Die Verbraucherpreise haben im Oktober stärker zugelegt als von Ökonomen erwartet. Das ist ein Warnsignal für die anstehenden Inflationszahlen für den Euro-Raum und setzt die EZB unter Druck.
Gaszähler
Die Inflationsrate dürfte weiterhin zweistellig bleiben – trotz der Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas ab Oktober.
Bild: IMAGO/Future Image
Frankfurt Die Inflationsrate in Deutschland ist im Oktober erneut deutlich gestiegen. Die Verbraucherpreise legten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 10,4 Prozent zu. Das gab das Statistische Bundesamt am Freitag auf Basis einer vorläufigen Schätzung bekannt. Das ist der höchste Stand seit 1951, wie das Bundesamt mitteilte.
Im September lag die Inflationsrate bei 10,0 Prozent. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten für Oktober mit einem Wert von 10,1 Prozent gerechnet.
Die Bundesbank geht in ihrem aktuellen Monatsbericht für Oktober davon aus, dass die Inflationsrate in den nächsten Monaten zweistellig bleiben wird, auch wenn einige Entlastungen in Kraft getreten sind wie zum Beispiel die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme ab Oktober.
Der deutlich über den Erwartungen liegende Wert für Deutschland ist auch ein Warnsignal für die Inflationszahlen für den gesamten Euro-Raum, die das europäische Statistikamt Eurostat am Montag veröffentlicht. Auch in Italien und Frankreich haben die Statistikämter deutlich höhere Werte vermeldet.
Im Vorfeld hatten Ökonomen erwartet, dass die Inflationsrate für den Euro-Raum im Oktober von 9,9 auf 9,4 Prozent zurückgehen würde. Das scheint nun eher unwahrscheinlich. „Die heutigen Preisdaten bestätigen unsere Erwartung einer zweistelligen Euro-Raum-Inflationsrate im Oktober“, sagt Commerzbank-Ökonom Marco Wagner.
Damit bleibt der Druck auf die Europäische Zentralbank hoch, die Zinsen weiter anzuheben. Am Donnerstag hat die Notenbank den Leitzins bereits um weitere 0,75 Prozentpunkte auf zwei Prozent angehoben und den für die Finanzmärkte derzeit maßgeblichen Einlagenzins auf 1,25 Prozent.
Nach der Sitzung sprachen sich mehrere Vertreter für eine weitere Straffung der Geldpolitik aus, darunter die Notenbankchefs aus Litauen, der Slowakei und Frankreich. Allerdings hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf ihrer Pressekonferenz am Donnerstag darauf hingewiesen, dass sich Zinserhöhungen erst mit einigem Abstand auf die Inflation auswirken. „Nichts, was wir tun, hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Inflation, sondern wirkt nur mit zeitlicher Verzögerung.“
Bezogen auf Deutschland gehen viele Ökonomen davon aus, dass die Inflation in den kommenden Monaten noch weiter steigen wird. „Wir sind immer noch einige Monate vom Höhepunkt entfernt“, erwartet der Ökonom der niederländischen ING-Bank, Carsten Brzeski. Er verweist darauf, dass sich der Preisdruck auf weitere Teile der Wirtschaft übertragen habe.
Laut einer monatlichen Umfrage des Münchener Ifo-Instituts plante im Oktober gut jedes zweite Unternehmen damit, die Kunden demnächst stärker zur Kasse zu bitten. Das entsprechende Barometer für Preiserwartungen für die kommenden Monate sank für die Gesamtwirtschaft nur leicht auf 51,5 Punkte, nach 53,8 im September. Die Lebensmitteleinzelhändler planen nach wie vor fast flächendeckend mit Preiserhöhungen.
Brzeski geht davon aus, dass der Höhepunkt der Inflation in Deutschland zum Jahreswechsel erreicht wird. Erst ab dem Frühjahr 2023 rechnet er wieder mit einstelligen Werten. Aus seiner Sicht wird der jüngste Rückgang der Großhandelspreise für Gas die Inflationsaussichten kurzfristig kaum beeinflussen.
Auch Commerzbank-Ökonom Wagner sagt zu den weiteren Inflationsaussichten: „Eine Entspannung ist nicht in Sicht.“ Er geht davon aus, dass die Inflationsrate auch im kommenden Jahr nur deshalb fällt, weil „die Energiepreise auch wegen staatlicher Eingriffe kaum noch einmal so stark zulegen werden wie in diesem Jahr“.
Die Bundesregierung will Preisbremsen für Strom- und Gaspreise einführen. Aktuell sind die Energiepreise der stärkste Inflationstreiber. Sie legten im Vergleich zu Oktober 2021 um durchschnittlich 43,0 Prozent zu. Nahrungsmittel kosteten 20,3 Prozent mehr. Für Dienstleistungen mussten 4,0 Prozent mehr bezahlt werden.
Commerzbank-Experte Wagner verweist auf den Anstieg der Kerninflation, aus der besonders schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrung rausgestrichen werden. Sie erhöhte sich im Oktober nach einer Schätzung der Commerzbank von 4,6 auf fünf Prozent.
„Die Preise steigen in der gesamten Breite,“ sagt er. Hieran werde sich wahrscheinlich auf absehbare Zeit nichts ändern. „Angesichts der hohen Inflation, die mit erheblichen Kaufkraftverlusten einhergeht, dürften die Gewerkschaften höhere Löhne durchsetzen.“ Wegen des offensichtlichen Mangels an Arbeitskräften befänden sie sich in einer guten Verhandlungsposition.
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