PremiumHelmut Schleweis hält die Gesellschaft schlecht für die Herausforderungen gerüstet. Eine Deckelung der Dispozinsen lehnt er aber als „Symbolpolitik“ ab.
Helmut Schleweis beim diesjährigen Banken-Gipfel
Der Sparkassen-Chef glaubt: „Ohne Sparen, ohne gewisse Wohlstandsverluste werden wir nicht durch diesen Winter kommen.“
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Frankfurt Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Helmut Schleweis, warnt vor den dramatischen Folgen der sehr hohen Energiepreise. Mit Blick auf die heraufziehende Wirtschaftskrise sei zu befürchten, dass die Zahl der privaten Haushalte, die mit ihrem monatlichen Einkommen nicht mehr auskommen können, „bis auf 60 Prozent und darüber ansteigen könnte“, sagte Schleweis auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatts. Das bedeute, dass auch Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 3600 Euro betroffen sind.
„Das heißt, der Wohlstandsverlust und Vermögensverzehr kommt in der Mittelschicht an, die bislang auch nicht gewohnt war, Transferleistungen in Anspruch zu nehmen, und das zum Teil sogar abgelehnt hat“, so Schleweis. Viele wüssten nicht, wie sie damit umgehen sollten.
Schleweis wollte nicht ausschließen, dass der Kreis der Betroffenen weiter steigen könnte. „Ich will nicht Crash-Prophet sein, aber die Zahl ist solide berechnet“, so der DSGV-Präsident. Denn die Annahmen zu Preissteigerungen und Energiepreisen, auf denen diese Kalkulationen beruhten, seien von der Realität inzwischen „weit eingeholt“.
Für ihn stelle sich die Frage, wie Notenbanken, Politik und Gesellschaft auf diese Krise reagieren würden. Auf die Gesellschaft rolle eine Herausforderung zu, wie es sie in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben habe. „Ich glaube, wir sind als Gesellschaft noch nicht optimal darauf vorbereitet, weil wir aus einer Zeit kommen, in der es immer nur bergauf ging“, so Schleweis.
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„Wir brauchen als Gesellschaft eine gewisse Resilienz, mit den Themen umzugehen, die uns wahrscheinlich allen nicht gefallen werden“, führte der Sparkassenchef weiter aus. „Ohne Sparen, ohne gewisse Wohlstandsverluste werden wir nicht durch diesen Winter kommen.“
Ob die Sparkassen wieder Kunden unterstützen müssen, indem sie beispielsweise Zinsen stunden und Tilgungen aussetzen, ist noch unklar. Derzeit gebe es noch keine übermäßige Inanspruchnahme von Dispokrediten und Kreditlinien, sagte Schleweis. Indikatoren wie die rückläufigen Einlagenzuwächse würden darauf hindeuten, dass die Kunden ihr Geld für andere Dinge ausgeben müssen. Die Sparkassen würden sich als Gruppe aber insgesamt darauf vorbereiten, dass, „wenn unsere Hilfe tatsächlich gefragt ist, wir sehr flexibel reagieren können“.
Einen Deckel für Dispozinsen sieht Schleweis kritisch: „Ich würde das als Symbolpolitik einordnen“, sagte er. Ein Dispozins solle ohnehin nur im Ausnahmefall in Anspruch genommen werden. Er sei „kein Freund staatlich gelenkter Preise, weil sie auch zu Fehlsteuerungen führen“. Die meisten Sparkassen und Kreditinstitute würden mit der Höhe ihrer Zinssätze „ordentlich umgehen“.
Mit Blick auf die notwendige Transformation der Wirtschaft im Sinne der Klimawende forderte Schleweis „eine Zeitenwende bei der Regulierung“. Auf der einen Seite würden energetische Sanierungen in „ungeheurem Ausmaß“ gefordert.
Auf der anderen Seite drosselten Extra-Eigenkapitalpuffer, die die Bankenaufseher von den Banken verlangen, die Kreditvergabefähigkeit der Banken. „Da ist ein gewisser Zielkonflikt“, so Schleweis.
Erstpublikation: 08.09.22, 15:49 Uhr.
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