Japans Notenbank verteidigt ihren Kurs der ultralockeren Geldpolitik. Experten fürchten ein Abwertungsrennen asiatischer Währungen.
Dollar- und Yen-Note
Die japanische Währung hat gegenüber dem US-Dollar deutlich abgewertet.
Bild: Reuters
Tokio Die japanische Landeswährung gerät unter Druck: Ein US-Dollar entspricht an diesem Dienstag 135 Yen. Damit fällt die japanische Devise auf den niedrigsten Stand seit der Asienkrise 1998. In den vergangenen sechs Monaten hat die asiatische Währung damit fast 30 Prozent an Wert eingebüßt. Inzwischen warnen Experten sogar vor einem weiteren Fall – und einem möglichen Abwertungsrennen asiatischer Währungen.
Zu diesem Lager gehört Jesper Koll, Direktor der japanischen Finanzgruppe Monex. Er warnt vor einer weiteren Abwertung. „Die Talfahrt hat gerade erst begonnen, ein Sturz auf 150 bis 160 Yen zum Dollar wird wahrscheinlicher.“
Andere asiatische Währungen könnten dadurch politisch unter Druck geraten, weil japanische Exporte mit einem schwachen Yen preiswerter und damit wettbewerbsfähiger werden. Die Währungsexperten der Deutschen Bank warnen gar davor, dass die Devise und der japanische Finanzmarkt „jede Art von fundamentalem Bewertungsanker“ verlieren könnten.
Die Politik der japanischen Notenbank hat die gegenwärtige Entwicklung bislang begünstigt: Sie hat an ihrer Niedrigzinspolitik festgehalten, während die Währungshüter der Fed in den USA die Zinsen mehrfach angehoben haben. Bereits an diesem Mittwoch dürften sie einen weiteren Zinsschritt bekannt geben.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird in Kürze nachziehen: Sie kündigte in der vergangenen Woche das Ende der Anleihezukäufe im Juni sowie eine erste Zinserhöhung im Juli an. Zudem stellte die Notenbank einen weiteren Zinsschritt in Aussicht.
Die wachsende Zinsspanne gilt als ein wichtiger Faktor für die Yen-Schwäche, da Anleger eher in Währungsräumen mit höherem Zinsniveau investieren. Auch lässt sich Inflationsdruck mit höheren Zinsen bekämpfen. Ein möglicher Teufelskreis aus schwachem Yen und Inflation entwickelt sich damit zum Test der mehr als 20 Jahre anhaltenden Niedrigzinspolitik Japans.
Mit ihrem Kurs versucht die Notenbank, Japan aus der Deflation zu befreien. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten kämpfte das Land zuletzt mit einer niedrigen Inflation, die Notenbank sieht jedoch Preisstabilität bei einer dauerhaften Teuerung von zwei Prozent.
Infolge der globalen Preisschübe lag die Inflationsrate im April zwar bei 2,1 Prozent. Aber darin sieht die Notenbank nur ein vorübergehendes Phänomen. Denn weder die Einkommen noch die Binnennachfrage legten zu – und fallen damit als Inflationstreiber aus.
Zwar warnten Notenbankchef Haruhiko Kuroda und die Regierung in den vergangenen Monaten, dass ein rascher Fall des Yens schlecht für Japans Wirtschaft sei. Vor der nächsten geldpolitischen Entscheidung am Freitag sendete der oberste Währungshüter Japans jedoch Zeichen für Beharrlichkeit: Er will an seinem Kurs festhalten, bis das langfristige Inflationsziel erreicht ist.
Zudem will die Notenbank durch ihre Geldpolitik den hochverschuldeten Staatshaushalt stabilisieren. Ende Dezember 2021 waren 44 Prozent der japanischen Staatsanleihen (JGBs) im Besitz der Bank von Japan. Am Montag kaufte die Bank von Japan Staatsanleihen im Wert von mehr als 1,5 Billionen Yen (10,7 Milliarden Euro), um ihre geldpolitisch einmalige Kontrolle der Zinskurve zu verteidigen.
Dabei drückt die Zentralbank die Renditen für kurzfristige japanische Staatsanleihen ins Minus, um die Wirtschaft zu beleben, und versucht, die für zehnjährige JGBs auf einen Korridor von minus bis plus 0,25 Prozent zu begrenzen. Um dieses Niveau zu halten, gesteht sich die Notenbank das Recht zu, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen.
Die Analysten der Deutschen Bank meinen: „Dies ist ein extremes Maß an Gelddrucken, wenn man bedenkt, dass alle anderen Zentralbanken der Welt ihre Politik straffen.“
Kuroda, dessen Amtszeit 2023 endet, gilt als größter Verfechter der ultralockeren Geldpolitik. Ein Zinswende unter dem Notenbankchef gilt als unwahrscheinlich, zumal sie als Eingeständnis des Scheiterns gewertet werden würde.
Im Gegensatz zu seinen Kollegen im Western steht Kuroda politisch weniger unter Druck. Regierungschef Fumio Kishida ist drauf fokussiert, im Juli die Oberhauswahlen zu gewinnen, um innerparteilich seine Stellung zu stärken. Japan-Kenner Koll ist überzeugt, dass Kishida deshalb einen möglichen Konflikt mit Kuroda verhindern will. Zudem gibt es laut Koll in Japans Wirtschaft, Politik und Finanzwelt keinen Konsens, ob ein schwacher Yen nun gut oder schlecht für das Land ist.
Die Binnenwirtschaft spürt die negativen Folgen der schwachen Währung: Sie verteuert die Preise von importierten Rohstoffen und Waren. Exportorientierte Konzerne können die steigenden Kosten allerdings oft durch Wechselkursgewinne wettmachen. Denn je schwächer die japanische Währung wird, desto stärker schlagen sich Gewinne im Auslandsgeschäft in der Bilanz nieder – von den verbesserten Exportchancen ganz zu schweigen.
Dies spiegelt sich auch am Aktienmarkt wider: Der Nikkei-225-Index notiert trotz eines Kursrutsches in den vergangenen Tagen nur acht Prozent unter dem Höchststand des Jahres Anfang Januar.
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