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07.12.2022

17:48

Anlegerschutz

Verbraucherschützer fordern Vertriebsverbot für Produkte des grauen Kapitalmarkts

Von: Frank Matthias Drost

Jedes Jahr verlieren Verbraucher viele Millionen Euro durch Investitionen in intransparente Finanzanlagen. Verbraucherschützer fordern die Politik zu Konsequenzen auf.

Mit Direktinvestments in Seecontainer bei P&R haben Anleger sehr viel Geld verloren. VIA REUTERS

Chinesischer Containerhafen

Mit Direktinvestments in Seecontainer bei P&R haben Anleger sehr viel Geld verloren.

Berlin Immer wieder gelingt es Unternehmen durch hohe Renditeversprechen, Bundesbürger in zwielichtige Finanzanlagen zu locken. Betrügerische Aktivitäten des Containerdienstleisters P&R beispielsweise endeten in der Insolvenz und sorgten bei den 54.000 Anlegern für Verluste von rund 2,5 Milliarden Euro.

Auf Finanzskandale dieser Art reagierte der Gesetzgeber stets mit Reformen des Anlegerschutzes – die aus Sicht der Verbraucherschützer aber zu kurz greifen. „Skandale haben am grauen Kapitalmarkt System“, urteilte Dorothea Mohn, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), am Mittwoch.

Dabei beruft sie sich auf ein Gutachten, das der Fondsexperte und Finanzanalyst Stefan Loipfinger im Auftrag des VZBV erstellte. Zukünftige Schadenfälle dürften eher die Regel als die Ausnahme sein, lautet die „Bewertung aktueller Investments auf dem grauen Kapitalmarkt“, so der Titel der Studie. „Ein zweites P&R kann der Gesetzgeber durch die bisherigen Maßnahmen nicht verhindern“, glaubt Loipfinger. Für Mohn sind die Konsequenzen klar: „Die Bundesregierung muss endlich den aktiven Vertrieb von Graumarktanlagen verbieten.“

Der graue Kapitalmarkt ist legal, steht aber nicht unter staatlicher Aufsicht. Die Geschäftsmodelle sind für private Anleger in der Regel schwer zu durchschauen. Vermögensanlagen in diesem Bereich entwickelten sich in der Vergangenheit nicht selten zu Schneeballsystemen – Geld wurde eingesammelt, um andere Investoren auszuzahlen. Neben P&R verfolgten Unternehmen wie Infinus, S&K, PIM Gold oder Prokon betrügerische Geschäftsmodelle.

Loipfinger hat in seinem Gutachten die finanzielle Gesamtsituation der zehn größten Initiatoren von Vermögensanlagen bewertet, die den Markt zu etwa 70 Prozent abdecken. Der Finanzanalyst kommt zu dem Schluss, dass der Markt für Vermögensanlagen an strukturellen Defiziten leidet. Er stellt die Eignung dieses Marktes für Kleinanleger nicht nur infrage. Nach seiner Überzeugung sind zukünftige Vermögensschäden in Milliardenhöhe wahrscheinlich.

Loipfinger macht das an mehreren Punkten fest, beispielsweise an der unzureichenden oder fehlenden Rechnungslegung. Angesicht der lückenhaften Informationslage sei häufig nicht klar, ob die Investmentidee funktioniere.

Blindpool-Verbot in Teilen ausgehebelt

Zudem werde der Markt von Finanzkonstrukten dominiert, bei denen sich eigens für die Emission gegründete Zweckgesellschaften über nachrangiges Fremdkapital der Verbraucher finanzieren. Das Kapital werde dann meist an die eigentlich wirtschaftlich handelnde Projektgesellschaft weitergeleitet. Die Anleger seien keine direkten Eigentümer an den Sachwerten, die die Projektgesellschaft erwerbe.

Zudem macht der Gutachter darauf aufmerksam, dass das erst vor knapp einem Jahr verfügte Blindpool-Verbot in Teilen ausgehebelt wird. Mit dem Verbot von Blindpools räumte die Vorgängerregierung mit der Praxis auf, dass Emittenten von Vermögensanlagen in Gold, Holz oder Container in der Vergangenheit keinen konkreten Investitionszweck nennen mussten, um Geld bei privaten Anlegern einzusammeln.

Die gelebte Praxis jedoch sieht anders aus, bemerkt Loipfinger mit Verweis auf Verkaufsprospekte verschiedener Emissionshäuser. Er frage sich, ob der Wille des Gesetzgebers bei solchen Angeboten ausreichend erfüllt wurde.

Die Bundesregierung hat sich in dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt, die bisherige Regulierung des grauen Kapitalmarkts zu überprüfen. Aus Sicht des VZBV liefert das Gutachten konkrete Ansatzpunkte.

Neben der Forderung nach einer Abschaffung des aktiven Vertriebsverbots setzen sich die Verbraucherschützer für ein konsequentes Haftungsprinzip ein. Derzeit sei bereits die Ermittlung der tatsächlichen Prospektverantwortlichen schwierig.

Die Prospekthaftung dürfe nicht länger auf die Emittentin abgewälzt werden. Sie müsse eindeutig bei den tatsächlich verantwortlichen Personen oder Gesellschaften verbleiben. Im Kern halten Verbraucherschützer Produkte des grauen Kapitalmarkts für Kleinanlegerinnen für überflüssig.

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