Große Überraschung bei der Europäischen Zentralbank: Nicht Jörg Asmussen wird neuer EZB-Chefsvolkswirt, sondern der Belgier Peter Praet. Die FDP bedauert die Entscheidung, Schäuble hält sie für „ausbalanciert“.
Der Belgier Peter Praet wird neuer Chefvolkswirt der EZB.
Bild: AFP
Der Belgier Peter Praet wird überraschend neuer Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB). Das beschloss das Direktorium der Notenbank am Dienstag in Frankfurt, wie die EZB mitteilte. Damit wurden deutsche Hoffnungen enttäuscht: Zuvor galten der Deutsche Jörg Asmussen und der Franzose Benoît Coeuré als aussichtsreichste Kandidaten.
Praet ist der erste Belgier auf diesem Spitzenposten: Seit Gründung der EZB hatten nur Deutsche das Amt bekleidet. Der 62-jährige Währungsfachmann Praet tritt die Nachfolge von Jürgen Stark an, der den Posten aus Protest gegen die Staatsanleihenkäufe der EZB geräumt hatte.
Coeure soll nun die Abteilung Märkte übernehmen, die die umstrittenen Staatsanleihenkäufe der EZB koordiniert. Asmussen solle das Ressort Internationales erhalten, also unter anderem bei der Eurogruppe und bei den G20 Notenbankchef Mario Draghi vertreten. „Er übernimmt vor allem das europäische Geschäft“, sagte eine Person aus dem Umfeld der Notenbank. Außerdem werde ihm der Bereich Recht übertragen.
Birgit Reinemund (FDP), Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages, zeigte sich „überrascht“ von der Entscheidung über den Posten des neuen EZB-Chefvolkswirts. „Schade, dass Deutschland nicht den Posten des Chefvolkswirts bekommen hat“, sagte Reinemund dem Handelsblatt. Vielleicht wäre ein anderer deutscher Kandidat besser zu vermitteln gewesen. Trotzdem sei die Entscheidung der EZB keine Schlappe für die Bundeskanzlerin, sagte die FDP-Politikerin. „Die fachliche Expertise des Belgiers Peter Praet ist ausgezeichnet“.
Ansonsten wird die Entscheidung von der Bundesregierung demonstrativ gelassen bewertet. Es handle sich um eine unabhängige Entscheidung der EZB, „mit der die Bundesregierung aber gut leben kann“, hieß es in Regierungskreisen in Berlin. Finanzminister Schäuble sprach von einer „ausbalancierten Entscheidung“. Die EZB sei „für die anstehenden Herausforderungen personell gut aufgestellt“.
Auch Jörg Asmussen selbst wertet seine neue Aufgabe als „Außenminister“ der Europäischen Zentralbank (EZB) wohl nicht als Niederlage. „Ich bin zufrieden“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Mittwochausgabe). Gemeinsam mit EZB-Präsident Mario Draghi werde er sich nun das Krisenmanagement und die langfristige Ausgestaltung der Euro-Zone kümmern.
Peter Praet kann sogar einen deutschen Bezug vorzuweisen: Er wurde im nordrhein-westfälischen Herchen geboren. Der 62-jährige Wirtschaftswissenschaftler ist seit Juni 2011 Mitglied im EZB-Direktorium, dem Exekutivorgan der Notenbank. Zuvor war er Direktor der belgischen Nationalbank gewesen. Coeuré , bisher Chefvolkswirt im Pariser Finanzministerium, und Ex-Finanzstaatssekretär Asmussen sind seit dem Jahreswechsel Mitglieder des obersten Führungsgremiums der Notenbank. Sie ersetzen den bisherigen Chefvolkswirt Jürgen Stark, der im September seinen Rückzug angekündigt hatte, und den Italiener Lorenzo Bini Smaghi, der an die US-Eliteuniversität Harvard wechselt.
In dem Direktorium sitzen neben EZB-Präsident Mario Draghi und seinem Vize Vítor Constâncio vier weitere Mitglieder. Zu Jahresbeginn folgte Asmussen auf Stark, Coeuré zog für Lorenzo Bini Smaghi in das Gremium ein. Der Italiener hatte seinen Posten vorzeitig geräumt, nachdem sein Landsmann Draghi im November für den Franzosen Jean-Claude Trichet an die EZB-Spitze gerückt war.
Damit waren zwei Italiener im Direktorium vertreten, aber kein Franzose mehr. Insbesondere der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte Druck auf Bini Smaghi ausgeübt und seinen Rücktritt gefordert. Traditionell sind die vier großen Länder der Eurozone (Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien) immer im Direktorium vertreten. Eine feste Regel für die Besetzung gibt es aber nicht.
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Kommentare (32)
MalikSchah
03.01.2012, 16:50 Uhr
Grandiose Bilanz: Halbzeit der Merkel-Regierung, und de facto schon ein dritter BP noetig, Deutschland voellig aus der EZB gekegelt, die Herren Stark und Weber haben ja konsequenterweise nicht laenger fuer Murksel die Haende schmutzig machen wollen, eine Franzoesin beim IMF, ein Italiener als EZB-Praesident...und wir Deutschen? Wir haben Oettinger in Bruessel, finanzieren den ganzen Laden und muressen den Schmarren anhoeren, dass ja Deutschland dank des Euros zu ner erfolgreichen Exportnation wurde. Vor 2001 gabs nur Kartoffelaecker hier.
teufelstein
03.01.2012, 16:54 Uhr
Der Dank gilt unseren französischen Freunden, die Asmussen verhindert haben. Jetzt muss er nur noch raus aus der Regierung, dann kann der ehrenwerte Herr sich endlich in der Wirtschaft bewähren. Höchstwahrscheinlich bei einer Heuschrecke.
Popp
03.01.2012, 16:54 Uhr
Wichtig ist doch nur, dass Goldman Sachs etc. immer an der Spitze der EZB mitmischt, egal wer den Präsidenten spielt. Andreas Popp