Dax-Kurve
„Böse Erinnerungen an Finanzkrise.“
Bild: Bloomberg Creative/Getty Images [M]
Viele professionelle Investoren haben den Kurssturz für neue Käufe genutzt. Doch sie dürften dem deutschen Leitindex nicht lange die Treue halten.
Düsseldorf Der deutsche Leitindex Dax hat den Handel am Donnerstag 1,6 Prozent im Plus beendet bei 14.967 Punkten. Dem vorausgegangen war allerdings ein turbulenter Handelstag, zwischenzeitlich lag das Frankfurter Börsenbarometer sogar im Minus.
Für Feierstimmung sorgte zunächst das Rettungspaket für die Credit Suisse, mit dem Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) kehrte dann zunächst Ernüchterung ein. Die Entscheidung, die Zinsen um weitere 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen, ließ den Dax 0,4 Prozent ins Minus rutschen.
Doch im Handelsverlauf deuten die Anleger die Entscheidung der Notenbanker anders. Am Nachmittag notierte der deutsche Leitindex wieder 1,8 Prozent im Plus und wurde zeitweise bei 15.018 Punkten gehandelt ehe er zum Handelsschluss wieder unter die 15.000er-Marke rutschte.
Für den Kapitalmarktexperten Thomas Altmann vom Investmenthaus QC Partner hat die heutige Zinsentscheidung etwas positives für die Märkte. „Die bedeutendste Änderung im heutigen EZB-Statement ist der Verzicht auf die Aussicht weiter steigender Zinsen“, erläutert er. Damit machen die Notenbanker die Tür für eine baldige Verlangsamung oder gar eine Pause weit auf. „Sollte sich die Bankenkrise weiter zuspitzen, könnte das heute tatsächlich bereits der letzte Zinsschritt im aktuellen Erhöhungszyklus gewesen sein“, meint Altmann.
Insgesamt gibt es beim deutschen Leitindex eine abenteuerliche Achterbahnfahrt. Mit den deutlichen Kursgewinnen vom Donnerstag ist es der sechste Richtungswechsel in Folge, in der sich positive und negative Sitzungen abgewechselt haben. Auch am heutigen Handelstag lag die Differenz zwischen Tageshoch und -tief bei mehr als 350 Zählern.
Mit dem gestrigen Kursrutsch bis auf 14.703 Zählern hat sich die Konsolidierung deutlich ausgeweitet, das Minus gegenüber dem Jahreshoch am Donnerstag vergangener Woche beträgt in der Spitze rund 6,5 Prozent. Das ist ein ordentlicher Rücksetzer, wie erfahrene Börsianer sagen würden.
Vermutlich dürfte ein erneuter Rutsch unter die Marke von 14.800 Zählern diese Achterbahnfahrt beenden und dem Dax einen neuen Trend vorgeben: nachhaltig nach unten. Damit es nicht dazu kommt, müssen auch die US-Börsen mitspielen.
Die haben am gestrigen Mittwoch vor der Bekanntgabe des Rettungspakets der Schweizer Notenbank im Minus geschlossen – zumindest die Indizes Dow Jones und S&P 500 – und auch am Donnerstag weitere Kursverluste verzeichnet. Sollten diese beiden US-Börsenbarometer nicht schnell über ihre 200-Tagelinie steigen, droht auch dem Dax weiteres Ungemach.
Den größten Einfluss auf den Gesamtmarkt haben derzeit die Kurse der Bankaktien. Die gehen am heutigen Donnerstag auf Erholungskurs. Der europäische Branchenindex Stoxx Banks mit seinen 22 Mitgliedern steigt um vier Prozent. Noch am Mittwoch war der Index 8,4 Prozent abgerutscht, was im Wochenvergleich ein Minus von über 16 Prozent war.
Die Credit-Suisse-Aktie, die am Mittwoch bis zu 31 Prozent abgerutscht war, klettert am heutigen Donnerstag zeitweise um mehr als 30 Prozent nach oben. Allerdings ist das Papier am deutschen Markt nicht handelbar. Auch die Anteilsscheine der Deutschen Bank und der Commerzbank lagen zunächst deutlich im Plus, schlossen dann aber mit Verlusten von 1,3 Prozent beziehungsweise 0,3 Prozent.
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Wie dramatisch die Situation war, zeigt vor allem die Entwicklung bei den Kreditausfallversicherungen, im Fachjargon Credit Default Swaps (CDS) genannt. Mit denen können sich Profi-Investoren gegen eine Insolvenz des Emittenten der Anleihe absichern.
Am Mittwoch stieg dieser Wert für eine fünfjährige Anleihe auf bis zu 12,8 Prozent pro Jahr. Nie war der Wert höher. Ein hoher Prozentsatz angesichts einer fünfjährigen Anleihe der Credit Suisse, die kurz zuvor nur etwas mehr als drei Prozent jährlich abgeworfen hatte.
Allerdings sind die CDS-Werte für die beiden deutschen Großbanken nur leicht angestiegen, was eine gute Nachricht ist. Bei der Deutschen Bank mussten Profianleger 1,24 Prozent jährlich zahlen, um sich gegen die Insolvenz abzusichern, bei der Commerzbank waren es 0,8 Prozent.
Welche Probleme der Credit Suisse noch bevorstanden, zeigt ein Bericht des Wirtschaftsnachrichten-Dienstes Bloomberg. Die französische Großbank BNP Paribas teilte ihren Kunden mit, dass sie keine Anfragen zur Übernahme ihrer Derivatekontrakte mehr annehmen wird, wenn die Credit Suisse die Gegenpartei ist. BNP Paribas ist ein großer Player auf dem Derivate-Markt, diese Vorgehensweise hätte möglicherweise eine Kettenreaktion ausgelöst, die die Schweizer Großbank weiter belastet hätte.
Zur Erinnerung: Während der Finanzkrise hatten deutsche Sparkassen Garantiezertifikate der US-Bank Lehmann Brothers verkauft. Dass die Papiere ein Emittentenrisiko tragen, wurde nicht nur den allermeisten Anlegern erst dann bewusst, als Lehman Brothers tatsächlich Insolvenz anmeldete, sondern auch vielen Sparkassenvorständen und Beratern.
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Mit ihrem Rettungspaket sendet die Schweizerische Nationalbank wie die US-Notenbank ein starkes Signal. Die Notenbanken wollen die aktuelle Krise offensichtlich beenden, bevor sie weitere Institute infizieren kann.
Eine Belastung für den Dax sind die Ergebnisse der aktuellen Sentimentumfrage der Börse Frankfurt. Denn viele Pessimisten unter den befragten professionellen Investoren haben nicht nur ihre Short-Positionen geschlossen und dadurch wohl Gewinne mitgenommen, sondern haben parallel dazu wieder auf steigende Kurse gesetzt. Die Stimmung ist auf den höchsten Stand des gesamten Jahres gestiegen, was laut Sentimentanalyse ein Kontraindikator ist.
Joachim Goldberg, der die Erhebung auswertet, erwartet, dass diese Käufer dem Dax im Falle einer weiteren Erholung nicht allzu lange die Treue halten. Vermutlich werden sie zwischen 15.300 und 15.350 Zählern ihren neue Positionen mit Gewinn verkaufen. Die neuen Käufer dürften allerdings auch bei weiteren Dax-Kursverlusten schnell die Reißleine ziehen. „Was also heute noch wie eine – im großen Bild – vergleichsweise harmlose Korrektur aussieht, könnte sich dann doch zu einer größeren Abwärtsbewegung ausweiten“, meint der Verhaltensökonom.
Morphosys: Das Biotechunternehmen hat seinen Verlust im vergangenen Jahr deutlich verringert. 2022 fiel noch ein operativer Verlust von knapp 221 Millionen Euro an nach einem Minus von gut 508 Millionen Euro vor Jahresfrist. Eine Gewinnprognose gab der Konzern nicht ab. Die Aktie gewann 7,3 Prozent, zwischenzeitlich lag das Papier sogar zwölf Prozent im Plus.
Elmos: Der überwiegend für die Automobilindustrie produzierende Chiphersteller will seine Aktionäre mit einer höheren Dividende am Gewinnanstieg beteiligen. Sie sollen je Aktie mit 0,75 Euro zehn Cent mehr als im Vorjahr erhalten. Nach den Rekorden bei Umsatz und Gewinn im vergangenen Jahr hat die Dortmunder Firma für 2023 weitere Zuwächse in Aussicht gestellt. Die Aktie legt 3,6 Prozent zu.
Siemens Energy: Der Energietechnikkonzern hat am Mittwochabend eine Kapitalerhöhung vollzogen. Die Ausgabe von 72,7 Millionen neuen Aktien dient der teilweisen Finanzierung weiterer Anteile an der Windkrafttochter Siemens Gamesa und hat – vor Abzug von Kosten und Provisionen – 1,26 Milliarden Euro eingebracht. Die Aktien des Münchner Unternehmens stiegen um 5,1 Prozent und gehörten zu den größten Gewinnern im Dax.
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