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07.03.2022

15:25

Schweizer Währungspolitik

Wert des Euro fällt unter einen Franken – und setzt die Schweizer Nationalbank unter Zugzwang

Von: Jakob Blume

Bislang hat die Notenbank einen starken Franken nur geringfügig als Belastung betrachtet. Das könnte sich bald ändern – und eine alte Diskussion neu auslösen.

Die anhaltende Aufwertung des Franken, gepaart mit einer schwachen Weltkonjunktur, gilt als Krisenszenario. dpa

Banknoten der Schweizerischen Nationalbank

Die anhaltende Aufwertung des Franken, gepaart mit einer schwachen Weltkonjunktur, gilt als Krisenszenario.

Zürich Der Höhenflug des Schweizer Frankens alarmiert die heimische Notenbank. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) betonte am Montag ihre Bereitschaft, die erstarkte Schweizer Devise mit Fremdwährungskäufen zu schwächen. „Die Nationalbank ist nach wie vor bereit, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren“, erklärte die SNB.

Wegen des Kriegs in der Ukraine greifen die Investoren derzeit zu dem in Krisenzeiten als „sicherer Hafen“ geltenden Franken. Zu Wochenbeginn kletterte der Wechselkurs zum Euro auf den höchsten Stand seit mehr als sieben Jahren: Erstmals seit Abkehr der SNB von der Euro-Anbindung kostete die Schweizer Hauptexportwährung weniger als einen Franken. Am Nachmittag wurden für einen Euro 1,0030 Franken bezahlt.

„Der Franken ist zurzeit als Fluchtwährung gesucht, zusammen mit dem US-Dollar und dem Yen“, betonte die SNB. Sie bezeichnete den Franken als hoch bewertet und behält sich eine Intervention am Devisenmarkt vor. Eine verbale Intervention dieser Art ist für die SNB ungewöhnlich.

Schweizer Franken: Euro unter Parität

„Während die SNB die Aufwertung des Schweizer Frankens in den letzten Monaten eher entspannt gesehen hat, könnte ein Fall unter die Parität ihre Haltung ändern“, erklärte UBS-Ökonom Alessandro Bee. Die Parität zum Euro sei auch eine psychologisch wichtige Schwelle.

In den vergangenen Monaten vertrat die SNB die Ansicht, dass die Schweizer Wirtschaft gut gerüstet sei, um einen starken Franken zu verkraften. Zudem helfe eine hohe Bewertung der Landeswährung bei der Inflationsbekämpfung, sagt David Kohl, Chefvolkswirt von Julius Bär. Zwar leide die Exportwirtschaft unter einem starken Franken. „Aber wenn alle die Preise anheben, können auch die Schweizer Exporteure ihre Preise erhöhen.“

Grafik

Doch die Einstellung hat sich mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine und den wachsenden Sorgen um die Weltwirtschaft verändert: Ein Höhenflug des Frankens bei gleichzeitigem Abschwung der eidgenössischen Exportwirtschaft gilt als Krisenszenario, bei dem die Wahrscheinlichkeit einer Intervention steigt. DZ-Bank-Analystin Dorothea Huttanus sagt: „Einer ungebremsten Franken-Aufwertung dürfte man aufgrund der Stabilitätsrisiken weiterhin skeptisch gegenüberstehen.“

SNB: Devisenmarktinterventionen statt Aufwertung

Die Schweizer Währungshüter stemmen sich seit Januar 2015 mit Negativzinsen und Devisenmarktinterventionen gegen eine Aufwertung der Landeswährung. Damals kippte die SNB die Kursuntergrenze von 1,20 Franken je Euro, die sie zuvor mehr als drei Jahre mit Hunderten von Milliarden Franken schweren Interventionen verteidigt hatte, um die exportabhängige Schweizer Wirtschaft zu stützen.

Für die Schweiz waren die Devisenmarktinterventionen jahrelang ein gutes Geschäft. Die Bilanz der SNB ist auf über eine Billion Franken gewachsen. Die Notenbank hält rund 66 Prozent ihrer Devisenreserven in Staatsanleihen und Bargeld bei anderen Zentralbanken, elf Prozent in Unternehmensanleihen und 23 Prozent in Aktien.

Allein 2021 hat die SNB einen Gewinn auf ihre Devisenreserven in Höhe von 26,5 Milliarden Schweizer Franken eingefahren, wie die Notenbank am Montag weiter mitteilte. Sechs Milliarden davon gehen an den Schweizer Staat sowie die Kantone.

Die Anlagestrategie der SNB

Ob es in diesem Jahr mit den Milliardengewinnen weitergeht, ist aber höchst unsicher. Vor allem der Ausverkauf an den Aktienmärkten, insbesondere bei Technologietiteln, schlägt auf den Wert des Dollar-Portfolios durch. Zum Jahresende 2021 betrug der Wert der von der SNB gehaltenen US-Aktien, den die Notenbank der US-Börsenaufsicht SEC gemeldet hat, noch 166 Milliarden Dollar – ein Rekord.

Doch allein der Wert der knapp 63 Millionen gehaltenen Apple-Aktien ist seit Jahresbeginn um rund zehn Prozent gesunken. Noch stärker fielen die Verluste bei den Beteiligungen an Tesla (minus 30 Prozent) und der Facebook-Mutter Meta (minus 40 Prozent) aus. Inzwischen dürfte der Gesamtwert des Portfolios auf rund 144 Milliarden Dollar gefallen sein – das entspricht einem Buchverlust von mehr als 20 Milliarden Dollar innerhalb von nur drei Monaten.

Dagegen könne die SNB nichts tun, sagt Julius-Bär-Ökonom Kohl: „Die SNB betreibt keine aktive Auswahl von Einzeltiteln. Sie kauft den Markt und orientiert sich dabei an der Marktkapitalisierung.“ Die Einzelpositionen von Aktien wie Apple, Amazon oder Tesla im Portfolio der SNB entsprechen im Wesentlichen der Gewichtung der Titel in den gängigen US-Aktienindizes, S&P 500 und Nasdaq Composite.

Debatte um SNB-Anlagestrategie könnte neu aufkommen

Die Aktienauswahl gehöre nicht zur Kernkompetenz der SNB, so Kohl. „Sie verhält sich im Grunde wie ein Privatanleger, der in ETFs anlegt.“ Daher ist das Portfolio ebenso anfällig wie die US-Aktienindizes für Schwankungen in wenigen großen Titeln.

Schon lange gibt es Stimmen, die fordern, dass die SNB ihre Aktieninvestments wie einen Staatsfonds managt. Als Vorbild gilt der norwegische Staatsfonds. Diese Diskussion könnte nun weiter Fahrt aufnehmen, glaubt Kohl: „Wenn die Schwankungen an den Märkten intensiver werden, befeuert das die Debatte, dass die SNB ihr Portfolio aktiver managen muss.“

Bislang hat die SNB solche Forderungen stets zurückgewiesen. Die Notenbank will sich nicht die Flexibilität nehmen lassen, das Aktienportfolio auflösen zu können, falls sie den Franken irgendwann einmal stützen müsste. Momentan sieht es jedoch so aus, als müsste die SNB weiter Franken drucken und gegen Euro und Dollar tauschen, um der Aufwertung Herr zu werden.

Mit Material von Reuters.

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