Überschuldete Privatpersonen sollen schneller aus der Schuldenfalle kommen – allerdings unter Auflagen. Den Grünen geht das Gesetz nicht weit genug.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht
„Die Coronakrise hat uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie schnell und unerwartet man in finanzielle Schwierigkeiten geraten kann.“
Bild: Reuters
Berlin Als die Bundesregierung mit der Arbeit am Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens begann, war die Coronakrise noch kein Thema. Doch nun dürften viele Betroffene der Pandemie von der Reform profitieren. „Die Coronakrise hat uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie schnell und unerwartet man in finanzielle Schwierigkeiten geraten kann“, sagte die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz, Christine Lambrecht (SPD), bei Vorlage des Gesetzesentwurfs.
Mit der Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie sollen künftig überschuldete Unternehmer, Selbstständige und Privatpersonen schon nach drei Jahren die Chance für einen wirtschaftlichen Neuanfang bekommen. Bislang mussten sie in der Regel sechs Jahre warten.
Gleichzeitig will die Bundesregierung dafür sorgen, dass es keinen Anreiz gibt, sich gleich wieder zu verschulden. Wenn ein Schuldner das Recht auf eine Restschuldbefreiung nach dem neuen Gesetz erwirkt hat, kann er erst nach elf Jahren wieder einen neuen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen. Das neue Verfahren würde dann aber automatisch fünf statt drei Jahre dauern.
Derzeit gelten in Deutschland rund sieben Millionen Menschen als überschuldet. Jährlich werden rund 60.000 Anträge auf Restschuldbefreiung erstellt. Die Verkürzung soll für alle Verfahren gelten, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt werden. Für Insolvenzverfahren, die ab dem 17. Dezember 2019 beantragt wurden, soll das sechsjährige Verfahren monatsweise verkürzt werden.
Das Gesetzesvorhaben ist zunächst befristet bis zum 30. Juni 2025. Nach einer Evaluierung will man über eine mögliche Entfristung entscheiden. Bis zum 30. Juni 2024 soll die Bundesregierung dem Bundestag einen Bericht vorlegen, der das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten untersucht.
In der Vergangenheit war es unter gewissen Voraussetzungen möglich, vorzeitig entschuldet zu werden. Wenn Verbraucher etwa die Insolvenzforderungen zu 35 Prozent befriedigen konnten oder in der Lage waren, die Verfahrenskosten zu decken. Diese Voraussetzungen fallen nun weg, da sie auch in der Praxis kaum eine Bedeutung hatten. Nur wenige Verbraucher erfüllten die Vorgaben.
Allerdings gelten auch künftig Pflichten, um eine Restschuldbefreiung zu erhalten. So müssen Schuldner nachweisen, dass sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine bemühen. Darüber hinaus, so das Bundesjustizministerium, werden die Schuldner in einer sogenannten Wohlverhaltensphase stärker zur Herausgabe von erlangtem Vermögen herangezogen. Auch wird kontrolliert, ob in dieser Wohlverhaltensphase unangemessene Verbindlichkeiten eingegangen werden. Wird dies festgestellt, kann die Restschuldbefreiung untersagt werden.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung begrüßt die Verkürzung der Restschuldbefreiung, stört sich aber an Details. Es sei „gänzlich abzulehnen“, wenn künftig Gerichte kontrollieren sollen, ob der Schuldner während der Laufzeit des Verfahrens unangemessene Verbindlichkeiten begründe.
Als unnötig und systemwidrig kritisiert die Bundesarbeitsgemeinschaft ferner, dass die Laufzeit bei einem weiteren Verfahren verlängert werden soll. „Dies dürfte vor allem für Neugründer nach einer gescheiterten Selbstständigkeit abschreckend sein“, heißt es.
Die Grünen können sich nicht damit abfinden, dass Einträge in Auskunfteien wie der Schufa nicht bereits nach einem, sondern erst nach drei Jahren gelöscht werden sollen. Sie befürchten, dass Verbraucher bei der Wohnungssuche, bei Käufen oder bei Krediten Nachteile erfahren können, da in der Regel dann Anfragen nach der Bonität des Verbrauchers erfolgen. Zudem haben die Grünen kein Verständnis dafür, dass eine weitere Evaluierung erfolgen soll. Es gebe ausreichende Grundlagen, die eine Befristung überflüssig machten.
Im jüngsten Überschuldungsreport des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) heißt es, dass Arbeitslosigkeit der häufigste Grund für eine Überschuldung ist. Wegen der Pandemie gehen Wirtschaftsforscher von einer steigenden Arbeitslosigkeit aus.
Die Bundesregierung hat versucht, durch diverse Maßnahmen die Schwierigkeiten für Verbraucher abzupuffern. Mietzahlungen können befristet ausgesetzt werden genauso wie Zins- und Tilgungsleistungen für Konsumenten- und Immobilienkredite. Doch nach diesem Moratorium geht das iff davon aus, dass die Zahl der überschuldeten Haushalte steigen wird.
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