Die Eskalation der Ukrainekrise treibt die Energiepreise, auch Gold ist als sicherer Hafen erneut gefragt. Die USA könnten einen Teil ihrer Ölreserven als Unterstützung bereitstellen.
Gaspipeline in Polen
Die Sorgen vor einem Engpass von Gas, Öl und Weizen aus Russland wächst.
Bild: dpa
Zürich, Frankfurt Die Entscheidung Russlands, Truppen in die Ostukraine zu verlegen sowie die im Gegenzug ausgesprochenen Sanktionen des Westens haben für Preissprünge an den Rohstoffmärkten gesorgt. Besonders die Energiemärkte standen im Fokus: Europäisches Öl der Sorte Brent verteuerte sich am Dienstag zwischenzeitlich auf über 99 Dollar pro Barrel.
Der Preis für europäisches Erdgas zur Lieferung in einem Monat legte um mehr als sieben Prozent zu auf knapp 78 Dollar pro Kubikmeter. Das Rekordhoch vom vergangenen Dezember, als der Gaspreis auf mehr als 180 Dollar pro Kubikmeter stieg, ist jedoch noch weit entfernt – trotz der Meldung, dass die Bundesregierung die Zertifizierung der Ostseepipeline Nord Stream 2 zunächst stoppt.
Die Anlagestrategen der Schweizer Großbank UBS warnen: „Sollte sich die Krise verschlechtern, wäre die Energiesicherheit in Europa ein großes Risiko für die Märkte.“ Noch zweifelt die UBS jedoch daran, dass der Westen sein volles Instrumentarium an Sanktionen gegen Russland verhängt. Die Tür für eine diplomatische Lösung des Konfliktes sei noch nicht ganz verschlossen.
Auch Helima Croft, Rohstoffexpertin der Investmentbank RBC Capital Markets, sieht Risiken für die Öl- und Gasmärkte: „Der Energiemarkt könnte bei einer Eskalation des Konfliktes Kollateralschaden nehmen.“ Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch ergänzt: „Damit nimmt auch das Risiko von Unterbrechungen der russischen Öl- und Gaslieferungen zu.“ Russland könnte als Vergeltung für die zu erwartenden Sanktionen die Liefermengen reduzieren.
Die Unsicherheit spiegelt sich auch an den Rohstoffterminmärkten wider: Derzeit sind die Händler bereit, deutlich höhere Preise für Rohöl zur sofortigen Lieferung zu bezahlen. Eine Lieferung in sechs Monaten ist rund neun Dollar billiger als zum nächstmöglichen Liefertermin. Solche Preisabschläge auf Öl zu einem späteren Liefertermin sind relativ selten – und Ausdruck der Sorge um die unmittelbare Verfügbarkeit des Energieträgers.
Die geopolitische Krise treibt auch den Goldpreis. Das Edelmetall notierte am Dienstag zwischenzeitlich bei rund 1913 Dollar pro Unze (rund 31,1 Gramm) und damit auf dem höchsten Stand seit acht Monaten. „Die sich zuspitzende Entwicklung im Ukrainekonflikt hält die Märkte in Atem“, sagt Alexander Zumpfe, Edelmetallhändler bei Heraeus. „Anleger flüchten in sichere Häfen.“ Im aktuellen Umfeld fallen auch die Renditen für US-Staatsanleihen – das unterstütze ebenso den Goldpreis, so Zumpfe.
Parallel dazu steigen auch die Preise für wichtige Industriemetalle aus Sorge vor Sanktionen gegen russische Firmen: Erstmals seit 2011 stieg der Preis für Nickel am Dienstag über die Marke von 25.000 Dollar pro Tonne. Der russische Konzern Norilsk Nickel gehört zu den größten Produzenten des Industriemetalls, das unter anderem für die Herstellung von rostfreiem Stahl für die Baubranche, aber auch für Elektroauto-Batterien benötigt wird.
Norilsk Nickel ist zudem ein wichtiger Produzent von Palladium, das in Autokatalysatoren verbaut wird. André Christl, Chef der Edelmetallsparte bei Heraeus hatte kürzlich gewarnt, dass das russische Palladium im Fall eines Importstopps kurzfristig nicht zu ersetzen sei. Wenn nicht genügend Palladium aus Russland geliefert werde, hat laut Christl „insbesondere die Automobilindustrie ein Problem“.
Auch die Luftfahrtindustrie könnte es treffen: So ist Russland hinter China und Japan der drittgrößte Produzent von sogenanntem Titanschwamm, einem Rohstoff zur Herstellung etwa von Titanlegierungen.
Diese kommen zum Beispiel im Flugzeugbau zum Einsatz. Die Experten der auf Luftfahrt spezialisierten Beratungsfirma H&Z aus München warnen deshalb vor möglichen Lieferengpässen, sollte Titanschwamm auf die Sanktionsliste kommen. Kurzfristig seien in dem Fall erhebliche Preissteigerungen zu erwarten. Betroffen sind laut H&Z vor allem moderne Jets wie die Boeing 787 und der Airbus A350. Dort wird stark auf Titanlegierungen gesetzt.
Auch die Weizenpreise ziehen wegen der Ukrainekrise deutlich an. An der Chicagoer Terminbörse verteuerte sich das Getreide zuletzt um drei Prozent. In Europa erwarten die Commerzbank-Analysten ebenfalls steigende Preise. Die mehrjährigen Höchststände beim Weizenpreis von Anfang Januar seien wieder in Reichweite, so die Analysten.
Die Schwarzmeerregion ist ein wichtiges Weizenanbaugebiet auf dem europäischen Kontinent. Auf russischer und ukrainischer Seite könnten insgesamt 15 Millionen Tonnen an Weizenexporten gefährdet sein, warnt die Commerzbank: „Eine derartige Menge könnte kaum anderweitig aufgefangen werden und würde zu einem deutlichen Rückgang der Lagerbestände in den anderen Exportländern führen.“
Unterdessen bereiten sich die USA darauf vor, die Auswirkungen einer Energiemarktkrise für die Weltwirtschaft abzumildern. Expertin Croft erwartet, dass das Weiße Haus zusammen mit anderen Industriestaaten und der Internationalen Energieagentur eine größere Menge Öl aus der strategischen Ölreserve freigeben. Einen solchen Schritt hatte die USA bereits im vergangenen November umgesetzt, er war jedoch weitgehend wirkungslos verpufft.
Zudem könnten die USA ein neues Atomabkommen mit dem Iran vorantreiben. „Ein Iran-Deal könnte dem Ölmarkt etwas Luft verschaffen“, so Croft. Doch die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm und eine Rückkehr des Landes auf den globalen Ölmarkt stocken seit Monaten.
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