Steuerkanzleien sind bei der Digitalisierung gut vorangekommen. Allerdings bremst der Datenschutz an einigen Stellen. Für die Branche könnte Künstliche Intelligenz umwälzende Konsequenzen haben.
Computerprogramm ChatGPT
Steuerkanzleien nutzen die Software von OpenAI bereits umfassend für ihre Arbeit.
Bild: dpa
Köln Wer in diesen Tagen die Webseiten von Steuerkanzleien studiert, findet unter aktuellen Texten mitunter eine recht neue Quellenangabe. „Erstellt mit Hilfe von Chat GPT“, steht zum Beispiel unter einfachen Urteilsanmerkungen oder Mitteilungen der Berater an ihre Mandanten.
Seit Mitte März ist die jüngste Version GPT-4 der Künstlichen Intelligenz (KI) Chat GPT des Unternehmens OpenAI verfügbar. Eine wachsende Zahl von Kanzleien nutzt die weitgehend automatisierte Texterstellung – oder bereitet dies vor. „Unser Onlineseminar zur Einführung in die Arbeit mit Chat GPT ist äußerst stark nachgefragt“, sagt Frederic Schürmann, Geschäftsführer des IFU-Instituts für Unternehmensführung in Bonn, das unter anderem Weiterbildungen für Steuerberater anbietet.
Die technische Basis für den KI-Einsatz haben viele Steuerberater in den vergangenen Jahren gelegt. „Unser Berufsstand ist in Sachen Digitalisierung sehr weit“, sagt Gero Hagemeister, Präsident des Steuerberater-Verbands Köln und Vizepräsident des Deutschen Steuerberaterverbands.
Eine Umfrage zur Studie „Deutschlands beste Steuerberater 2023“ von SWI Finance belegt die Einschätzung. Danach ist die Nutzung von IT weiter vorangeschritten. 74,2 Prozent der Kanzleien arbeiten laut Erhebung mittlerweile weitgehend papierlos und 76,5 Prozent haben digitale Schnittstellen für die Kommunikation mit Mandanten eingerichtet.
Wie gut die Mehrzahl der Steuerberater ihre digitalen Prozesse im Griff hat, zeigt eine Umfrage des IT-Dienstleisters Datev unter knapp 700 Kanzleien. Danach ist es mehr als der Hälfte von ihnen gelungen, Digitalisierungsprojekte erfolgreich abzuschließen. Nur 26 Prozent berichten von deutlichen Verzögerungen bei solchen Vorhaben.
Die Einführung von Künstlicher Intelligenz stellt keine allzu große Hürde dar. Denn die ersten Schritte sind vergleichsweise wenig aufwendig. IFU-Geschäftsführer Schürmann nennt als Beispiel einen Text mit dem Titel „Welche Neuerungen im Steuerrecht erwarten Mandanten zum Jahreswechsel?“ Diesen verfasse eine KI-Anwendung „bereits weitestgehend selbstständig“. Es brauche nur noch eine fachliche Endkontrolle.
Grundsätzlich sei es möglich, mit KI etwa die Hälfte der üblichen Zeit für eine solche Aufgabe einzusparen. Zudem kann intelligente Software die Beschäftigten der Kanzleien bei Recherchen entlasten – indem sie beispielsweise alle Urteile zur Bewertung von Immobilien zusammenträgt.
Auch als Chat-Tool könnte KI unterstützen – etwa wenn Mandanten anrufen, um einen Termin für eine Vorauszahlung sowie deren Höhe zu erfragen. Darauf kann ein solches Programm antworten, wenn es Zugang zur passenden Datenbasis hat. „KI entfaltet erst dann ihre volle Wirkung, wenn sie in die IT-Systeme der Kanzlei wie Datenbanken, Office- oder E-Mail-Programme integriert wird“, sagt Schürmann.
Doch genau hier können sich noch rechtliche Probleme ergeben. Denn Chat GPT-Anbieter OpenAI behält sich vor, eingegebene Informationen zu speichern und zu nutzen. „Ich rate daher davon ab, sensible Daten einzugeben“, sagt Schürmann.
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Der Wettbewerb bei den KI-Programmen gewinnt an Tempo. Microsoft hat eine enge Partnerschaft mit OpenAI geschlossen. Zudem bringen Salesforce, Meta und Google Alternativen zu ChatGPT auf den Markt. Experten erwarten, dass KI-Systeme in Kanzleien bis zum Jahr 2025 wiederkehrende Arbeiten wie etwa das Ausfüllen von Formularen zu einem Großteil übernehmen werden.
Voraussetzung ist allerdings, dass die neuen Tools nach der Einführung entsprechend gepflegt werden und Beschäftigte das nötige Know-how aufbauen. KI-Verantwortliche müssen sich deshalb nicht nur fachlich auskennen, sondern sich zugleich im Team als Multiplikator erweisen, damit Belegschaften die Innovation akzeptieren.
Für die Branche könnte KI umwälzende Konsequenzen haben. „Jetzt ist sie für Kanzleien noch ein Goodie, aber wer KI konsequent anwendet, wird andere Kanzleien womöglich verdrängen“, sagt Schürmann. Doch er sieht auch Arbeitsfelder, die weiter fest in der Hand des Menschen bleiben werden. In die individuelle Beratung von Mandanten werde KI vorerst nicht eindringen.
Erstpublikation: 23.03.2023, 11:54 Uhr.
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