliarden Dollar nicht – und verhandelte anschließend 13 Jahre lang mit den letzten Gläubigern über die Umschuldung.

Investoren finden die Lage jetzt aber noch undurchsichtiger. „Die Pleite Argentiniens war ungeordnet, aber vorhersehbar“, sagt Gary Kirk, Portfoliomanager bei Twenty Four Asset Management. In Russland sei wegen der Sanktionen aber alles viel schwieriger.

Wie schwierig und unvorhersehbar die Bedienung russischer Schulden ist, zeigte sich in den vergangenen Wochen. Am Mittwoch waren Zinsen auf zwei Dollar-Anleihen über 117 Millionen Dollar fällig. Lange Zeit rechneten Investoren damit, dass sie ihr Geld allenfalls in Rubel bekommen würden.

Genau das hatte Russlands Präsident Wladimir Putin den Investoren angedroht, die aus Ländern stammen, die sich an den Sanktionen gegen Russland beteiligen. Die Ratingagenturen hätten nach einer Karenzzeit von 30 Tagen die Zahlung in Rubel als „Default“, also Ausfall gewertet

US-Aufseher genehmigen Dollar-Zahlungen - aber nicht mehr lange

Später erklärte dann aber Finanzminister Anton Siluanow die Zahlungen in Dollar angewiesen zu haben. Es liege an den US-Aufsehern, diese zu genehmigen.

Die US-Bank JP Morgan, die als Korrespondenzbank die erste Anlaufstelle Russlands für die Zahlungen war, bekam die Zahlung nach Informationen von Bloomberg vom US-Finanzministerium genehmigt. Sie überwies das Geld anschließend an die Citigroup, die es an Investoren weiterleitet.

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Die Kurse der Anleihen, deren Zinsen gezahlt wurden, stiegen daraufhin am Montag. Sie liegen wie bei der im September 2043 fälligen Anleihe aber immer noch nur bei gut 40 Prozent ihres Nominalwerts.

Die Kurse anderer Dollar-Anleihen, deren Zinszahlungen noch ausstehen, notierten noch niedriger. Die mit sieben Milliarden Dollar liquideste größte russische Dollar-Anleihe zum Beispiel wird zu einem Kurs von knapp 23 Prozent gehandelt.

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Auch Analysten meinen, dass die Unsicherheit durch die Zahlung kaum gemildert ist. „Eine Bedienung dieser Verbindlichkeiten in der gleichen Weise wie in der vergangenen Woche ist nicht sicher“, sagt Jonny Goulden, Analyst bei JP Morgan.

Das liegt auch daran, dass Investoren in den USA Zins- und Tilgungszahlungen für Anleihen und Dividenden aus Aktien aus Russland nur noch bis zum 25. Mai entgegennehmen dürfen. Das sehen die Sanktionen des beim US-Finanzministerium angesiedelten Office of Foreign Assets Control (Ofac) vor. Spätestens nach diesem Datum kehre die Unsicherheit zurück, betont Anthony Kettle, Portfoliomanager bei Blue Bay Asset Management.

Noch kein Handel mit russischen Aktien

Mindestens ebenso unsicher ist die Lage bei Aktien. Wann die Börse in Moskau den Aktienhandel wieder eröffnet, ist noch nicht sicher.

Stefan Böttcher, Chefstratege des auf Schwellenländeraktien ausgerichteten Vermögensverwalters Fiera Capital, meint: „Selbst wenn die Börse in Moskau wieder öffnet, was momentan unwahrscheinlich ist, wäre die Frage, ob Investoren dort handeln können oder dürfen.“

Die Frage, ob russische Aktien attraktiv sind oder nicht, hat sich laut Böttcher vor dem Hintergrund des Kriegs erübrigt. Vor der Invasion seien russische Aktien für manche Anleger sehr interessant gewesen, Gazprom etwa mit einer erwarteten Dividendenrendite von rund 20 Prozent.

Doch fraglich sei eben, ob Gazprom die Dividende zahlen könne und ob westliche Investoren Zahlungen auf ihr Konto erhalten. „Das ist völlig ungewiss.“

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