Reservisten der Bundeswehr müssen regelmäßig für Übungen freigestellt werden. Manche Unternehmen haben aber Sorge, dadurch ihre ESG-Ratings zu schädigen.
Panzer der Bundeswehr
Unternehmen befürchten wegen der Nähe zwischen Bundeswehr und Rüstungsindustrie schlechter bewertet zu werden.
Bild: dpa
Für die Bonität von Unternehmen sind finanzielle Ratings von großer Bedeutung. Bewertungen der Nachhaltigkeit von Unternehmen, sogenannte ESG-Ratings, gehen in ihrer Bedeutung dabei noch über die monetäre Dimension hinaus. Sie haben nicht nur Einfluss auf die (Re-)Finanzierungskosten von Unternehmen, sondern auch Auswirkungen auf die Arbeitgebermarke, die gesellschaftliche Anerkennung des Unternehmens und nicht zuletzt auch auf das Geschäftsmodell insgesamt.
Denn der europäische „Green Deal“ verlangt nicht weniger als die Klimaneutralität Europas bis zum Jahr 2050. Eine enorme Herausforderung für die Unternehmen. Ein Gradmesser ihrer Fortschritte dorthin sind eben auch ihre ESG-Ratings. Daher tun Unternehmen viel, um gute Bewertungen zu erhalten, und vermeiden jeden – auch nur möglicherweise – negativen Einfluss auf diese Kennzahlen.
Durch die im vergangenen Jahr beschlossene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die gerade in der Diskussion befindliche EU-Sozialtaxonomie wird die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für Unternehmen dabei nochmals verstärkt. Dies wiederum bringt die Bundeswehr in Bedrängnis – freilich ein Zusammenhang, der sich nicht gleich erschließt, aber umso dramatischer ist.
In Anbetracht zunehmender Großschadenslagen im Inland und der existenziellen Bedrohung Europas durch den russischen Angriff auf die Ukraine steht die Bundeswehr am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Damit sie aber ihre stetig wachsenden Aufgaben im Inland, also den Heimatschutz, und Ausland, also Landes- und Bündnisverteidigung, überhaupt weiterhin in leistungsfähiger Art und Weise wahrnehmen kann, braucht sie neben aktiven Soldaten auch Reservisten. Nach den aktuellen Planungen 225.000 Männer und Frauen, die im – inländischen wie ausländischen – Ernstfall Dienstposten besetzen können.
Und damit die Reservisten schnell einsatzfähig sind, müssen sie regelmäßig üben. Diese sogenannten Wehrübungen können jedoch nicht nur in der Freizeit, im Urlaub oder am Wochenende stattfinden. Dafür sind Ausmaß und Wichtigkeit zu groß. Sie müssen auch dann durchgeführt werden, wenn die Reservisten eigentlich ihrer zivilen Arbeit nachgehen müssten. Die Bundeswehr ist insoweit auf die Kooperation der Unternehmen angewiesen, die ihre Mitarbeiter für solche Übungen freistellen und die von der Bundeswehr für den Arbeitsausfall auch entschädigt werden.
Aus einer – insbesondere juristisch nicht nachvollziehbaren – Furcht vor negativen Folgen für ihre ESG-Ratings weigern sich jedoch viele Unternehmen, diese Freistellungen zu gewähren. Dies ist jedoch unbegründet und hat gravierende Folgen.
Die Befürchtungen beruhen auf der gefühlten Nähe der Bundeswehr zur Verteidigungs- und Rüstungsbranche. Mit dieser hadern SPD und Grüne allerdings, wie sich erst jüngst wieder in den Diskussionen um die EU-Sozialtaxonomie gezeigt hat. Weil auch die Berichtsstandards im nicht-finanziellen Bereich unscharf sind, fürchten die Unternehmen daher mögliche Punktabzüge im Bereich „Soziales“.
Diese Furcht ist allerdings unbegründet, denn genau das Umgekehrte ist der Fall, wie die Rufe nach Waffenlieferungen für die Ukraine derzeit zeigen. Gut ausgerüstete und ausgebildete Polizeieinheiten und Streitkräfte sind vielmehr die Voraussetzung für eine freiheitliche Wirtschaft und Lebensweise, die wiederum Voraussetzung für ein nachhaltiges Wirtschaften und Leben darstellt.
Insofern ist dringend von der Politik zu fordern, Klarheit über das Verhältnis von Streitkräften und Nachhaltigkeit zu schaffen.
Daniel Graewe ist Rechtsanwalt, ESG-Experte und Professor für Wirtschaftsrecht sowie regelmäßiger Autor der Fachzeitschrift „Betriebsberater“. Dieser Artikel stammt aus der Kooperation zwischen dem Handelsblatt und der Fachzeitschrift.
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