Die nur leicht abgeschwächte Inflationsrate in den USA dämpft die Euphorie bei Anlegern. Der deutsche Leitindex sackt am Nachmittag deutlich ab.
Düsseldorf Die Wende kam am frühen Nachmittag: Im Anschluss an einen erfolgreichen Handelsauftakt am deutschen Aktienmarkt am Dienstag ist der Dax deutlich abgerutscht. Anlass waren die neuen US-Inflationsdaten, die den deutschen Leitindex um fast 400 Punkte abstürzen ließen.
Zum Handelsende lag der Dax 1,6 Prozent tiefer bei 13.189 Zählern und damit in unmittelbarer Nähe des Tagestiefs. Kurz vor den Inflationsdaten lag das Börsenbarometer noch bei 13.564 Zählern, was einem Plus von 1,1 Prozent entsprach.
Die Inflation in den USA ging im August wegen der Abkühlung der Benzinpreise auf 8,3 Prozent zurück, verfehlte aber die Erwartungen von 8,1 Prozent. Laut Thomas Altmann vom Investmenthaus QC Partners stimmt zumindest die Richtung. „Die Inflationsrate geht zurück – nur eben langsamer als erhofft“, meint er.
Im Monatsvergleich sind die Preise im August um 0,1 Prozent angestiegen. Wer den Monatswert von 0,1 Prozent annualisiert, der kommt auf ein Jahrestempo von gut einem Prozent und damit auf eine Zahl, die deutlich unter dem Ziel der US-Notenbank liegt. „Dass die Inflationsrate weiterhin deutlich zu hoch liegt, liegt an den Monaten wie beispielsweise dem März, in dem die Preise diesseits und jenseits des Atlantiks regelrecht explodiert sind“, erläutert der Kapitalmarktexperte.
Nach den neuen Preisdaten steht wohl definitiv fest, dass die Notenbank Fed ihren Leitzins in der kommenden Woche erneut um 75 Basispunkte anheben wird. Die Daten seien „aber nicht so desaströs wie von den ersten Marktreaktionen unterstellt“, meint Altmann. Womöglich sind es nur kurzfristige Trader, die den Markt am Dienstag unter Druck gesetzt haben.
Am Montag hatte der Dax noch mehr als 300 Punkte zugelegt. Das hat die Frage aufgeworfen, ob womöglich eine neue Bärenmarktrally ansteht – oder gar eine Trendwende in Sicht ist.
Die Vorentscheidung dürfte vermutlich erst im Bereich von 14.000 Punkten fallen. Auf diesen Bereich steuert auch die 200-Tage-Linie, die langfristige Investoren beachten, wenngleich diese Bewegung am Dienstag einen Rückschlag erlitten hat. Seit Beginn des Abwärtstrends Anfang des Jahres konnte der Leitindex diese Linie nicht ein Mal überwinden.
Auch wenn die Liste der Gründe, die für eine Bärenmarktrally sprechen, extrem lang ist: In den vergangenen Handelstagen gab es erste Signale, die eine nachhaltige Trendwende zumindest möglich erscheinen lassen.
Denn in dem Zeitraum, als der Dax nach oben kletterte, gab es extrem viele negative Meldungen für die Aktienmärkte. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte den Zinssatz um 75 Basispunkte und will weitere Erhöhungen in solch einem Ausmaß nicht ausschließen. Dieses Szenario gilt für die US-Notenbank Fed ohnehin. Und für die Wirtschaftsforschungsinstitute steht auch fest, dass Deutschland in eine Rezession abrutscht.
Doch wie können die Kurse bei solch negativen Meldungen steigen? Für den Sentimentexperten Stephan Heibel spricht vieles dafür, dass sämtliche Hiobsbotschaften bekannt sind. „Es fällt schwer, auf Basis dieser Stimmungslage weiter fallende Kurse zu prognostizieren“, meint er nach Auswertung der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment und weiterer Indikatoren. Seiner Meinung nach besteht aufgrund dieser Konstellation zumindest die Möglichkeit, dass es derzeit eine Bodenbildung gibt.
Vieles spricht dafür, dass spätestens Anfang nächster Woche eine Entscheidung über die künftige Richtung fallen dürfte. Denn am Freitag ist wieder ein großer Verfallstag im Jahr 2022, der sogenannte „Hexensabbat“. An der Börse führt das immer wieder zu Kapriolen bei ungewöhnlich hohen Umsätzen.
Im vergangenen Jahr lag die Dax-Handelsspanne am Freitag und dem folgenden Montag bei rund 800 Zählern. Im Dezember 2022 fiel am Montag nach dem großen Verfallstag hingegen nach anfänglichen Kursverlusten der Startschuss für eine ansehnliche Jahresendrally.
An Hexensabbat-Tagen verfallen an der Eurex, dem Terminmarkt der Deutschen und Schweizer Börse, gleichzeitig Future und Option auf den Dax und Optionen auf einzelne Aktien. Für Anleger ist es wichtig zu wissen, an welchen Kursmarken die größten ausstehenden Volumina der Optionen zu finden sind.
Die Tabelle der Website Stockstreet zeigt, dass die größten Call- und Put-Positionen bei 13.000 Punkten zu finden sind, mit denen die Käufer auf steigende Notierungen gesetzt oder sich gegen fallende Notierungen abgesichert haben. Die zweitgrößten Positionen sind bei 14.000 Zählern zu finden. Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass am Freitag zwischen diesen beiden runden Marken die Dax-Optionen und -Futures abgerechnet werden.
Der Gaspreis pendelt am Dienstag um die Marke von 200 Euro je Megawattstunde. Der für den europäischen Gashandel richtungweisende Terminkontrakt TTF an der Energiebörse in Amsterdam für den Monat Oktober lag am Nachmittag knapp über diesem runden Niveau. Im Vergleich zu seinem Rekordhoch von Ende August hatte er in den vergangenen Wochen insgesamt fast 50 Prozent verloren
Nach Meinung der Rohstoffanalysten der Commerzbank dürfte das zum einen an den weiterhin steigenden Vorräten liegen. Die Speicher in Europa sind inzwischen zu 84 Prozent gefüllt; das entspricht dem üblichen Niveau zu dieser Jahreszeit. Zum anderen sucht man auf politischer Ebene weiter nach Möglichkeiten, die hohen Energiekosten zu begrenzen.
Nach dem Sondergipfel der EU-Energieminister am Freitag will nun EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen diese Woche konkrete Vorschläge vorstellen. Die Deckelung der Gasimportpreise ist dabei wohl erst mal verschoben, aber angedacht sind wohl unter anderem verpflichtende Stromeinsparziele für die Spitzenlast. Doch auch wenn die Gaspreise zuletzt deutlich nachgegeben haben, Anlass für Entwarnung gibt es nach Ansicht der Commerzbank-Expertin Barbara Lambrecht nicht.
Analysten der Großbank Goldman Sachs hingegen erwarten, dass sich die Preise im ersten Quartal des nächsten Jahres vom aktuellen Niveau aus halbieren werden. Sie gehen davon aus, dass die hohen Speicherstände zu Beginn der Saison überdurchschnittliche Entnahmen ermöglichen werden, sodass die Reservoirs bis Ende März immer noch zu mehr als 20 Prozent gefüllt sein werden.
„Vor diesem Hintergrund wird das Gefühl der Dringlichkeit, die Nachfrage zu zerstören, allmählich einem Gefühl der Markterleichterung Platz machen, wonach wir den Winter überstanden haben“, schreiben die Analysten, die im ersten Quartal Preise von unter 100 Euro je Megawattstunde erwarten.
Zalando: Die Aussicht auf steigende Zinsen lastet vor allem auf den wachstumsstarken Unternehmen. Zalando und Hellofresh lagen mit Verlusten von 8,3 und 6,8 Prozent am Dax-Ende.
Sartorius: Die Analystin Delphine Le Louet von der Société Générale erhöhte das Kursziel für den Pharmaausrüster leicht auf 577 Euro. Im kommenden Jahr erwartet die Expertin einen echten Wachstumsschub. Die Aktie zog zunächst bis auf 406,50 Euro an, schloss im allgemein schwachen Marktumfeld letztlich aber 3,8 Prozent tiefer bei 382,50 Euro
Encavis: Im Nebenwerteindex MDax zogen die Anteilscheine drei Prozent an. Die Ratingagentur Scope hatte bestätigt, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihen des Solar- und Windparkbetreibers gering sei. Zudem wurde der Ausblick von „stabil“ auf „positiv“ angehoben. Gründe dafür seien die deutliche Stärkung der Kreditkennzahlen und die sich allmählich verbessernde geografische Diversifizierung des Produktportfolios.
Fraport: Dank des florierenden Tourismus sind im August über den Frankfurter Flughafen rund 5,2 Millionen Passagiere geflogen. Das sind 54,1 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, allerdings immer noch knapp ein Viertel weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019. Die Aktie des Flughafenbetreibers stieg um bis zu 1,5 Prozent, gab ihre Gewinne später jedoch wieder ab.
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