In 2019 fällten deutsche Gerichte erneut zahlreiche Urteile zugunsten und zulasten von Finanzberatern – zum Beispiel, dass die Beweislast bei der Beratung zur Rürup-Rente beim Vermittler liegt. Die Urteilsbegründungen im Detail und Tipps, wie sich Finanzberater absichern.
Ein Rentnerpärchen
Berater müssen umfassend über Rürup-Produkte aufklären.
Bild: Joyce Romero
1. Urteil: Rürup-Rentenversicherung
Das Urteil: Einem Versicherten, der einen Rürup-Rentenvertrag abgeschlossen hatte, wurden am 26. Juli 2019 in zweiter Instanz vom Oberlandgericht Köln (Aktenzeichen 20 U 185/18) Schadensersatzansprüche zugesprochen. Der Vermittler hatte ihn nicht ausreichend über die Nachteile der Rentenversicherung aufgeklärt. Dem Kläger müssen alle Versicherungsbeiträge zurückgezahlt werden.
Der Fall: Ein selbstständiger Handwerker ließ sich im Juli 2008 in einer Bankfiliale von einem Versicherungsvermittler zur Altersvorsorge beraten. Dieser empfahl seinem Kunden unter dem Hinweis der steuerlichen Absetzbarkeit des Beitrags eine Rürup-Rentenversicherung (Basisrente). Daraufhin schloss der Handwerker den Vertrag ab. Er zahlte insgesamt Beiträge in Höhe von 52.000 Euro, bis er in einem Schreiben vom Oktober 2017 die Kündigung erklärte und um die Auszahlung des Guthabens bat.
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Der Vermittler wies ihn darauf hin, dass die Kündigung den Vertrag zwar beitragsfrei stelle, aber nicht zu einer sofortigen und einmaligen Auszahlung führe. Daraufhin verklagte der Versicherte ihn wegen unterlassener Aufklärung zur Zahlung der geleisteten Beiträge. Der Vermittler habe bei der Beratung nicht darauf hingewiesen, dass mit der Basisrente kein Rückkaufswert ausgezahlt wird und dass frühestens ab dem 60. Lebensjahr eine Auszahlung nur als Rente erfolgt. Auch darüber, dass ein Hinterbliebenenschutz nur für Ehegattin und Kinder gelte, sei er nicht informiert worden. Wäre er über diese Nachteile aufgeklärt worden, hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen.
Tipp: Weil das Beratungsgespräch nicht dokumentiert wurde, trat die Beweislastumkehr zulasten des Vermittlers ein. Dabei hätte er beweisen müssen, den Kunden über die Nachteile der Basisrente aufgeklärt zu haben. Da der Kunde die einmalige Auszahlung der eingezahlten Beiträge wünschte, hätte er ihm deshalb von der Basisrente abraten müssen. Beides konnte er nicht beweisen. Vermittler sollten daher immer auf eine beweiskräftige Dokumentation der Beratung achten.
2. Urteil: Geschlossene Fonds
Das Urteil: Weil sie ein Fondsprospekt zu spät erhalten habe, wollte eine Anlegerin den Kauf eines Fonds rückabwickeln. Die erste Instanz urteilte, dass der beklagte Vertrieb die Aushändigung hätte besser darlegen müssen. Dem widersprach der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 15. August 2019 (Aktenzeichen III ZR 205/17) und gab vor, wie der Fall zu beurteilen ist.
Der Fall: Eine Anlegerin und ihr Mann hatten von August 2007 bis Juli 2008 bei einer Handelsvertreterin Anteile an neun geschlossenen Fonds gezeichnet und insgesamt 308 000 Euro investiert. Zehn Jahre später klagte die Anlegerin – nun Erbin der Anteile ihres verstorbenen Mannes – auf die Rückabwicklung der Verträge: Statt eine sichere Altersvorsorge habe sie eine riskante Beteiligung erhalten.
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Sie sei über die Risiken nicht aufgeklärt worden und habe den Prospekt erst am Zeichnungstag erhalten. Da die Handelsvertreterin nicht mehr für die beklagte Vertriebsgesellschaft arbeitete, bestritt Letztere eine Kenntnis, dass der Prospekt zu spät ausgehändigt wurde. Das zuständige Oberlandesgericht gab der Klage teilweise statt, weil die Beklagte die Prospektübergabe unzureichend darlegte.
Das sahen die BGH-Richter anders: Da die Klägerin nicht bestritten habe, den Prospekt erhalten zu haben, liege keine negative Tatsachenbehauptung vor. Die Beweislast für eine zu späte Übergabe trage die Anlegerin. Die Beklagte habe ihre Darlegungspflicht erfüllt: Ihre Darstellung zur Prospektübergabe beruhe auf Anhaltspunkten wie Schulung der Beraterin und der Bestätigung der Anlegerin in den Beratungsbögen. Da es mehrere Beratungsgespräche gegeben habe, sei es möglich, dass der Prospekt vor dem Zeichnungstag übergeben wurde.
Tipp: Im Zweifel kann der Vorwurf einer Falschberatung mit Indizien aus dem Kontext indirekt widerlegt werden. Es empfiehlt sich daher, eine seriöse Vorgehensweise zu dokumentieren, etwa durch Mitarbeiterschulung und Beratungsbögen.
3. Urteil: Provisionen
Das Urteil: Laut der Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG) vom 27. März 2019 (Aktenzeichen 7 U 618/18) bestehen für ein Versicherungsunternehmen Nachbearbeitungspflichten auch bei einem Widerruf, sofern ein Vertrag bereits wirksam war.
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Der Fall: Ein Vermittler war für eine Versicherungsgesellschaft als selbstständiger Versicherungsvertreter tätig. Nach seinem Ausscheiden aus der Vertriebsorganisation wurden ihm noch Provisionen für die Vermittlung von Policen gutgeschrieben. Einer der von ihm vermittelten Verträge wurde später vom Versicherten innerhalb der 14-tägigen Frist (nach Paragraf 8 VVG) widerrufen.
Daraufhin forderte der Versicherer von seinem ehemaligen Vertreter die Provision zurück (gemäß Paragraf 87a Handelsgesetzbuch). Die Gesellschaft ging davon aus, dass eine Nachbearbeitung bei einem Widerruf nicht geboten sei. Der ehemalige Versicherungsvertreter klagte gegen die Nichtauszahlung seiner Provision vor dem Oberlandgericht (OLG) München, da die Versicherungsgesellschaft einen Versuch hätte unternehmen müssen, den Vertrag zu retten.
Das OLG gab dem Vermittler recht: Für Nachbearbeitungspflichten muss ein wirksamer Versicherungsvertrag entstanden sein. Diese Voraussetzung ist auch bei einem später widerrufenen Versicherungsvertrag erfüllt. Denn vor Ausübung des Widerrufsrechts ist der Vertrag bereits schwebend wirksam. Der Widerruf des Versicherten vernichtet den Vertrag nicht ex tunc (von Anfang an), sondern nur ex nunc (von nun an). Da der Versicherer seiner Nachbearbeitungspflicht nicht nachgekommen sei, kann er nicht vom Vermittler die Provision zurückfordern.
Tipp: Nach Beendigung des Handelsvertretervertrags kommt es oft zum Streit über Provisionsrückforderungen. Betroffene Vermittler sollten ihre Rechte kennen. Neben einer nicht eingehaltenen Nachbearbeitungspflicht kann auch eine unzureichende Darlegung des Rückforderungsanspruchs des Versicherers dem Vermittler helfen, seine Provision zu sichern.
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