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10.08.2022

15:50

Verbraucherpreise

Inflation in den USA schwächt sich ab – doch Druck auf die Fed bleibt hoch

Von: Astrid Dörner, Jan Mallien

PremiumIn den USA hat die Dynamik des Preisanstiegs im Juli stärker als erwartet nachgelassen. Doch der Notenbank steht noch ein weiter Weg bevor.

Die US-Wirtschaft hofft auf Signale, dass die Rezession ausbleibt. Bloomberg

Hafen von Los Angeles

Die US-Wirtschaft hofft auf Signale, dass die Rezession ausbleibt.

New York, Frankfurt Die Inflation in den USA ist im Juli gesunken. Die Teuerungsrate lag bei 8,5 Prozent, wie das US-Arbeitsministerium am Mittwoch in Washington mitteilte. Das ist weniger als im Juni, wo sie bei 9,1 Prozent gelegen hatte. Von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragte Ökonomen hatten im Vorfeld einen Wert von 8,7 Prozent erwartet.

Grund für den Rückgang waren vor allem geringere Benzinpreise, die gegenüber Juni zurückgegangen sind. Die Märkte reagierten positiv. Der Dax sprang nach der Veröffentlichung in die Höhe und lag am frühen Nachmittag mit über einem Prozent im Plus.

Auch die US-Märkte starteten mit deutlichem Aufwind in den New Yorker Handelstag. Der Leitindex Dow Jones stieg zunächst um 1,3 Prozent, der breit gefasste S&P 500 legte um 1,6 Prozent zu. Die technologielastige Nasdaq kletterte sogar um über zwei Prozent.

Ökonomen diskutieren nun über die Frage, ob die Spitze der Preissteigerungen nun erreicht ist. Harvard-Professor Jason Furman warnt vor zu viel Optimismus. „Die Daten sind ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte er im US-Börsensender CNBC. Doch es bleibe abzuwarten, ob die Preissteigerungen in den kommenden Monaten weiter zurückgehen.

Fed-Chef Jerome Powell hatte bei der jüngsten Sitzung Ende Juli betont, dass die Inflation mehrere Monate in Folge deutlich zurückgehen müsste, bevor sie ihren geldpolitischen Kurs ändern würden. Powell hatte betont, die Inflationsrate zurück zur Marke von zwei Prozent bringen zu wollen. Nur so könne ein langfristiges Wirtschafts- und Jobwachstum gewährleistet sein.

Der Druck auf die Notenbanker bleibt hoch. Am Freitag hatten sehr starke Arbeitsmarktzahlen die Erwartung verstärkt, dass die Fed die Leitzinsen weiter sehr kräftig erhöhen wird. Die Notenbank steht massiv unter Druck, weil sie die Inflation zunächst unterschätzt hatte.

Hat die Inflation ihren Höhepunkt überschritten?

Seit März hat sie die Zinsen bereits viermal angehoben, zuletzt im Juni und Juli um jeweils 0,75 Prozentpunkte. Sie liegen nun bei einer Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent. Viele Ökonomen halten weitere Zinserhöhungen für nötig – auch wenn die Inflation nun möglichweise ihren Höhepunkt überschritten hat.

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Zuletzt gab es einige Anzeichen für eine schwächere Preisdynamik. So sind die Öl- und Rohstoffpreise seit Anfang Juni gefallen, auch die globalen Nahrungsmittelpreise sind nicht mehr ganz so stark gestiegen wie zuvor. Zudem gibt es auch Entspannungssignale bei den Lieferengpässen. Die Frachtraten, also die Kosten für den Transport von Containern per Schiff, sind ebenfalls zuletzt gesunken.

Die Wohnkosten stiegen jedoch weiter – was zu einem längerfristigen Problem werden könnte, glaubt Diane Swonk, Chefökonomin der Unternehmensberatung KPMG. So würden Mieten nur sehr langsam wieder sinken, wenn sich die Wirtschaft abschwächt. Doch sie fallen bei der Bemessung der Preissteigerungen stark ins Gewicht. Das sei auch ein Grund, warum der schwierigste Teil für die Notenbanker erst am Ende kommen würde, wenn es darum geht, die Inflation von vier auf zwei Prozent zu senken. Auch die Kerninflation, bei der volatile Preise für Nahrungsmittel und Energie herausgerechnet werden, stieg im Juli weiter an.

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Daher bleibe die Lage für die US-Verbraucher angespannt, gibt Stephanie Link, Portfoliomanagerin vom Vermögensverwalter Hightower, zu bedenken. Denn auch wenn die Inflation leicht zurückgegangen sei, „steigen die Preise weiter, und die Verbraucher leiden darunter“.

Rapide steigende Mieten

Die regionale Notenbank in San Francisco geht davon aus, dass rapide steigende Mieten in diesem und im kommenden Jahr 1,1 Prozentpunkte der Inflation ausmachen und 0,5 Prozentpunkte der Kerninflation. Die Mieten stiegen zuletzt etwas langsamer, doch liegen sie im Schnitt immer noch um 14 Prozent höher als vor zwölf Monaten, wie aus Daten des Brokers Redin hervorgeht. In einigen Metropolen wie Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio, Austin, Texas und New York waren die Anstiege zum Teil mehr als doppelt so hoch.

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Der Chefvolkswirt der US-Investmentbank Goldman Sachs, Jan Hatzius, erwartet einen weiteren Rückgang der Inflation. „Der unmittelbarste Grund ist der fast zwanzigprozentige Rückgang der Benzinpreise seit Mitte Juni“, schreibt er in einem aktuellen Kommentar. Nach seiner Schätzung wird allein dies die Inflation in den nächsten zwei bis drei Monaten um einen Prozentpunkt reduzieren. Auch bei den Problemen in den Lieferketten sieht er Verbesserungen. Sorgen bereiten ihm weiter die Preise für Dienstleistungen.

Rezessionsgefahr ist noch nicht vorbei

Fed-Chef Powell hofft weiter, die Wirtschaft abkühlen zu können, ohne eine Rezession zu verursachen. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass das gelingt, ist gering. Die zuletzt starken Signale vom Arbeitsmarkt sollten nicht als Zeichen gewertet werden, dass die Rezessionsgefahr vorbei sei, warnte Mohamed El-Erian, der unter anderem die Allianz berät. Aggressive Zinsschritte und der Abbau der neun Billionen Dollar schweren Bilanzsumme könnten der Wirtschaft und den Märkten „den Teppich unter den Füßen wegziehen“, schrieb er in einem Gastbeitrag in der „Financial Times“.

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Hatzius rechnet damit, dass die Fed ihren Kurs leicht abschwächen könnte. Er geht davon aus, dass die Notenbank die Zinsen um 0,5 Prozentpunkte anheben wird und danach um jeweils einen Viertelprozentpunkt im November und Dezember. Danach geht er von keinen weiteren Schritten aus. „Wir sehen keine zusätzlichen Erhöhungen im Jahr 2023, weil wir davon ausgehen, dass das Wachstum deutlich unter dem Trend bleiben wird und die Inflation stetig weiter sinkt.“

Die nächste Sitzung der Notenbank ist erst am 21. September. Bis dahin werden die Notenbanker noch neue Daten zum Arbeitsmarkt und zu den Preissteigerungen für den August erhalten. Ende August werden die führenden Notenbanker der Welt zum jährlichen Treffen in Jackson Hole, Wyoming zusammenkommen und ihre grundsätzliche Richtung signalisieren.

Viele Ökonomen gehen davon aus, dass in Europa, anders als in den USA, der Höhepunkt der Inflation erst noch bevorsteht. Das liegt daran, dass in Deutschland als größter Volkswirtschaft im Euro-Raum Ende August das Neun-Euro-Ticket und der Tankrabatt auslaufen, die die Inflation zuletzt gedämpft haben.

Vor allem aber könnten die Gaspreise die Inflation hier in den kommenden Monaten noch stärker hochtreiben. Dies gilt besonders für den Fall, dass Russland seine Lieferungen nach Deutschland und in andere Länder einstellt. Dies könnte dann auch in Branchen, die stark auf Gas angewiesen sind, etwa in der Chemieindustrie, zu weiteren Preiserhöhungen führen.

Die Gaspreise wirken sich in der Regel erst mit Verzögerung auf die Inflation aus, weil sie für Haushalte nicht so schnell angepasst werden. Das könnte sich in Deutschland durch die geplante Gasumlage ändern. Die Bundesregierung will es Versorgern ab Oktober ermöglichen, Mehrkosten durch den Ausfall russischer Lieferungen leichter auf die Gasverbraucher umzulegen. Das könnte dann die Inflation weiter hochtreiben. Ökonomen erwarten den Höhepunkt der Inflation im Euro-Raum daher eher im September oder Oktober. Die Unsicherheit ist hier aber größer als in den USA.

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