Ihn hatte im Rennen um den Posten als EZB-Chefvolkswirt keiner auf der Rechnung. Oft war Peter Praet bei der Vergabe von Ämtern in der Europäischen Zentralbank leer ausgegangen. Bis jetzt. Ein Porträt.
Peter Praet wird neuer Chefvolkswirt der EZB.
Bild: AFP
Frankfurt/Brüssel Peter Praet ist schon alleine wegen seiner Landsmannschaft der geradezu ideale Kompromisskandidat im EZB-Postengeschacher zwischen Deutschland und Frankreich. Der in Deutschland geborene Belgier ist in Notenbankkreisen in Europa und weltweit eine der bekanntesten Persönlichkeiten und genießt zudem hohes Ansehen.
Der 62 Jahre alte promovierte Ökonom war bei der Vergabe von Top-Ämtern in der europäischen Geldpolitik bislang aber leer ausgegangen. Nun kann er seine Karriere als Chefökonom der Europäischen Zentralbank (EZB) krönen - auch wenn es einen Posten mit diesem Namen offiziell gar nicht so gibt für den Leiter der Abteilung Volkswirtschaft bei der EZB.
Praet ist seit Juni bei der EZB - im dritten Anlauf schaffte er es schließlich. Zuvor war er bereits zweimal im Rennen um den Posten des EZB-Vizepräsidenten unterlegen - gegen den aktuellen Amtsinhaber Vitor Constancio genauso wie gegen dessen Vorgänger Lucas Papademos. Praet gilt als ausgewiesener Fachmann auf den Gebieten Finanzaufsicht und Finanzstabilität. Bevor er zur Notenbank stieß, arbeitete er beim belgischen Finanzministerium, in der Finanzwirtschaft, beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und als Professor.
Er gilt geldpolitisch eher als „Taube“, also als jemand der eher das Wachstum stimulieren will als die Inflation bekämpfen. Deutsche geldpolitische Vorstellungen teilt er also nicht wirklich - ist ihnen aber doch näher als Benoît Coeuré, der neu ins Direktorium gekommene Franzose, der gute Chancen gehabt hätte, den prestigeträchtigen Posten zu ergattern, den nun Praet bekommt. Zentralbankchef Mario Draghi hat mit der Postenvergabe einen deutsch-französischen Eklat verhindert. Zwar bekommen die Deutschen nach Otmar Issing und Jürgen Stark dieses Mal nicht den Posten des Chefökonomen, müssen aber nicht die Kröte eines Franzosen schlucken, der künftig für den Bereich Markt-Operationen verantwortlich zeichnet. Das deutsche Neu-Mitglied im EZB-Direktorium Jörg Asmussen wird zudem tun dürfen, was er kann: Strippen ziehen und die EZB international vertreten.
2002 kam Praet in den Vorstand der Belgischen Kommission für das Bank-, Finanz- und Versicherungswesen (CBFA), wo er für die Aufsichtspolitik im Banken- und Versicherungswesen zuständig ist.
Praet hat eine lange Hochschulkarriere hinter sich. 1980 promovierte er im Fach Wirtschaftswissenschaften an der Freien Universität Brüssel, wo er noch immer Vorlesungen hält. Von 1980 bis 1987 lehrte der Ökonom als Professor an der Freien Universität Brüssel. Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) war er von 1978 bis 1980 als Volkswirt tätig.
Vor seiner Zeit bei der Belgischen Nationalbank war Praet von 1999 bis 2000 persönlicher Referent des belgischen Finanzministers. Als Chefökonom arbeitete er von 1988 bis 1999 bei der Générale de Banque und der Fortis Bank.
Neben seiner Arbeit bei der Belgischen Nationalbank hatte Praet von 2001 bis 2004 auch den Lehrstuhl für Unternehmensethik an der polytechnischen Fakultät und der Solvay Business School der Freien Universität Brüssel inne.
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Kommentare (3)
hb-leser
03.01.2012, 18:04 Uhr
Herr Asmussen soll gerne das tun, was er gut kann, aber mit seinen Fähigkeiten ist er in der jetzigen Situation für Deutschlands Interessen eine glatte Fehlbesetzung. Nun ist ein Vertreter eines Schuldnerlandes auf dem zweitwichtigsten Posten. Warum nicht ein Niederländer? Die Gläubigerländer sind nun völlig unterrepräsentiert.
Und was erdreistet sich eigentlich die französische Regierung, hier einen Streit anzufangen? Frankreich hat Duisenberg gezwungen, den Posten zur Halbzeit abzugeben. Trichet hat uns einen riesigen Trümmerhaufen beschert und gleich danach wird der Franzose Coeuré mit brutalen Mitteln auf dem Stuhl von Smaghi platziert. Es gibt keine Regel, dass Deutschland den Chef-Volkswirt stellt. Es gibt aber auch KEINE Regel, dass Frankreich jederzeit im Direktorium vertreten sein muss. Hégémonie, c'est moi!
Account gelöscht!
03.01.2012, 18:14 Uhr
hervoragend, dann können wir in Zukunft die Wirtschaftswissenschaften ein zu eins umschreiben als aus dem angloamerikanischen Raum auch in deutschland verabreichtem Studium der Betriebswirtschaftslehre und der Volkswirtschaftslehre. Der Erfolg jedweden Unternehmens wird in Zahlen gemessen doch von Menschen bewirkt, in Analysen von Statisken in mathematischen Modellen, jedoch immer mit Einbeziehung des (Asmussen) Rechts. Dass zu den Wirtschaftswissenschaften auch Wirtschaftsinformatik,Wirtschaftspädagogik und Ethik-Seminare obligatorisch sind hat Sinn.Insofern ist die Wahl ein guter Kompromi? -> Vorhang zu und alle Fragen offen:...,"was er kann: Juristerei, und die ECB international beglückwünschen... beispielweise beim nächsten G 20-Treffen.
hb-leser
03.01.2012, 21:31 Uhr
"Der Franzose übernimmt die IT-Abteilung der EZB und ist für Zahlungssysteme verantwortlich. Ab März 2012 wird er aber auch die Marktabteilung der Notenbank vom Spanier José Manuel González-Páramo übernehmen und damit eine in der aktuellen Staatsschuldenkrise wichtige Funktion. Die Marktabteilung ist für die Aufkäufe von Wertpapieren wie etwa Staatsanleihen und die Einlagengeschäfte von Banken mit der EZB zuständig."
Na, das ist alles, was Sarkozy wollte. Sieg für Frankreich. Game over deutscher Steuerzahler.