Die EU kämpft gegen Steuerschlupflöcher in Irland oder Luxemburg. Über eine Alternative in Deutschland wird selten gesprochen. Dabei funktioniert die nach dem gleichen Prinzip – und wird von vielen Dax-Konzernen genutzt.
Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann
Ein Haus voller Briefkastenfirmen mitten in Deutschland.
Bild: picture alliance/dpa
Lassen wir diese Geschichte beginnen wie jeden guten Bericht aus einer Steueroase: mit einem Briefkasten. Nur dass dieser nicht in Dublin oder Panama City steht, sondern in Monheim am Rhein, Niederstraße Nummer 29.
Ein Haus, das man im freundlichsten Falle einen Zweckbau nennen könnte. Zwei Stockwerke, flaches Dach, große Garageneinfahrt, ein Balkon wie eine aufgezogene Küchenschublade, ein paar strukturlos verteilte Fenster. Der Briefkasten selbst ist ebenfalls ein zweckdienliches Modell, schuhkartongroß, weiß und eckig, „pulverbeschichtet“ und aus „verzinktem Stahlblech“, so der Produktaufkleber.
Klingt stabil, und das sollte er auch sein: Ganze 34 Unternehmen haben hier ihre Anschrift. Darunter so klangvolle Namen wie Quality Royal GmbH, walkon hosting Limited oder die Königskultur GmbH. Was all diese Unternehmen an dem Kasten aus Stahlblech reizt, zeigt ein Blick in die Materialien der Betreiberfirma Monheim 285: „Für alle, die schnell, unkompliziert und ohne große Zusatzkosten ihren Firmensitz nach Monheim verlegen möchten.“ Denn: „Sie profitieren vom niedrigsten Gewerbesteuersatz in Nordrhein-Westfalen.“ 129 Euro kostet das pro Jahr in der günstigsten Variante.
Ein Haus voller Briefkastenfirmen mitten in Deutschland. Na und? „Seitdem wir den Steuersatz das erste Mal gesenkt haben, sind über 300 Firmen zu uns gezogen“, sagt Daniel Zimmermann, Bürgermeister des 40 000-Einwohner-Ortes zwischen Düsseldorf und Leverkusen. Seit Jahren wird er von der regionalen Presse dafür gelobt, dass er mitten im Hochsteuerland Nordrhein-Westfalen den umgekehrten Weg gegangen ist: Haushaltssanierung durch Steuersenkung. Für den Bund der Steuerzahler ist er ein Beleg dafür, dass der Steuerwettbewerb funktioniert, wenn man ihn denn richtig nutzt. Für die konservative Opposition ist er das Mahnmal, um zu beweisen, dass NRW gar nicht so pleite sein müsste, wenn die Regierung bloß etwas mehr von Wirtschaft verstünde.
Dabei ist Zimmermanns Idee eigentlich geklaut. Als er 2009 an die Macht kam, hatte das angrenzende Langenfeld gerade mit der gleichen Strategie den Haushalt ausgeglichen, während in Monheim die Schulden wuchsen. Also senkte er die Steuern unter die der Nachbarn, heute ist Monheim auf dem Weg zur Schuldenfreiheit, in Langenfeld schimpfen sie seitdem. Klingt nach einem Nullsummenspiel. Und damit eröffnet sich die Frage: Profitiert überhaupt jemand von diesem Modell außer den Unternehmen? Und wie legitim ist es dann, diese Steuervorteile zu nutzen?
Bürgermeister Zimmermann will von solchen Fragen nichts wissen. „Wir nehmen niemandem etwas weg. Wir sorgen doch eher dafür, dass Unternehmen, die sonst das Land verlassen würden, in Deutschland bleiben.“ Seine Kragenweite heißt ohnehin nicht Oberhausen und auch nicht Köln, Zimmermann denkt international. In der kommenden Woche soll der Stadtrat eine weitere Steuersenkung beschließen, es geht dabei nur um drei Punkte, aber die sind entscheidend. „Bisher liegt unser Steuersatz für Unternehmen knapp über 25 Prozent, mit dem neuen Gesetz würden wir die magische Grenze unterschreiten und damit Österreich oder die Niederlande hinter uns lassen.“
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Kommentare (6)
Account gelöscht!
02.11.2016, 11:38 Uhr
In Eschborn gibt es auch einige Häuser mit zu vielen Firmenschildern und Briefkästen daran, denn Eschborn ist das hessische Monheim. Schön dass das mal im HB thematisiert wird!
Account gelöscht!
02.11.2016, 14:54 Uhr
Das würde es unter Putin und Trump nicht geben.
Die zwei zahlen ihre Steuer und wissen was sie ihrem Land schuldig sind.