Kurstafel
Blick auf die Anzeige an der Frankfurter Börse.
EZB und Fed bekämpfen die Inflation mit starken Zinserhöhungen, doch Investoren scheint das nicht abzuschrecken. Die Stimmung bleibt allerdings fragil.
Frankfurt Die Märkte haben sich offenbar mit einer strafferen Geldpolitik abgefunden, die Angst vor einer Rezession nimmt zumindest nicht weiter zu. Darauf deuten die Kurse und Marktkommentare gegen Ende der vergangenen Woche und erste Zahlen vom Wochenbeginn hin.
Zwar gab es auch Kritik am großen Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) um 0,75 Prozentpunkte. Aber die meisten Kommentare, gerade auch aus dem Bankbereich, waren positiv. Zugleich sind die Erwartungen groß, dass die US-Notenbank (Fed) am 21. September in ähnlicher Größenordnung nachlegen wird.
Gleichwohl sind die Signale, die die Börsen für die kommende Woche geben, nicht leicht zu deuten. Am Freitag liefen die Aktienmärkte gut und schlossen sogar mit einer positiven Wochenbilanz. Der Kursaufschwung wurde allerdings von sehr unterschiedlichen Marktsegmenten getragen.
Die Börse in Tokio zeigte sich am Montag zunächst stärker. Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index lag im Verlauf 1,1 Prozent höher bei 28.529 Punkten. Der breiter gefasste Topix-Index stieg um 0,7 Prozent und lag bei 1980 Punkten. Der Dax lag vorbörslich 0,7 Prozent höher bei 13.176 Punkten.
Zum einen scheint die Aktienbörse zumindest vorübergehend die Rezessionsgefahr zu ignorieren, oder die Investoren glauben, dass sie schon ausreichend in den Kursen enthalten ist. Jedenfalls setzte sich der freundliche Börsentrend fort – trotz steigender Anleiherenditen und einer in den USA inversen Zinsstruktur, bei der kurz laufende Papiere mehr einbringen. Eine inverse Zinskurve gilt eigentlich als Vorbote einer Rezession. Denn sie bringt letztlich zum Ausdruck, dass die Anleger wieder sinkende Zinsen als Reaktion auf eine schwächere Wirtschaft erwarten.
Zum anderen könnte die Kurserholung auch technische Gründe haben. Laut dem neuesten „American Association of Individual Investors (AAII) Sentiment Survey“ ist die Stimmung der privaten Investoren sehr schlecht.
Gerade das kann aber bedeuten, dass viele schon verkauft haben, sodass der Druck von dieser Seite nachlässt und die Kurse wieder Luft nach oben haben. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert Stimmen aus dem Markt, die eher von einer vorübergehenden Erholung ausgehen.
Besonders stark mit einem Kursplus von über zwei Prozent hat am Freitag in den USA der Nasdaq-Index für die Technologiewerte abgeschnitten. Dabei zeigte sich gleichzeitig ein Anstieg der Rendite – und Tech-Werte gelten als besonders anfällig gegenüber steigenden Zinsen.
Insgesamt war das Bild aber gemischt. Neben Tech- liefen zum Beispiel auch Energiewerte gut sowie „Consumer Discretionary“: Der Bereich umfasst Anbieter von Waren wie zum Beispiel Autos oder auch teurer Kleidung, die größere Anschaffungen darstellen. Dieser letzte Punkt ist besonders interessant, weil solche Aktien bei einer Rezession unter die Räder kommen könnten.
In Europa legten Banktitel zu. Die Aussicht auf weiter steigende Zinsen spielte eine Rolle. Außerdem hatte die EZB entgegen vielen Befürchtungen ein einträgliches Geschäft für die Geldhäuser am Donnerstag nicht gestoppt: Sie können im Rahmen des sogenannten TLTRO-Programms sehr günstig von der EZB geliehenes Geld zu dem nunmehr auf 0,75 Prozent gestiegenen Einlagenzins gleich wieder bei der Notenbank anlegen und so ohne Risiko einen guten Schnitt machen. Ob die EZB daran in den kommenden Monaten etwas ändert, war den Worten von Notenbankchefin Christine Lagarde nicht zu entnehmen.
>> Lesen Sie hier: Nach EZB-Zinssprung: Bundesbank-Chef Nagel für weitere starke Erhöhung
Neben Bankaktien verteuerten sich Rohstoffe und die dazugehörigen Aktien, was auch durch den nachgebenden Dollar getrieben wurde. Hier gab es eine Gegenbewegung zum vorherigen Trend mit einem sehr starken Dollar und zeitweise fallenden Rohstoffpreisen. Außerdem zeigte sich in Deutschland der MDax, der mittelgroße Werte umfasst, am Freitag mit über zwei Prozent sehr stark. Morgan Stanley bleibt aber zurückhaltend gegenüber europäischen Aktien und verweist auf die Auswirkungen der Energiekrise, die mit der Straffung der Geldpolitik zusammenfällt.
Wenn am Dienstag in den USA neue Inflationszahlen bekannt gegeben werden, könnte die gute Stimmung zudem leicht wieder kippen, weil die Investoren womöglich kalte Füße bekommen und auf Nummer sicher gehen. Im Schnitt liegen die Prognosen bei 8,1 Prozent, was ein leichter Rückgang gegenüber dem Vormonat mit 8,5 Prozent wäre. Die Strategen der US-Bank Wells Fargo erwarten sogar einen sehr deutlichen Rückgang der Inflation, was die Aktienkurse beflügeln könnte.
Insgesamt hat sich inzwischen die Meinung durchgesetzt, dass in den USA die Inflation ihren Höhepunkt überschritten habe, während der in Europa erst im Herbst erreicht werde. Das Nachlassen der Dynamik in den USA zeigt sich im Monatsvergleich: Im Juli veränderten sich die Preise gar nicht gegenüber Juni, für den August wird sogar ein kleines Minus von 0,1 Prozent gegenüber Juli erwartet.
Trotz der Erholung gegen Ende vergangener Woche bleiben die Börsen also bedroht vom doppelten Risiko einer hohen Inflation und einer drohenden Rezession. Die Kursreaktion auf die EZB-Entscheidung lässt sich als Erleichterung darüber deuten, dass jetzt wenigstens der geldpolitische Kurs auf beiden Seiten des Atlantiks klar ist: Die Notenbanken versuchen, die Inflation einzudämmen.
Damit konzentriert sich die Aufmerksamkeit noch stärker auf die Frage, wie stark die Rezession ausfallen wird. Einige Ökonomen, darunter auch der ehemalige EZB-Vizechef Vítor Constâncio, halten vor allem die Festlegung der EZB auf noch weitere deutliche Zinsschritte für gefährlich; Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hat gegenüber dem Deutschlandfunk diesen Kurs gerade noch einmal bestätigt. In den USA kommt hinzu, dass die Verbraucher ihre Ersparnisse aus den Covid-Lockdowns weitgehend aufgebraucht haben und die Kreditkartenschulden deutlich wachsen.
Die zur Deutschen Bank gehörende Fondsgesellschaft DWS bleibt in ihrem Ausblick daher vorsichtig. Ihr globaler Co-Chef Thomas Schüßler rechnet einerseits mit Druck auf die Gewinnmargen der Unternehmen und wenig Chancen für Indexgewinne. Andererseits sieht er wenig Alternativen zu Aktien, weil die Anleihen vorerst real, also nach Abzug der Inflation, weiterhin nur negative Renditen liefern können.
Großbritannien: Die nationale Statistikbehörde veröffentlicht die monatlichen Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Im zweiten Quartal dieses Jahres ist die Wirtschaft Großbritanniens leicht geschrumpft. Das BIP fiel gegenüber dem ersten Quartal um 0,1 Prozent. Analysten hatten für das zweite Jahresviertel im Schnitt mit einem etwas höheren Minus von 0,2 Prozent gerechnet.
Belastet wurde das Wachstum in dem Land insbesondere vom Dienstleistungssektor, der um 0,4 Prozent schrumpfte. Hier schlugen offiziellen Angaben zufolge „geringere Aktivitäten im Bereich Gesundheit und Sozialarbeit zu Buche, was wiederum nachlassende Aktivitäten im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Coronavirus widerspiegele“.
Zudem werden am heutigen Montag die aktuellen Zahlen zur Industrieproduktion und der Warenhandelsbilanz vorgestellt.
Türkei: Die Türkei erlebt derzeit eine sogenannte Hyperinflation. Nach Angaben des amtlichen Statistikinstituts Tüik liegt die jährliche Teuerungsrate derzeit bei 80 Prozent, die Istanbuler Handelskammer kommt für die Stadt am Bosporus gar auf 99,9 Prozent, andere Inflationsforscher sprechen sogar von mehr als 180 Prozent. Das wäre eine jährliche Verdreifachung der Preise.
Mitten in dieser Entwicklung stellt Tüik am Montag den dreimonatigen, quartalsmäßigen Durchschnitt der Arbeitslosenquote vor. Im vergangenen Jahr lag die Arbeitslosenquote in der Türkei bei rund zwölf Prozent.
Asiatische Börsen: Die Börsen in Hongkong, Südkorea und China sind wegen eines Feiertages geschlossen.
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