Der Stillstand in der Weltwirtschaft wirkt sich bislang nicht negativ auf das Insolvenzverfahren des Containervertriebs von P&R aus. Im Gegenteil: Gläubiger könnten sogar profitieren.
Containertransporter vor dem Hafen von Los Angeles
Bislang hat die Coronakrise das Geschäft des P&R-Insolvenzverwalter nicht beschädigt.
Bild: Bloomberg
Berlin Weltweit leidet die Wirtschaft unter den Folgen Corona-Pandemie, doch die Gläubiger der insolventen P&R-Gruppe könnten sogar von der Krise profitieren: Die Vercharterung und Verwertung von rund 600.000 Containern läuft stabil weiter. Das teilte der Insolvenzverwalter Michael Jaffé am Mittwochvormittag mit.
Demnach zeige sich bislang kein Einbruch bei der Nachfrage nach gebrauchten Containern. Jaffé sieht sogar einen gegenläufigen Trend: „Es kam im Gegenteil eher zu einer erhöhten Nachfrage nach Containern, weil sich gleichzeitig das Angebot verringerte.“ Der Grund: An vielen Standorten in China, wo Neucontainer gebaut werden, sei die Herstellung wegen Corona zwischenzeitlich komplett heruntergefahren worden.
Weil auch die Mieten laut Jaffé bislang planmäßig eingezogen werden können, verzeichnete er seit dem Jahreswechsel noch einmal Zuflüsse von rund 75 Millionen Euro. Insgesamt seien bis Ende März aus der planmäßigen Verwertung der vorhandenen Container rund 325 Millionen Euro realisiert worden.
Jaffé betonte, dass er am Ziel festhalte, aus dem Containerportfolio Erlöse von mehr als einer Milliarde Euro für die Gläubiger zu erwirtschaften. Das entspräche einer Insolvenzquote von 30 Prozent. „Es gab bislang keine Ausfälle und keine Verzögerungen. Ob dies so bleibt, kann natürlich niemand garantieren“, sagte er.
Nach jahrzehntelangem Containervertrieb ging der einstige Marktführer P&R 2018 spektakulär pleite. Der Fall gilt als einer der größten Kapitalanlageskandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Mehr als 54.000 Anleger fürchten um ihr Geld. Sie haben rund 3,5 Milliarden Euro in Seecontainer investiert. Die Gruppe verkaufte ihnen die Stahlboxen, mietete sie zurück und vercharterte sie dann. Unter dem Strich winkten Jahresrenditen zwischen drei und fünf Prozent.
Die Investments galten als seriös und sicher. Mancher Makler pries das „schwimmende Festgeld“, viele Anleger glaubten an eine Altersvorsorge auf Containerbasis. Die Weltwirtschaftskrise 2008 trug dazu bei, das Geschäft von P&R dauerhaft zu schädigen. Der weltweite Warenverkehr brach ein, Transportschiffe wurden stillgelegt, etliche Schiffsfonds platzten, aber P&R vermeldete noch bis 2013 Vertriebsrekorde für Seecontainer.
Dass das nicht zusammenpassen konnte, erfuhren die Anleger damals nicht. Erst nach der Pleite konnte Insolvenzverwalter Michael Jaffé nachweisen, welchen verheerenden Weg P&R einschlug: Ab 2007 habe P&R mehr Container an Anleger verkauft, als die Gruppe dann tatsächlich anschaffte, schrieb er in seinem Insolvenzbericht. Die Lücke wuchs Jahr für Jahr. Jaffé stellte fest, dass Hundertausende Stahlboxen nur auf dem Papier existierten. Eigentlich hätte er 1,6 Millionen Container im Portfolio vorfinden müssen, stattdessen waren es nur 600.000 Stück.
Diesen Bestand macht Jaffé nun nach und nach zu Geld. Noch im laufenden Jahr sollen erste Abschlagszahlungen an die Gläubiger auf den Weg gebracht werden, wie Jaffé ankündigte. Dafür seien umfangreiche Vorbereitungsarbeiten notwendig. So müsse etwa die Verteilung der Gelder zwischen den Insolvenzverfahren der vier betroffenen Vertriebsfirmen der Gruppe geklärt werden. Es geht aber auch um formale Punkte. Die Bankverbindungen der rund 54.000 Gläubiger müssten überprüft werden.
In gerichtlichen Prüfungsterminen seien über alle Verfahren hinweg rund 80.000 Forderungen der Anleger festgestellt wurden. Mehrere Tausend weitere sollen bis zum Herbst folgen. Gläubiger können das Prüfungsergebnis für ihre Forderung im Gläubiger-Informations-System auf der Homepage der Kanzlei Jaffé Rechtsanwälte Insolvenzverwalter abfragen. Nur falls eine Forderung ganz oder teilweise bestritten wird, wird der jeweilige Gläubiger entsprechend per Anschreiben vom Insolvenzgericht informiert.
Selbst wenn der Insolvenzprozess ideal läuft, wird Jaffé Zeit brauchen – wahrscheinlich bis in die zweite Hälfte der 2020er-Jahre. Diesen Umstand macht sich der Hedgefonds York Capital zunutze. Er offeriert Anlegern, die nicht auf den Insolvenzverwalter warten wollen, eine Barzahlung von 16 Prozent auf ihre festgestellte Forderung.
Es ist bekannt, dass der Insolvenzverwalter diesen Aufkauf nicht gern sieht, aber im Prinzip wettet der Hedgefonds auf seinen Erfolg – denn davon hängt dessen Rendite wesentlich ab. Bislang haben Anleger knapp 20 Millionen Euro an den Hedgefonds übertragen. Das Management von York Capital scheint sich vom weltweiten Corona-Stillstand ebenfalls nicht beunruhigen zu lassen. Vor wenigen Tagen erneuerte es die Offerte und stockte sie leicht auf.
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