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15.03.2023

14:24

Notenbanken Asien

Vietnam prescht bei Senkung der Leitzinsen überraschend vor

Von: Mathias Peer

Asiens Wachstumsmotor stockt – Vietnam macht deshalb Zinserhöhungen wieder rückgängig. Eine Rolle spielen offenbar auch die Entwicklungen in den USA.

Vietnams Wirtschaft ist zuletzt rasant gewachsen. In diesem Jahr dürfte sich das Wachstum leicht abschwächen. IMAGO/agefotostock

Blick auf Ho-Chi Minh-Stadt

Vietnams Wirtschaft ist zuletzt rasant gewachsen. In diesem Jahr dürfte sich das Wachstum leicht abschwächen.

Bangkok Als erstes Land Asiens hat Vietnam überraschend seinen Zinserhöhungszyklus beendet. Die Zentralbank des südostasiatischen Schwellenlandes senkte am Mittwoch mehrere seiner Leitzinsen deutlich. Die Währungshüter reduzierten etwa den Diskontsatz – ein Element des allgemeinen Leitzinsniveaus – ebenso wie andere Größen um einen Prozentpunkt von 4,5 auf 3,5 Prozent.

Die Notenbanker wollen sich damit gegen die konjunkturelle Abkühlung stemmen. Mehrere makroökonomische Indikatoren hätten sich verschlechtert, hieß es in einer Mitteilung der Zentralbank vom Vortag. Gleichzeitig sei die inländische Inflation unter Kontrolle gebracht. Die Leitzinssenkung folge nun der Regierungsvorgabe, die Wachstumshindernisse abzubauen.

Vietnams Wirtschaft legte im vergangenen Jahr laut der staatlichen Statistikbehörde um acht Prozent zu und war damit einer der Wachstumsmotoren Asiens. Für das laufende Jahr erwartet die Weltbank, dass die Wachstumsrate auf 6,3 Prozent sinkt.

Sie warnte in einem am Montag veröffentlichten Bericht unter anderem vor negativen Auswirkungen steigender Zinsen auf private Investitionen in dem Land, das sich zuletzt bei internationalen Konzernen als zunehmend beliebter Alternativstandort zu China behaupten konnte.

Die Anzeichen für ein mögliches Ende von Vietnams Boom verdeutlichten sich in den vergangenen Monaten: Im Januar und Februar ging die Industrieproduktion angesichts der globalen Nachfrageschwäche im Vergleich zum Vorjahr um 6,3 Prozent zurück. Das Kreditwachstum verlangsamte sich in dem Zeitraum auf 0,8 Prozent – das entspricht nur noch einem Drittel der Wachstumsrate im Vorjahr.

Krise am Immobilienmarkt in Vietnam

Schwer angeschlagen ist auch Vietnams Immobiliensektor, der mit einer Kreditklemme und akuten Liquiditätsengpässen kämpft. Novaland, der zweitgrößte Immobilienentwickler des Landes, gab vergangenen Monat bekannt, eine Anleihe nicht fristgerecht zurückzahlen zu können.

Das Unternehmen ist mit den Zahlungsschwierigkeiten nicht allein. Nach Angaben der Börse in Hanoi waren bis Ende Januar mehr als 50 vietnamesische Unternehmen mit ihren Anleihezahlungen im Rückstand – ein großer Teil stammt aus der Baubranche. Die Probleme haben rasant zugenommen: Noch im Vormonat hatten lediglich sechs Anleiheemittenten verspätete Zahlungen gemeldet.

Der Aktienmarkt Vietnams reagierte positiv auf die gesenkten Zinsen. STRINGER Vietnam

Börse in Hanoi

Der Aktienmarkt Vietnams reagierte positiv auf die gesenkten Zinsen.

Die Probleme des Immobiliensektors waren zuletzt durch Betrugsskandale und Festnahmen ranghoher Manager verstärkt worden. Wegen des verlorenen Vertrauens trockneten die Finanzierungsquellen für die Branche aus.

Die Regierung in Hanoi zeigt sich beunruhigt. Premierminister Pham Minh Chinh wies am Sonntag die Zentralbank an, „geeignete Maßnahmen zu ergreifen“, um die Kreditklemme zu lindern. Banken müssen „Spielraum für die Senkung der Zinssätze für kommerzielle Kredite für Hauskäufer und Immobilienprojekte“ bekommen, fügte er laut einer Erklärung hinzu.

Mit den Leitzinssenkungen folgen die Notenbanker nun den Vorgaben. Sie nehmen damit einen Teil der Leitzinserhöhungen des vergangenen Jahres wieder zurück.

Der nachlassende Inflationsdruck begünstigte den Schritt. Im Februar meldete Vietnam den ersten Rückgang der Inflationsrate seit einem halben Jahr. Mit 4,3 Prozent lag die Teuerungsrate aber nur knapp unter dem Inflationsziel von 4,5 Prozent, das sich die Zentralbank für das laufende Jahr gesetzt hat.

Wie Analysten die Entscheidung aus Vietnam einordnen

Analysen sehen die Entscheidung auch im Zusammenhang mit den veränderten Erwartungen über die Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve, die infolge der Probleme im US-Bankensektor ihre Leitzinsen kommende Woche weniger stark anheben könnte als ursprünglich prognostiziert. „Es wird erwartet, dass die US-Notenbank ihre Zinserhöhungen abschwächt“, kommentierte der Chefvolkswirt der Staatsbank BIDV, Can Van Luc. „Das wird den Druck auf die Zinssätze und den vietnamesischen Dong verringern.“

Khoon Goh, Asien-Analyst der australischen Bank ANZ, kommentierte, Vietnams Zentralbank habe sich wohl durch die Dollar-Schwäche aufgrund der Neubewertung der Fed-Absichten bestärkt gefühlt. Er fügte jedoch hinzu: „Man sollte die Entscheidung nicht als den Beginn eines breiteren Lockerungszyklus in Asien ansehen.“

Der vietnamesische Aktienmarkt reagierte positiv auf die Zinssenkung: Der VN-Index der Börse in der südvietnamesischen Wirtschaftsmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt legte am Mittwoch um 2,1 Prozent zu. Besonders gefragt waren Finanzunternehmen und Immobilienkonzerne. Der Kurs des Wertpapierhändlers SSI legte um knapp sieben Prozent zu. Novaland schloss mit einem Plus von rund sechs Prozent.

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